Werbung

Marc Schinzel: "Schinzel Pommes"

<< [ 1 | 2 | 3 | 4 ] >>

Selbstverantwortung in Krisenzeiten

Am 24. August war es zum 33. Mal so weit: Die politisch interessierte Regio Basiliensis traf sich auf dem Land, oben am Berg im kleinen Pfeffingen, mit fantastischem Blick über das Birstal. Es ist schon erstaunlich: Das Organisationskomitee des Pfeffinger Forums konnte mit Finanzministerin Karin Keller-Sutter bereits zum 20. Mal ein Mitglied der Landesregierung in der örtlichen Mehrzweckhalle begrüssen. Im Joggeli, das die Bevölkerung von Pfeffingen 15 Mal fasst, dürften kaum mehr Bundesrätinnen und Bundesräte zu Gast gewesen sein.

An jenem gewittrigen Augustabend sprach Bundesrätin Keller-Sutter über die Staatsfinanzen. In gewöhnlichen Zeiten ist das ein eher trockenes Thema, das Appellreflexe links und rechts auslöst. Bürgerliche pochen auf die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Haushalts und einer moderaten Steuerbelastung. Linke betonen die Rolle des Staats als Investor im Interesse der Allgemeinheit und Garant eines menschenwürdigen Lebensstandards.

Die jüngste Zeit war alles andere als normal. Schwere Krisen mit Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft lösten sich im Jahrestakt ab: Covid ab 2020, im Februar 2022 der russische Überfall auf die Ukraine, im folgenden Winter die drohende Strommangellage und im März 2023 der Zusammenbruch der Crédit Suisse (CS). Bis auf die Ukraine wurde Notrecht erlassen. Zur Bewältigung der Covid-Pandemie setzte allein der Bund 30 Milliarden Franken ein. Für die Rettung der CS mussten der Bund und die Nationalbank am 19. März dieses Jahres 209 Milliarden Franken an Liquiditätshilfe-Darlehen und Staatsgarantien sprechen. Die CS zahlte inzwischen alle in Anspruch genommenen Hilfen zurück.

Es gibt Krisen, die uns demütig machen, weil wir realisieren, dass wir nicht alles planen und beherrschen.

In einer zunehmend vernetzten, interdependenten Welt müssen wir uns daran gewöhnen, dass die Schweiz keine krisenresistente Insel ist. Entferntes, kaum für möglich Gehaltenes kann über Nacht zur realen Gefahr werden. Der beschauliche Rhythmus der Bundesratssitzung am Mittwoch und der vierteljährlichen Parlamentssessionen wird gesprengt.

Die vom Bund eingesetzten oder garantierten Milliardenbeträge beunruhigen uns zu Recht. Die Summen sind so gigantisch, dass sie sich unserer Vorstellungskraft entziehen. Für die zur Rettung der CS gewährten Mittel könnte man sämtlichen 332 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der USA eine FCB-Saisonkarte im Sektor C2 oder einen Flug von New York nach London und zurück spendieren.

Es gibt Krisen, die kommen scheinbar aus dem Nichts, wie Corona. Sie machen uns demütig, weil wir realisieren, dass wir nicht alles planen und beherrschen. Andere Krisen wären vorhersehbar. So hätte der Überfall Russlands auf die Ukraine weltpolitisch Interessierte niemals überraschen dürfen. Die Zeichen an der Wand waren spätestens seit 2014 überdeutlich, als Putin mit seinen "grünen Männchen" die Krim handstreichartig besetzte und im Donbass einen schmutzigen Kleinkrieg entfachte, den er jahrelang am Kochen hielt. 

Selbstverantwortung ist kein Selbstzweck, sondern der beste Weg, um unsere Gesellschaft voranzubringen

Die CS-Krise fällt in eine andere Kategorie. Verantwortlich dafür waren die Personen an der Spitze dieser einst stolzen Bank, die den Aufbau der modernen Schweiz im 19. Jahrhundert entscheidend prägte. Ein ruinöses Gebaren von Selbstdarstellern, die ihre masslose Gier und Profilierungssucht skrupellos über das Wohl des Unternehmens stellten, führte in den Untergang. Noch am 19. März, als ein ungeordneter Zusammenbruch der CS mit allen verheerenden Folgen für unsere Volkswirtschaft stündlich näher rückte, mussten die Finanzministerin, die Repräsentanten des Bundes und der Nationalbank an die Spitzen der CS und der UBS appellieren, ihre Verantwortung für die beiden Banken, die Wirtschaft und die Bevölkerung wenigstens jetzt wahrzunehmen, wie es Bundesrätin Keller-Sutter in Pfeffingen eindrücklich schilderte.

Als bürgerlich-liberaler Politiker ist für mich Selbstverantwortung zentral. Diese ist aber kein Selbstzweck, sondern der beste Weg, um unsere Gesellschaft voranzubringen. Der selten zitierte Artikel 6 der Bundesverfassung hält unter dem Titel "individuelle und gesellschaftliche Verantwortung" fest: "Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei." 

Sich entwickeln, eigene Ziele verwirklichen, Erfolg anstreben, um damit auch unser Gemeinwesen zu stärken: Darauf sollten wir uns gerade in Krisenzeiten wieder vermehrt besinnen. 

