Was sagt uns Weihnachten?
Heute, am 25. Dezember, ist Weihnachten. Neben Ostern ist das der höchste Feiertag zahlreicher christlicher Kirchen. Die Ostkirchen feiern am 7. Januar, weil sie sich nach dem alten, julianischen Kalender richten.
Jesu Geburt, das Kind in der Krippe, steht für Vertrauen. Gott ist zu uns Menschen gekommen. Nicht am Tag, mit Macht, Prunk, Grösse und erhabener Weisheit, sondern in tiefster Nacht: klein, nackt, schutzbedürftig und empfänglich für unsere Liebe. So der Glaube von Christinnen und Christen in aller Welt.
Die Ankunft des Kindes im Stall von Bethlehem, umgeben von Maria und Josef, Ochs und Esel, Hirtinnen und Hirten sowie den sternkundigen Königen aus dem Morgenland, wurde über die Jahrhunderte tausendfach gemalt, in zahlreichen Sprachen beschrieben und auf alle Arten besungen.
Was sagt uns Weihnachten? Diese Frage kann Stossseufzer auslösen. Nicht schon wieder! Mir geht es jeweils so, wenn ich sie höre. Gut, dass ich sie nun selbst an Sie richten kann und Sie lesen dürfen, was mir dazu einfällt.
Die Zeit, in der die Kirchen ganz selbstverständlich in Anspruch nahmen, die Deutungshoheit über Weihnachten zu besitzen, ist vorbei. Autoritative Vorgaben ex cathedra passen auch nicht zum Kind in der Krippe. Ein Kind ist ein unbeschriebenes Blatt, offen für alles, was ihm begegnet.
Wer vom Thron herabsteigt, tritt aus der Allmacht, will aufnehmen, nicht dozieren.
Wer vom Thron herabsteigt, tritt aus der Allmacht, will aufnehmen, nicht dozieren. Wir wissen nur zu gut, dass alleinseligmachende Lehren – egal ob kirchlicher oder weltlicher Art – jämmerlich gescheitert sind. Religiöse Ideologen und sture Dogmatiker haben sich an der Krippe heillos zerstritten statt friedlich versammelt. Mit verheerenden Folgen für die Menschen.
Regelmässig stattfindende Keilereien zwischen Priestern verschiedener christlicher Glaubensbekenntnisse, die sich um einzelne Sektoren in der Geburtskirche von Bethlehem zoffen, muten da fast schon idyllisch an. Weltanschauliche Streitereien lassen sich auch auf dem "Mätteli" austragen, wie uns die liebenswerten italienischen Geschichten von Giovanni Guareschi über den prügelnden Priester Don Camillo und den streitbaren Kommunisten Peppone schön aufzeigen. Lenin und heimliche Taufe in der Kirche, das geht in Italien. Sich beim Essen und Trinken versöhnen sowieso.
Was also bedeutet Weihnachten, diese feierliche Zeit im ausklingenden Jahr? Jede und jeder verknüpft andere Bilder, Erinnerungen, Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen, aber auch Sorgen mit diesen Tagen. Einige sind ernüchtert, ja abgestossen vom Kommerz, der aus ihrer Sicht den Blick auf das Kind in der Krippe längst völlig verbaut hat.
Andere freuen sich auf den Weihnachtsgottesdienst mit einer vollen Kirche, Krippenspiel und Weihnachtsliedern. Für etliche ist Weihnachten schmerzlich, weil sie an liebe Personen denken, die von ihnen gingen oder mit denen sie keinen gemeinsamen Weg mehr finden. Manche sind allein. Einige entziehen sich dem heimatlichen "Festtagsstress" im All-Inclusive-Resort auf Guadeloupe oder auf alpinen Skipisten.
Es geht nicht ohne den traditionellen Lachs und die einzigartige Orangencreme zum Dessert.
Viele feiern Weihnachten im Kreis der Familie, mit Kind und Kegel, Geschwistern und Grosseltern. Dabei gibt es unzählige Varianten. Wenn wir am Heiligen Abend meine Mutter besuchen, geht es nicht ohne den traditionellen Lachs und die einzigartige Orangencreme zum Dessert, einen bunt geschmückten Christbaum mit brennenden Kerzen sowie die liebevoll geschmückte, altvertraute Krippe aus Tannenholz, die vor rund hundert Jahren in der Familie meines Vaters gezimmert wurde.
Dann sind da noch die Geschenke, die bekanntlich Freude bereiten sollen. Allen Unkenrufen zum Trotz tun sie das meistens. Bei Kindern ohnehin. Aber auch Männer sind happy über den neusten 5-Klingen-Rasierer, obwohl dieser viel leichter verstopft als der täglich verwendete 3-Klingen-Apparat. Frauen freuen sich über die neuste Body Milk, auch wenn diese in Sachen Duft und Konsistenz ziemlich genau das Gegenteil des bisher aufgetragenen Produkts ist. Entscheidend ist die Aufmerksamkeit, nicht der Nutzen der überreichten Präsente.
Weihnachten ist auch ein Angebot, uns etwas Zeit zum Durchatmen und zum Nachdenken zu nehmen. In einer turbulenten Welt, mit heftigen Kriegen in unserer Nähe, können wir so neue Kraft und Zuversicht schöpfen.
Frank Lorenz, Pfarrer der Offenen Kirche Elisabethen, sagte vor einer Woche im Sonntagstalk von Telebasel: "Diejenigen Menschen sind am glücklichsten, die etwas tun." Egal ob, mit wem und in welcher Form wir Weihnachten feiern: Öffnen wir uns der Hoffnung und vertrauen wir darauf, in unserer Umgebung etwas bewegen zu können.
Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2024.
25. Dezember 2023
"Lichtfest der Wintersonnenwende"
Die einen mögen Weihnachten mit der Familie feiern, andere mit Freunden oder auch alleine. Die einen mögen diese Zeit entspannt in Harmonie und Verbundenheit, andere in Ärger, Groll, Unverstandenheit oder Einsamkeit verbringen. Was die Christen Weihnachten nennen, ist für mich das Lichtfest der Wintersonnwende: sich dem Licht des Himmels öffnen, und mit dem Herzen frei, friedvoll und offen für die Geschenke des Universums sein.
Ueli Keller, Allschwil