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© Foto by Kunstmuseum Basel
"Rückführung in den Tempel der Kunst": Warhol-Werk "One Dollar Bill"

Ein Stück Kulturgeschichte, kanonisiert und sakralisiert

Die Ausstellung "Andy Warhol. The Early Sixties" im Kunstmuseum Basel widerruft, was der amerikanische Künstler vor fünfzig Jahren revolutioniert hat


Von Aurel Schmidt


Heute wissen wir einigermassen Bescheid. Das Wissen hat sich durchgesetzt. 1960 aber war es noch anders, als Andy Warhol einen neuen Kunstbegriff prägte, der im Augenblick des Neuen Kopfschütteln hervorrief. Man denke: Kartonschachtel-Serien mit dem Aufdruck eines gewöhnlichen Konsumprodukts. Und das soll Kunst sein? Die alte rhetorische Frage.

Das Werk, die individuelle Schöpfung, das alte Tafelbild aus der Kunstgeschichte hat seit Warhol ausgedient. Es wird immer noch produziert, aber das ist etwas anderes. Das Werk ist heute mehr ein Prozess als etwas Abgeschlossenes, oder um es verständlicher auszudrücken: An die Stelle des Werks im klassischen Sinn ist der Begriff des Prozesses getreten, der Akt, die Auseinandersetzung, wenn nicht die Idee, das Konzept oder, wie es 1969 hiess, die Attitüde.

So neu war das alles aber auch 1960 nicht. Walter Benjamins wegweisender Essay über den Verlust der Aura des Kunstwerks im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit war 1935 erschienen. Benjamin hatte darin den Verlust der Einmaligkeit und Authentizität des Kunstwerks unter den neuen technischen Bedingungen festgestellt. Heute sehen wir das anders. Ein Kunstwerk kann kaum noch als Geniestück angesehen werden, das auf unbegreifliche Weise vom Himmel herabsteigt und das Publikum in helles Entzücken versetzt, wie vielleicht ein Stück von Picasso, der den alten Künstlertypus vertritt. Das ist, kurz zusammengefasst, die Entwicklung seit den 1960er Jahren.

Das Kunstwerk wird produziert, es ist ein Produkt. Dass es auch eine Ware ist, die verkauft wird, manchmal zu phantastischen Preisen, ist die negative Seite davon. Wichtiger ist die Entstehungsarbeit, der Eintritt in das allgemeine Bewusstsein, das Momentum. Provokation ist nicht gemeint, nur das Verständnis hat sich gewandelt. Etwas ist da, das vorher nicht da war, und beeinflusst und verändert die Wahrnehmung und das Denken. So, und jetzt findet Euch damit ab, macht etwas daraus, stellt etwas damit an.

Die Ausstellung "Andy Warhol. The Early Sixties" im Kunstmuseum Basel hat sich gewollt auf die Schaffensperiode des Künstlers von 1961 bis 1964 konzentriert. Das war die Zeit, als Warhol  seine Tätigkeit als Werbegrafiker aufgab und anfing, Kunst zu machen beziehungsweise den Kunstbegriff auf den Kopf zu stellen, übrigens fast zur gleichen Zeit wie Joseph Beuys.

 

"Andy Warhol entnahm seine Motive
der Waren- und Medienwelt."


Seine bevorzugten Motive entnahm Warhol der Waren- und Konsumwelt sowie den Medien, etwa mit der Headline "129 DIE IN JET!". Aus der Coca-Cola-Flasche und der Campbell's Soup Can, der Dollarnote (und nicht die amerikanischen Flagge wie bei Jasper Johns), den Portraits von Elizabeth Taylor und Elvis Presley sowie anderer entwickelte er die Sprache der Pop-Art, die in einzigartiger Weise Warhols Zeit wiedergab wie sie ihn.

In der Basler Ausstellung kann man verfolgen, wie gross und entscheidend der Schritt war, der von den fast schülerhaften Zeichnungen (ein Schuh, ein Portrait der Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamar) zu den epochalen Werken war. In dieser Entwicklung lag eine kommunikative Naivität wie ein experimenteller Charme, über den man sich heute nur wundern kann. Das Naheliegende, aber Unbedeutende bildete einen unverzichtbaren Fundus.
 
Aber beim Besuch stellen sich auch ein paar überraschende Fragen. Die Bilder der Alltagskultur stellen sich heute als Ikonen heraus. Was vielleicht einmal als Kritik an der Warengesellschaft gedacht war (aber es ist nicht sicher), erweist sich im Rückblick, immerhin ein halbes Jahrhundert danach, als deren Ästhetisierung (zum Teil sind die Räume im Kunstmuseum wegen der Lichtempfindlichkeit einzelner Werke abgedunkelt und erinnern an das Innere von alten Kirchen).

Was aber noch mehr als alles andere verwundert, ist aber die heimliche Rückführung Andy Warhols in den Tempel der Kunst. Für Warhol war die "maschinelle Produktion", das heisst der Siebdruck als Grundlage serieller Hervorbringung, die Voraussetzung seiner Kunst, schreibt der Kunstwissenschafter Rainer Crone. Davon ist in Basel nichts geblieben. Die Ausstellung setzt Malerei und Zeichnungen in den Mittelpunkt, mithin Originalswerke, die den Künstler-Schöpfer in seiner abgehobenen Position reinaugurieren. Ob das Warhols Absicht war? Es ist zweifelhaft.

Wahrscheinlich macht sich der zeitliche Abstand zwischen dem Entstehen der Werke damals und der Zeit der Ausstellung heute markant bemerkbar. Warhol ist längst in die Kunstgeschichte eingegangen, er ist kanonisiert, sakralisiert, und alles, was er einmal in Gang zu setzen versucht hat, ist überholt, revidiert oder zumindest historisch geworden. Der Kunstmarkt hat der Kunst mehr geschadet, als wir zugeben wollen. Auf die Aura kann nicht verzichtet werden, ohne verkäufliches Original geht nichts. Die Bedingungen, Ansprüche und Erwartungen an die Gegenwartskunst lassen sich mit den Verhältnissen vor fünfzig Jahren weder vergleichen noch sanktionieren.

Die Basler Ausstellung ermöglicht es, ein Zeitalter zu besichtigen: So waren die frühen Sixties. Geblieben vom Aufbruch, der jetzt begutachtet wird, ist dagegen nicht viel.


Kunstmuseum Basel: "Andy Warhol. The Early Sixties". Vernissage 4. September 17 Uhr. Dauer bis 23. Januar 2011.

3. September 2010


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