Energiekrise: Häme über Greta Thunberg
Und plötzlich ist es bitter kalt im Hörsaal. Die Studierenden – gerade noch froh, nicht im Fernunterricht ins Semester starten zu müssen – sitzen in Jacken und Schals in den Bänken und wünschen sich zur Zoom-Konferenz ins warme Bett zurück.
Was wie das Horrorszenario für diesen Winter klingt, wurde vor zwei Wochen Tatsache. Der Grund war aber nicht die Energiespar-Massnahme der Universität, die Räumlichkeiten "nur" noch auf 19 Grad zu heizen. Es war ganz einfach die Heizung ausgefallen.
Alles halb so schlimm. An diesem Montagmorgen war es schön sonnig, und in der Pause setzten sich Studis und Dozierende draussen in die Wärme. Sprüche wurden trotzdem geklopft: Ob das jetzt die neue Normalität sei, fragten einige ein wenig bange mit Blick auf den Winter. Eine Woche zuvor analysierten wir noch die Energiespar-Kampagne des Bundes als Beispiel politischer Kommunikation. Und jetzt sitzen wir schon in der Kälte.
Es ist ein bisschen zum Trend geworden,
Sprüche übers Energiesparen zu klopfen."
Die Anekdote zeigt, dass die Sorge vor einer Energiekrise auch an meiner Bubble, für die Energiesparen nicht erst jetzt zum Thema geworden ist, nicht vorbeigeht. Trotzdem ist es noch nicht so weit, dass WG-Wohnzimmer gleich zu Notstrom-Generator-Räumen umfunktioniert werden oder wir unsere Balkone mit solar aufladbaren Power-Banks zupflastern.
Vorerst begnügt man sich damit, Wasserkocher und Siebträger-Kaffeemaschine auszustecken, wenn sie nicht gebraucht werden. Es kommt auch zu Diskussionen, ob das Soja-Yoghurt auch im auf nur sechs Grad gekühlten Kühlschrank haltbar bleibt und wie viel Strom das überhaupt spart.
Andere meinen zu wissen, ein nicht allzu leerer Kühlschrank brauche weniger Energie – ein schwieriges Unterfangen bei uns, wo dieser meist kärglich bestückt ist. Und ich weiss auch nicht, ob es sinnvoll ist, jetzt deshalb darin eine Palette Bier auf Vorrat einzulagern.
Es ist ein bisschen zum Trend geworden, Sprüche übers Energiesparen zu klopfen. Beispielsweise den Mitbewohnenden das Licht auszuschalten, das diese brennen lassen, und dabei mehr oder weniger spielerisch die Kampagne des Bundes zu zitieren. Manche machen schon Witze, sich zu Halloween als Nebenkostenabrechnung zu verkleiden. Wohlgemerkt sind das meist jene, die sich vielleicht über höhere Preise ärgern, aber nicht existenziell davon bedroht sind.
Bei dem Ganzen gibt es etwas, das mich nervt: Klar macht es Sinn, Energie zu sparen und das Mögliche zu tun. Bei der aktuellen Energiespar-Kampagne zeigt sich aber auch (wie so oft in der Klima- und anderen Krisen), dass grundsätzliche Probleme auf individuelle Konsumentscheidungen abgewälzt werden. Hauptsache, niemand kommt auf die Idee, unser Wirtschaften und dessen Konsequenzen grundsätzlich zu hinterfragen.
Wenn dann jene, die am liebsten ewig so weitermachen würden wie bisher, noch Schlagzeilen aus deutschen Medien mit dem hämischen Kommentar teilen, sogar Greta Thunberg sei jetzt für die längere Laufzeit von AKWs, dann ist meine Geduld am Ende. Tut nicht so, als ob es etwas Neues wäre, dass wir unabhängig von Öl und Gas werden sollten.
Ginge es nach "all den kleinen Gretas", wären wir gar nicht erst in dieser Situation.
24. Oktober 2022
"Bundesrätin für mich kein Vorbild"
Frau Sommaruga ist für mich überhaupt kein Vorbild, wenn es ums Wärmesparen geht. Sie redet zwar den ganzen Tag davon, aber wir Sklaven sollen das gefälligst tun. Sie selbst wohnt in einem Haus mit Ölheizung (in Basel in Zukunft verboten), mit zwei kleinen Solarpanels auf dem Dach, die im Winter im ewig nebligen Bern eventuell gerade ausreichen, einen Wasserkocher zu erhitzen.
Dann predigt sie uns, dass wir nur zu zweit duschen sollen. Wie macht sie das, nachdem sie sich von ihren Mann getrennt hat? Wie sollen das die vielen Alleinstehenden machen? Gar nicht duschen? Das alles lässt Sommaruga in ihrem Propaganda-Getöse untergehen. Aber die Gesetze werden folgen, die natürlich nicht für Bundesrätinnen gelten!
Alexandra Nogawa, Basel
"Sehr gut eruiert"
"...dass grundsätzliche Probleme auf individuelle Konsumentscheidungen abgewälzt werden. Hauptsache, niemand kommt auf die Idee, unser Wirtschaften und dessen Konsequenzen grundsätzlich zu hinterfragen." Sehr gut eruiert, lieber Max. Und nun wird der Swiss-Oil Präsident Rösti sehr wahrscheinlich nächster Bundesrat. Was von so einer Konstellation zu erwarten ist überlasse ich den Gedanken der OnlineReports-Lesern.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Mehr Jägerkluft als an Naturschutz"
Lieber Max Kaufmann, Ihre Kolumne spricht mir aus dem Herzen. Zur Zeit könnte man tatsächlich meinen, ein sorgfältiger Umgang mit der Energie und die Förderung alternativer Energie seien neue, grossartige Entdeckungen. Gerade so, wie wenn im hintersten Erdenwinkel eine bisher unbekannte, heilbringende Pflanze entdeckt worden wäre. Dabei weiss die Menschheit spätestens seit dem Bericht des "Club of Rome" in den Siebzigerjahren, dass der Wachstumswahn und die Verschwendung der Ressourcen unseren Planeten kaputt gehen lässt.
Statt ernsthaft über Sparmassnahmen nachzudenken, nutzt die Energielobby (im grünen Mäntelchen) die Not der Stunde, um sich über Umweltvorschriften hinwegzusetzen und die Energieproduktion mit allen Mitteln voranzutreiben, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden. Ihr grünes Mäntelchen erinnert eher an eine Jägerkluft als an Naturschutz. Von Sparen redet höchstens Frau Sommarugas Bundesamt.
Adrian Meyer, Gelterkinden