Wer sich über Wokeness aufregt, geht den Rechten auf den Leim
Im Gespräch mit Menschen, die Vorbehalte gegenüber woken Themen haben, begegne ich oft einem bestimmten Argument – sowohl bei Boomern als auch in meiner Generation: Man solle diese Themen nicht so aufblasen, es gebe Wichtigeres.
Auf Nachfrage zeigt sich, dass diese Leute genderneutrale Toiletten, den Verzicht auf rassistische Ausdrücke oder Awareness-Teams im Ausgang skeptisch sehen, weil sie die Diskussion darüber mühsam finden. Schnell kippt diese Haltung dann in die problematische Richtung, dass nur eine kleine gesellschaftliche Gruppe von solchen Massnahmen profitiere und diese der Mehrheit immer stärker vorschreibe, wie sie zu leben habe.
Ich möchte an dieser Stelle platzieren: Wenn Ihnen oder Menschen in Ihrem Umfeld das nächste Mal Debatten über Gendersterne und Co. mühsam erscheinen, achten Sie einmal darauf, wer diese Themen ständig aufkocht. Achten Sie darauf, von wem das Gstürm über diese Themen, an dem sich beispielsweise mein Grossvater stört, ausgeht. Es sind Medien wie die NZZ, Parteien wie die SVP und laute Männer in Kommentarspalten, die ums Verrecken nicht aufhören wollen, sich zu empören.
Weil sie sich nur so als heldenhaften Widerstand inszenieren können.
Es sind Rechte und Konservative, die den "Woken" die Schuld an der Polarisierung zuschieben und einen "Kulturkampf" heraufbeschwören, weil sie selbst davon profitieren. Weil sie sich nur so als heldenhaften Widerstand gegen Sprechverbote, Zensur und Überempfindlichkeit inszenieren können.
Klar: Diese Debatten werden auf der Pro-Seite tatsächlich manchmal emotional geführt. Das ist aber auch richtig und einfach nur verständlich, wenn beispielsweise trans Personen darauf aufmerksam machen, dass sie strukturell häufiger von Gewalt betroffen sind, dies in der Politik aber weitgehend ignoriert oder sogar zum Anlass genommen wird, um Stimmung gegen diese Gruppe zu machen.
Es stimmt, Diskussionen, die sich im Kreis drehen, sind mühsam. Ich bin mir sicher, dass jede Person, die sich aktuell für das Outcallen rassistischer Aussagen, ein Awareness-Konzept oder eine neue Toilettenbeschilderung rechtfertigen muss, liebend gerne andere Probleme auf einer strukturellen Ebene anpacken würde.
Bei solchen Auseinandersetzungen können wir alle stets weiterlernen.
Das setzt aber voraus, dass Kraft und Geduld nicht dafür verwendet werden müssen, zum tausendsten Mal dieselben Angriffe abzuwehren. Und bei aller Bereitschaft zum Dialog stelle ich es mir auch anstrengend vor, Leuten, die sich eigentlich nur empören wollen, zum x-ten Mal zu erklären, wieso es wichtig ist, sich mit diesen – mühsamen – Themen auseinanderzusetzen.
Für alle, die es interessiert, ein kleiner Tipp: Es gibt Menschen, deren Job es ist, diese Themen zu vermitteln und die unzählige Podcasts, Bücher oder Social-Media-Accounts niederschwellig zugänglich anbieten.
Solch eine Auseinandersetzung, in der wir alle stets weiterlernen können, ist vielleicht anstrengend. Aber zugleich ist sie um ein Vielfaches konstruktiver, als sich über die Präsenz dieser Themen aufzuregen und damit einem rechten Narrativ auf den Leim zu gehen.
3. Februar 2025
"Fragen über Fragen"
Eigentlich ist uns unklar, was Max Kaufmann will oder bezweckt mit diesem Artikel. Er beinhaltet ein derartiges Durcheinander und Geschwurbel, angereichert mit den üblichen Anglizismen, dass auch nach mehrmaligem Lesen immer noch kein Gesamtbild erkennbar wird.
Ist jetzt Wokismus eine Kultur, die gegen den Normalismus zum Kampf aufruft, oder umgekehrt? Ist ihm die Altersweisheit seines Grossvaters lästig, oder behindert ihn diese bei der Entwicklung seines subkulturellen, pseudophilosophischen Gedankengutes? Sind jetzt die verschiedenen Ansichten in einer Demokratie der Meinungsfreiheit mit so etwas wie alten Fliegenfängern bestückt, an deren Leim man bis zum elendiglichen Dahinserbeln hängenbleibt?
