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"Geschichte um Liebesbeständigkeit": Iro-Darsteller Martin Hug

Dankbares Publikum: Helden sollen wir keine mehr sehen

Die Monteverdi-Oper "Il Ritorno d'Ulisse in Patria" im Basler Schauspielhaus


Von Sigfried Schibli


Mozart, Verdi, Puccini, Strauss: Die Oper bietet landauf, landab seit Jahrzehnten immer ungefähr dasselbe Bild. Gäbe es nicht gelegentlich Uraufführungen – und immer häufiger auch Barockopern. Zum Beispiel solche des venezianischen Meisters Claudio Monteverdi, der mit seiner "seconda prattica" nicht nur einen neuen, kantablen Gesangsstil erschaffen hat, sondern mit seinen Opern auch veritable Meisterwerke. Grosse Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt, John Eliot Gardiner und René Jacobs haben sie einem breiteren Publikum nahegebracht, kreative Regisseure wie Jean-Pierre Ponnelle und Herbert Wernicke ihnen ein neues, aktuelles Kleid verpasst.

 

"L'Orfeo" von Monteverdi hat man im barockverrückten Basel (Stichwort: Schola Cantorum Basiliensis) schon öfter hören können, meist in irgendeiner Verbindung mit dieser Ausbildungsstätte für alte Musik. Die 1640 in Venedig uraufgeführte Oper "Il Ritorno d'Ulisse in Patria" stand seltener auf dem Theaterspielplan. Jetzt hat sich der polnische Regisseur Krystian Lada mit dem Dirigenten Johannes Keller des Stücks angenommen, es auf 140 pausenlose Minuten gekürzt und gestern Sonntag zur mit Spannung erwarteten Premiere gebracht.

 

König Odysseus (Ulisse) kehrt nach zwanzig Jahren des Irrens und der Abenteuer zu seiner Penelope zurück. Er kann nicht wissen, ob sie noch lebt, und sie wird durch ihre hartnäckig um sie werbenden Freier auf eine harte Treueprobe gestellt. Als Odysseus endlich auf Ithaka eintrifft – sein Sohn Telemachos ist ihm vorausgeeilt –, wird er in der Verkleidung eines alten Bettlers nicht erkannt. Penelope organisiert einen Wettbewerb, den der stärkste Mann gewinnt. Es ist der von allen unterschätzte Bettler, in welchem Penelope spät, aber noch nicht zu spät ihren Gatten erkennt.

"Ein engagiert spielendes Sängerteam
sorgt für slapstickartige Komik."

Es ist eine schöne Geschichte um Liebesbeständigkeit und den Wert der inneren Werte; eigentlich eine simple Story, die auch manchen Anlass für komische Dialoge bietet, denn die Freier lassen nichts unversucht, Penelope von ihrem moralischen Kurs abzubringen. Dies alles ist dem Regisseur aber offenbar nicht genug. Er wendet einen höchst gewagten Kunstgriff an, indem er die Titelfigur des Odysseus weglässt. Odysseus sei keine Figur, sondern eine Projektionsfläche, lässt sich der 38-jährige polnische Regie-Berserker zitieren. Nach diesem Motto könnte man die meisten Schauspiel- und Opernhelden von den Besetzungslisten streichen.

 

Da nun aber doch irgendwie eine Oper aufgeführt werden sollte, liess sich das Regieteam als Ersatz einerseits eine elektronische Klangcollage von Nicolas Buzzi und andererseits ein Team von neun Männern einfallen, teils Schweizer und teils Zugewanderte. Diese treten auf wundersame Weise an die Stelle des erst ersehnten, dann verkannten und zuletzt gefeierten Odysseus. Meist stehen sie untätig herum, doch am Ende schaffen sie es, in der von Penelope arrangierten Bogenprobe den starken Bogen zu spannen und damit kollektiv als Sieger vom Platz zu gehen. Dies stets untermalt von bald sirrenden, bald rumpelnden elektronischen Klängen.

Dass das Regieteam selber nicht recht an dieses Konzept glaubt, zeigt der Schluss des Spektakels: Dann singen Penelope und Odysseus ihr Schlussduett, als wäre Odysseus ein Mensch aus Fleisch und Blut und damit doch mehr als eine Projektionsfläche gewesen. Dies allerdings nicht live, sondern in einer Zuspielung über Lautsprecher.

 

Ein engagiert spielendes Sängerteam sorgt für slapstickartige Komik in einer ernsthaften Rahmenhandlung. Da wird geklettert, geturnt und gegrapscht. Und ordentlich gesungen: Katarina Bradić ist mit kleinem, aber warmem Mezzosopran eine bewegende Penelope, Théo Imart singt mit etwas scharfem Countertenor einen der penetranten Freier, Rolf Romei setzt seinen barockerprobten Tenor in mehreren Rollen ein, Alex Rosen ist ein furchtgebietend kräftiger Bass, Stefanie Knorr bezaubert als amorgleiche Minerva-Sopranistin, Jamez McCorkle erfüllt die Basspartie des Sohnes Telemachos mit sonorer Klangfülle, und Ronan Caillet bewährt sich als Eumaios. Martin Hug spielt (und singt!) mit routinierter Komik die Partie des sprayenden, ausländerfeindlichen Vielfrasses Iros.

 

Dass die auf Orchestergraben und Bühne verteilten zwölf Musikerinnen und Musiker vom Barockorchester "La Cetra" unter Johannes Keller ganz hinter dieser Regietheater-Parodie einer Barockoper stehen konnten, die ihnen so viele Kompromisse abnötigte, kann man sich schwerlich vorstellen. Es wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Kein Zweifel aber besteht daran, dass sie vorzüglich farbig und virtuos aufspielen und dem Stück die Würde zurückgeben, die ihm von der Regie entrissen wurde.

Das Premierenpublikum war, offenbar musikalisch von der Pandemie ausgetrocknet und dankbar für jeden erklingenden Ton, mit Begeisterung dabei.


Schauspielhaus Basel. Nächste Aufführungen 12., 14., 16. 11. 2021; 15., 16., 19., 24., 25., 27. 2. 2022.

8. November 2021


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