Wahlen alle fünf Jahre!
Von Wahlen haben Sie grad etwas genug, oder? Plakattürme an Kandelabern, mit sechs oder sieben Kandidierenden übereinander – strahlend lächelnd, mehr oder weniger natürlich, sind nicht so Ihr Ding? Qual der Wahl: Alle preisen sich als liberal an. Die meisten sind etwas grün, lösungsorientiert sowieso und natürlich voll teamfähig.
Aufrecht kämpften Sie sich durch das Baselbieter Dickicht mit 77 Listen und Unterlisten: hin- und hergerissen zwischen sozialistischen Land- und Agglo-Kindern, grünen Panthern, mittigen Unter- und Oberbaselbietern sowie Pflege-, Gesundheits-, KMU- und Bildungslisten unterschiedlichster Provenienz. Was am Ende schmerzlich fehlte, war eine Liste der Erschöpften und Bedienten. Die hätte wohl viele Stimmen geholt.
Sollten Sie kurz vor dem Demokratie-Burnout stehen, hätte ich – ganz lösungsorientierter Politiker – einen Therapie-Vorschlag: Statt wie heute im Vierjahresrhythmus wählen wir nur noch alle fünf Jahre. Im Bund, in den Kantonen und in den Gemeinden.
Das Land wählt und wartet, wählt und wartet, wählt und wartet ...
Exotisch wäre das nicht. Mit Österreich, Frankreich und Italien haben drei unserer fünf Nachbarn fünfjährige Legislaturperioden. In Frankreich wird auch der Staatspräsident für fünf Jahre gewählt – bis 2002 betrug seine Amtszeit sogar sieben Jahre.
Die Deutschen wählen ihren Bundestag zwar alle vier Jahre. Die deutschen Bundesländer wechselten aber sukzessive zu fünfjährigen Legislaturperioden. Nur noch im Stadtstaat Bremen wird das Parlament alle vier Jahre erneuert. Die österreichischen Bundesländer wählen alle fünf Jahre, mit Ausnahme von Oberösterreich, das eine sechsjährige Legislaturperiode hat. Und auch bei uns gibt es die fünfjährige Legislatur: Die Westschweizer Kantone Freiburg, Waadt und Genf kennen sie seit etlichen Jahren.
Zugegebenermassen gibt es auch das Gegenteil. Die USA leisten sich den Luxus, ihr Repräsentantenhaus alle zwei Jahre neu zu bestellen. Gefühlt zwei Jahre brauchen sie dann in Washington, um einen Speaker zu wählen, der das "House" leiten und die zu behandelnden Geschäfte traktandieren sollte. Stillstand pur. Das Land wählt und wartet, wählt und wartet, wählt und wartet … Das System lähmt sich selbst.
Parlamente schieben kontroverse Themen zunehmend auf die lange Bank.
Parlamente kümmern sich wortreich um Nebensächliches, schieben aber zentrale, kontroverse Themen zunehmend auf die lange Bank. Im Landrat debattierten wir eine geschlagene Dreiviertelstunde über die Priorisierung der Schneeräumung von Velowegen. Man hätte diesen Punkt auch bilateral mit der Direktion und den Räumungsdiensten besprechen können, deren professionelle Arbeit im Winter niemand bezweifelt.
Immer häufiger konstatieren wir, dass es bei fundamentalen Herausforderungen, die die Schweiz bewältigen muss, einen Reformstau gibt. Eine fünfjährige Legislaturperiode gäbe der Politik die Chance, an wichtigen Themen dranzubleiben: die nachhaltige, nicht fossile Energieversorgung im Land sicherstellen, die in finanzielle Schieflage geratene Altersvorsorge reformieren, das Kostenwachstum im Gesundheitswesen bremsen, unsere rechtlichen Beziehungen zur EU stabil regeln.
Die Politikerinnen und Politiker könnten es nicht besser, aber sie könnten es zumindest länger versuchen.
Anlehnend an eine bekannte Werbung: Die Politikerinnen und Politiker könnten es nicht besser, aber sie könnten es zumindest länger versuchen. Überparteiliche Kompromisse hätten grössere Realisierungschancen, wenn das Zeitfenster bis zu den nächsten Wahlen, bei denen man wieder zuspitzen, verkürzen und sich abgrenzen muss, grösser würde.
Dreieinhalb Jahre könnte intensiv gearbeitet werden, wenn man neun Monate Einarbeitungszeit und neun Monate Vor- und Haupt-Wahlkampf abzieht.
Demokratiepolitisch würden wir nichts verlieren. Inhaltlich könnten wir nur gewinnen. Und die Plakattürme, die blieben uns national, kantonal und kommunal etwas länger erspart. Nach fünf Jahren haben Sie vielleicht vergessen, wer am schönsten strahlt.
Mir fällt grad ein: Am 3. März 2024 stehen im Baselbiet Gemeindewahlen an. Ich trainiere schon mal mein Lächeln.
