Generation Zimmerpflanze
Manchmal hat die ältere Generation einfach einen besseren Geschmack als meine Generation. Das trifft besonders zu, wenn es um Zimmerpflanzen geht.
In der Generation meiner Eltern – zumindest bin ich mit dieser Haltung aufgewachsen – gelten Zimmerpflanzen als bieder und hässlich. Exemplarisch dafür ist der verstaubte Gummibaum, der in der Ecke vor sich hinvegetiert und die Vibes einer lieblosen Hotel-Lobby abgibt.
Bei uns ist alles anders: Ich kann mich an kein WG-Zimmer erinnern, das ich in den letzten drei Jahren gesehen habe, in dem nicht mindestens eine Zimmerpflanze stand. In welchem Zustand die Dinger auch immer sind. Mein eigenes Zimmer ist davon auch nicht ausgenommen.
Weil Gummibaum nicht besonders attraktiv klingt, nennt man ihn jetzt Ficus.
Meistens treten sie reihenweise auf, nicht nur zwei, drei – nein, sie füllen ganze Fensterbretter und Regale. Weil Gummibaum nicht besonders attraktiv klingt und an die verstaubten Zimmerpflanzen aus der Zeit der Grosseltern erinnert, nennt man ihn jetzt Ficus. Und in gewissen Fällen tragen die Pflanzen sogar Namen. Wie Haustiere.
Was sagt das über meine Generation aus? Manche attestieren uns deswegen neue Biedermeier-Tendenzen. Dass wir uns mit dem Ziel eines bürgerlichen Lebens Nestchen in Altbauwohnungen bauen. Erst kümmern wir uns um Pflanzen, dann um Haustiere, dann um Kinder.
Ich würde nicht so weit gehen. Zwar scheinen auch mir die Pflanzentöpfe nicht wirklich Sinnbild für Freiheit und Emanzipation, doch zeigt die Zimmerpflanzen-Thematik bei aller Biederkeit auch, dass es meiner Generation wichtig ist, und wir einen Wert darin sehen, uns um etwas und vor allem umeinander zu kümmern. Im Pflanzen-Pflegen steckt immerhin die Möglichkeit, etwas heranzuziehen, das dann "verhebt".
Die Eltern-Generation entdeckt im "Alter" das Landleben. Befasst sich innigst mit Bäumen.
Damit möchte ich jetzt nicht esoterisch angehaucht zu mehr Achtsamkeit untereinander aufrufen. Denn auch im achtsamen Hegen und Pflegen zeigen sich altbekannte Muster: In meiner ehemaligen WG musste stets meine Mitbewohnerin die arg gebeutelten "Pflänzli" meines Mitbewohners und mir retten. Leider bezeichnend, dass Männer neben emotionaler Arbeit – zum Beispiel über Gefühle reden, weil sie es untereinander nicht tun – auch die Pflanzenpflege auf ihre FINTA-Freund*innen abwälzen.
Und wie steht es inzwischen um die dem Gummibaum abgeneigte Eltern-Generation und ihr Verhältnis zu Pflanzen? Sie entdeckt im "Alter" das Landleben. Befasst sich innigst mit Bäumen. Oder wieso bekommt meine WG momentan so viel hausgemachte Konfitüre aus selbst gepflückten Früchten geschenkt?
13. November 2023
"Vielleicht wird daraus einmal ein Garten"
Das freut mich sehr, dass die junge Generation Freude an Pflanzen hat, vielleicht wird daraus einmal ein Garten! Noch als Mieterin habe ich in Weil einen Kirschbaum gemietet, sodass ich eigene Kirschen hatte (ein Schrebergarten war nicht verheirateten Personen damals untersagt, ich hoffe heute nicht mehr). Inzwischen habe ich einen eigenen Garten und auch Pflanzen im Hause, sie sind gut fürs Klima! Alles Gute und viel Erfolg.
Alexandra Nogawa, Basel