Fragen über Fragen. Wir denken, es ist am besten, wir übergeben den ganzen Wirrwarr an "Alles mit scharf" von Frau Andrea Strahm, die als bodenständige, in ihrem Leben voller Arbeit gestählte Dame, hier eine realistische oder auch pragmatische Ordnung hineinbringen könnte.
Erika und Walter Brand, Kapstadt
"Nicht nur vorgestrige Opas"
Doch, doch Herr Waldner, es sind schon meistens Rechte und Konservative und nicht nur vorgestrige Opas, die sich über solche Diskussionen ärgern. Die Munition dazu liefern die schweizbekannten, meist bürgerlichen Medien.
Solche Themen werden immer dann bewirtschaftet, wenn andere unbeliebte Überschriften problematisch sind und lieber in den politischen Hintergrund geschoben werden sollen. Wie sagt mein Enkel immer: "Was nützt es, reden und schreiben gelernt zu haben, wenn man das Denken dann anderen überlässt." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Gut und inspirierend"
Danke an Max Kaufmann für diese Refexion. Endlich eine Stimme, die sich auf einer übergeordneten Ebene mit diesem Diskurs auseinandersetzt. Nicht nur in der NZZ, auch auf OnlineReports durften wir Leserinnen und Leser gelegentlich redaktionelle Artikel und aufgeregte Meinungen gegen woke Schreibformen lesen.
Wie Max Kaufmann feststellt, ist es mühsam und anstrengend, sich mit neuen, aber faireren Denk- und Ausdrucksweisen auseinanderzusetzen. Ich persönlich finde es gut und inspirierend, neue Sichtweisen sichtbar zu machen und Minderheiten auch sprachlich einzubeziehen.
Dass zum Beispiel die weibliche Form jeweils mitgemeint sei, ist nicht akzeptabel. Für ein Mädchen vor der Berufswahl macht es einen grossen Unterschied, ob Berufsbezeichnungen auch sprachlich in der weiblichen Form genannt werden. Dasselbe gilt auch für andere als die heteronormativen Geschlechtsidentitäten. Auch für mich (auch ein weisser CIS-Boomer) hätte es einen grossen Unterschied gemacht, wenn Homosexualität in meiner Jugendzeit sichtbar gewesen wäre.
Weiter so Max Kaufmann.
Stephan Kalt, Basel
"Studentischer Unsinn"
Ach ja – das grösste Problem unserer Zeit. "Woke" – im Sinne von "Wachsamkeit" für Diskriminierung und Missstand – ist sicher wichtig und nötig. Besonders Gewalt gegenüber "anderen" ist nicht akzeptabel, muss streng verfolgt und bestraft werden.
Aber man kann es ja auch übertreiben, und genau das ist passiert, wird heftig verteidigt. "Genderneutrale Toiletten" zum Beispiel finde ich gut; im Sinne von, dass es nur noch eine für alle geben soll; daneben vielleicht noch das Pissoir nur für "Wesen" mit Penis.
"Gendersterne & Co." stören mich auch, weil sie unsere geschriebene Sprache verhunzen; aber ich muss die Medien, die darauf stehen, nicht lesen – und genau das mache ich auch.
Wirklich störe ich mich an der geschichtsvergessenen "Korrektur" von alten Büchern (oder Comics), wie "Tom Sawyer und Huckleberry Finn", "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer", "Pippi Langstrumpf" oder "Tintin". Will man aus rassistischen Gründen die Realität früherer Zeiten vergessen machen? Besonders in der Jugendliteratur?
Oder die Lächerlichkeit der sogenannten "kulturellen Aneignung", die einer Reggae-Band Dreadlocks-Frisuren verbieten will. Wollte ja mal dieselben Kreise hören, wenn man einem afrikanischen oder asiatischen Orchester verbieten wollte, den "Wiener Walzer" zu spielen.
Fazit: Das Problem sind nicht "Rechte und Konservative" (weisse Männer und Opas), die den Wirbel verursachen, sondern alle, die sich an den unsinnigen Diskussionen beteiligen; damit meine ich auch insbesondere jene Medien, die jeden Unsinn aufblasen. Und – "den Rechten auf den Leim" geht niemand, der nicht jeden studentischen Unsinn mitmachen will …
Peter Waldner, Basel