4. September 2023
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
Marc Schinzel, geboren 1963, studierte und doktorierte an der juristischen Fakultät Basel und absolvierte ein Postdoc-Studium in Völkerrecht und internationalen Beziehungen an der Columbia University, New York. Er arbeitet beim Bundesamt für Justiz mit Schwerpunkten im Staats- und Religionsrecht. Mit seiner Familie wohnt er in Binningen, wo er aufgewachsen ist. Seit 2015 vertritt er die FDP im Baselbieter Landrat, seit 2016 im Einwohnerrat Binningen. Schinzel gehört der Geschäftsleitung der FDP BL an. Seine Interessen sind Geschichte, Musik sowie nahe und ferne Kulturen. © Foto Landeskanzlei BL

marc.schinzel@gmail.com

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/echo.gif

"Weniger konsumieren"

Da kann ich dem Leserbriefschreiber Ueli Keller nur beipflichten. Gerade in den saturierten Gegenden des Globus müssen wir uns ernsthaft auf den Pfad begeben, von allem weniger zu konsumieren. Entsprechend weniger zu produzieren, weniger zu transportieren. Ich gehe hier nicht auf die Details ein, da ist jede und jeder in der Lage, sich die entsprechenden Reime zu machen. Beim Nachdenken über Zusammenhänge mache ich eine Ausnahme: hier besteht Wachstumsanspruch!


Steffi Luethi-Brüderlin, Basel



"Zulasten unserer Nachkommen"

Danke für diesen zusammenfassenden Kommentar; besonders die letzten beiden Abschnitte finde ich entscheidend wichtig, weil sie gerne in Vergessenheit geraten. Ein Satz am Anfang aber: "Linke betonen die Rolle des Staats als Investor im Interesse der Allgemeinheit und Garant eines menschenwürdigen Lebensstandards." Das ist nicht zwingend falsch, aber es darf niemals den ausgeglichenen Haushalt ausschliessen. Jeder Franken Staatsschulden ist Geld, das wir zulasten unserer Nachkommen ausgeben. Das ist eine Zumutung, weil diese mit Sicherheit auch vor grossen Problemen stehen werden und das von ihnen erwirtschaftete Geld für Besseres verwenden wollen, als unseren "menschenwürdigen Lebensstandard" rückwirkend finanzieren zu müssen.


Peter Waldner, Basel



"Die Welt ist in Unordnung"

Selbstverantwortung ist gut: ein Systemwandel besser! Ob mit dem Kapitalismus, mit dem Kommunismus, dem Sozialismus oder sonst einem Mus: Die autoritär-hierarchisch und industriell-militärisch-technologisch begründete Zivilisation steckt total, überall auf der Welt und in sehr vielen Bereichen in einer Krise. Auch wenn es viele immer noch nicht wissen wollen: Das System "Immer noch mehr Wachstum dank immer noch mehr Wachstum" geht nicht mehr. – Die Welt ist in Unordnung. Chaos herrscht. Unter anderem auch viele Politikerinnen und Politiker von links über die Mitte bis nach rechts scheinen sich davor in eine Art geistige Umnachtung zu flüchten. In diesem Dunkel lassen sich Chancen, die im Chaos und in Krisen schlummern, nicht für einen Wandel zum Guten nutzen.


Ueli Keller, Allschwil


www.onlinereports.ch
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigenen Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

 

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Das Gebiet Rütschete ist tatsächlich ein bekannter Rutsch- oder Kriechhang."

Stellungnahme in der Volksstimme
vom 26. September 2023
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Überraschung!

RückSpiegel


In einem Artikel über die polarisierende Jungpolitikerin Sarah Regez (SVP BL) bezieht sich die Basler Zeitung auf OnlineReports.

persoenlich.com vermeldet mit Verweis auf OnlineReports den Wechsel der Basler Journalistin Andrea Fopp von Bajour zur NZZ.

Happy Radio greift den Bericht von OnlineReports über die Deponie Höli Liestal AG auf.

Die Volksstimme bezieht sich in einem Porträt über den freiwilligen Verkehrsregler in Rickenbach, Robert Bussinger, auf einen früheren Artikel von OnlineReports.

Die bz greift den Bericht von OnlineReports über den Eklat am Baselbieter Kantonsgericht mit dem sofortigem Rücktritt eines Vizepräsidenten auf.

Die bz zitiert in ihrem Nachruf auf Hans Rudolf Gysin aus dem OnlineReports-Porträt "Die Hans Rudolf Gysin-Story: Auf der Spur eines Phänomens".

Zahlreiche Medien haben die Nachricht über den Tod von Hans Rudolf Gysin aufgenommen: Basler Zeitung, bz und weitere Titel von CH Media, Prime News, Volksstimme, Bajour, Baseljetzt, SRF-Regionaljournal Basel, Happy Radio, nau.ch.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).

Am 1. Juni 2024 übernimmt Veronika Röthlisberger die Leitung der Gebäudeversicherung Basel-Stadt von Peter Blumer, der danach pensioniert wird.

Hanspeter Wäspi (57, Rheinfelden) ist neuer Geschäftsleiter von Procap Nordwestschweiz.

Die Leitung der Abteilung Finanzen und Controlling im Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt obliegt ab 1. Dezember Thomas Schneider, der die Nachfolge des Bald-Pensionierten Daniel Hardmeier antritt.

Stefan Binkert wird neuer Rektor des Wirtschaftsgymnasiums und der Wirtschaftsmittelschule Basel; er folgt in dieser Funktion auf Patrick Langloh, der ab 1. Januar 2024 die Leitung des Bereichs Mittelschulen und Berufsbildung im Erziehungsdepartement übernimmt.