Liebe Männer, wir müssen an unseren Freund*innenschaften arbeiten
Ich höre immer wieder von Vertreter*innen älterer Generationen, dass die Freund*innen, die man während des Studiums gewinnt, fürs Leben sind. Jetzt, so der Grundton, hast du noch Zeit, neue Leute kennenzulernen. Man wird in jedem Seminar und in jedem Ausgang mit anderen Leuten zusammengewürfelt. Später, im Arbeitsalltag, sieht man jeden Tag dieselben paar Nasen.
Jetzt noch friends for life finden, und danach ist fertig? Das erhöht den Druck. Tatsächlich sind Freund*innenschaften gerade ein grosses Thema für mich. Nach vier Jahren Bachelor und mit dem Master vor mir haben sich die verschiedenen Grüppchen an der Uni mehrheitlich gefunden. Wir kennen uns seit mehreren Jahren, sind uns vertraut und wirken nach aussen dann und wann sicher auch verschlossen.
Zugleich tut sich immer etwas. Neue Leute tauchen plötzlich auf und werden zu wichtigen Freund*innen, Grüppchen überlappen sich und werden neu durchmischt. Andere ziehen weg oder verbringen mehr Zeit mit ihren Beziehungspersonen.
Konflikte, Verlustängste und Unsicherheiten müssen raus und beredet werden.
Dass sich die Konstellationen verändern, merke ich oft erst am Gruppenchat-Chaos auf meinem Handy. Dann, wenn kein Chat existiert, in dem alle schon drin sind, die zusammen einen Abend verbringen wollen. Lieber so, als dass wir Chats erstellen, um gewisse Freund*innen nicht mehr drin zu haben.
In dieser Vertrautheit kommen für mich aber auch neue Knackpunkte auf. Ich bin jetzt erwachsen genug – oder tue zumindest so –, um je länger, je mehr zu merken, dass es in Freund*innenschaften genauso wie in romantischen Beziehungen grundlegende Konflikte, Verlustängste und Unsicherheiten gibt. Die sind schwierig anzusprechen, müssen aber raus und beredet werden.
Gerade Männer in Heterobeziehungen haben die Tendenz, den emotionalen Ballast bei ihren Partnerinnen abzuladen.
Dass ich das erst jetzt so richtig erkenne, hat nicht nur mit dem Alter, sondern auch strukturell mit einer männlichen Sozialisierung zu tun. Gerade bei Männern in Heterobeziehungen, und zu diesen gehöre ich auch, gibt es die Tendenz, Emotionen und schwierige Themen zu einem Grossteil bei ihren Partnerinnen abzuladen, die dann für die ganze emotionale Nähe verantwortlich sind.
In meinem Umfeld – und hoffentlich darüber hinaus in meiner Generation – wird viel über Freund*innenschaften gesprochen und aktiv an diesen gearbeitet. Da muss auch etwas passieren; mehr Raum für schwierige Themen und Nähe entstehen. Die Verantwortung dafür liegt vor allem bei uns Männern, gerade um den eigenen emotionalen Ballast nicht einfach in romantischen Beziehungen abzuladen.
Die älteren Semester haben vielleicht recht, wenn sie betonen, dass Freund*innenschaften aus dem Studium ein Leben lang halten können. Dem gilt es noch hinzuzufügen: wenn an diesen gearbeitet wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass mit Mitte zwanzig die Zeit fürs Freund*innenschaften-Schmieden noch nicht abgelaufen ist. Und selbst viel später wird es noch die eine oder andere freudige Überraschung geben.
14. Oktober 2024
"Liebe MitgliederInnen"
Kürzlich habe ich von meinem Fitness-Center einen Brief mit der Anrede "Liebe MitgliederInnen" erhalten … Es war nicht als Witz gemeint.
Gilbert Thiriet, Basel
"Abstruse Wortbildungen"
Wie immer: Max Kaufmann trifft das Thema gut, schreibt gut und hat eine akzeptable Sicht auf die Dinge. Was im aktuellen Text jedoch nervt (jedenfalls mich), ist diese Sternchenorgie, um ja keinen Menschen vor den Kopf zu stossen, weil man das Gendern vergessen hat. Da kommt es dann zu solch abstrusen Wortbildungen wie "Freund*innenschaft".
Das Wort Freundschaft – kommt das wirklich von der "Schaft mit dem Freund", oder ist das nicht einfach ein geschlechtsneutraler Begriff, den man – bitte bitte – einfach so stehen lasssen könnte? Fühlt sich da eine Frau wirklich benachteiligt, wenn von Freundschaft gesprochen wird?
Trotzdem: Herzlichen Dank für die Texte, Max Kauf-was jetzt?
Daniel Thiriet, Riehen
"Echt jetzt?!"
"Freund*innenschaften"? – Echt jetzt?! Das Wort "Freundinnenschaft" gab es im deutschen Sprachschatz zu keinem Zeitpunkt. Und als Ergebnis technokratischer Sprachschöpfung mag ich es (und seinesgleichen) nicht akzeptieren. Es gibt heute um des Genderns willen vermehrt den untauglichen Versuch, die Logarithmentafel in die deutsche Sprache einzuführen. Damit wird Sprache verhunzt und unlesbar. Dann noch lieber Begriffe wie "Fahrzeuginnenreinigung", ein zwar sperriges, aber sprachlich korrektes deutsches Wort – ganz ohne Gendersternchen …
Daniel Albietz, Riehen