30. Oktober 2023
"Mehr Mut zur Veränderung"
Statt alle fünf Jahre zu wählen, was keine schlecht Idee ist, würde ich andere institutionelle Aenderungen vorschlagen:
1. Verschiedene Recherchen zeigen, dass Gebiete mit 0,75 bis 1,5 Millionen Einwohner eine ideale Grösse zur Lösung von regionalen Problemen sind. Also sollte die Schweiz in 6 bis 8 Regionen neu aufgeteilt werden.
2. Seit 1848 haben sich die Aufgaben des Bundesrates drastisch verändert – also auch hier müsste angesetzt werden. Zum Beispiel auf 10 bis 11 Bundesräte?
3. Die Aufgabenteilung Bund und Kanten muss neu überdacht werden – das wurde eben im Bericht zur Bewältigung der Corona-Krise bestätigt. Geschweige denn im Gesundheitswesen …
Es macht mir weh, wenn ich zusehen muss, wie die FDP schweizerisch und kantonal fortwährend an Stimmenanteilen verliert. Da können keine schönen Worte darüber hinwegtäuschen. Ich war Mitglied der FDP Basel-Stadt in den 70er-Jahren als noch 20 Grossräte der FDP im Grossen Rat vertreten waren … Eine Vorwarnung, wie es uns im Kanton BL ergehen wird.
Meine Schlussfolgerung: mehr Mut zu Veränderungen wäre eben auch "liberal" und "bürgerlich". Die Wählenden verstehen gar nicht mehr, was "liberal" und "bürgerlich" bedeuten …
Ein Thema habe ich dieses Mal nicht erwähnt: die Gesundheitskosten. Aber das können wir bei nächster Gelegenheit auch im persönlichen Gespräch bereden.
Paul Hofer, Oberwil
"Ich empfehle den Losentscheid"
Immer Menschen scheinen in einer Welt leben zu müssen, die brennt: Wer sind die Brandstifter? Warum lässt sich das Feuer nicht löschen? Was ist unser Anteil am Desaster und was können wir für eine freud- und friedvoll gute Welt für alle tun? Aber anstatt mit solchen Fragen setzt sich die Schweiz abstrus und konfus damit auseinander, ob nun die FDP oder die Mitte mit 0,2 Prozent mehr oder weniger Wähleranteil die Wahlgewinner sind, oder ob die Grünen in den Bundesrat gehören.
Eigentlich muss es demgegenüber doch allen Parteien von links bis rechts Sorge bereiten, dass und warum sie trotz immer noch mehr Aufwand in Angelegenheiten, die für die Bevölkerung bedeutsam und wichtig sind, perspektivenlos in endlosen Sackgassen stecken.
Im System der Pro- und Kontra-Politik der real existierenden Fassadendemokratie werden Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip generiert. Somit kommen nach dem Entweder-oder-Muster in der Regel keine Lösungen zustande, die sowohl den einen als auch den andern, und somit allen entsprechen: Wie dies aber für eine echte Demokratie unabdingbar ist. Weit davon entfernt dümpeln im System parlamentarischen Parteiendemokratie alle von links über die Mitte bis nach rechts extrem aufwendig und nach Jekami-(Un)art substanzlos durch die Landschaft. Sie stecken zusammen als Ganzes hoffnungslos im Eimer einer Politik, die kaum mehr etwas wahrhaftig und wirklich Wirksames für ein gutes Leben für alle zu bewerkstelligen vermag. Und dies auch dann nicht, wenn es immer noch mehr sind, die mitmischen wollen: Wann ist genug genug?
Reformen wie beipielsweise alle fünf anstatt vier Jahre ein Wahlzirkus reichen nicht, wo und weil es fundamentale Veränderungen braucht. Anstatt Wahlen nach dem Mehrheitsprinzip empfehle ich den Losentscheid. Mit einer qualifizierten Beteiligung von allen Menschen, die in der Schweiz leben.
Ueli Keller, Allschwil
"Konstruktive Vorschläge"
Sehr beruhigend, dass es auch konstruktive Vorschläge für eine sachorientiertere und "nachhaltigere" Politik zur Stärkung einer lebendigen Demokratie gibt. Selbst für Kandidierende mit zurückhaltendem Lächeln und ohne übertriebene sportliche Ambitionen.
Mark Kunz, Breitenbach
"Aufwendig und kompliziert"
Ich stimme Marc Schinzel voll zu! Unser System ist sehr aufwendig und kompliziert. Dasjenige der USA finde ich wirklich antiquiert und unpraktisch – um es mal milde auszudrücken. Zurück zu uns. Marc: dein Vorschlag in der Parlamentarier Ohren und Herzen und das dann hoffentlich auch beim "Souvereign" – tönt besser als "Stimmvolk" …
Alfred Vogelsanger, Oberwil