© Fotos by OnlineReports.ch
"Jede Menge Informationen": "Café Bâle"-Autor Roger Thiriet
Roger Thiriet: Der Ideen-Kellner hinter der Kulisse von "Café Bâle"
Alle zwei Wochen schreibt der Basler Texter 60 Seiten Drehbuch für den TV-Comic "Café Bâle" - derzeit ist es sein Hundertstes
Von Peter Knechtli
Jeden zweiten Sonntagabend gastiert die Basler TV-Sitcom "Café Bâle" auf SF2. Der Mann, der soeben zum hundertsten Mal die komischen Dialoge ausdenkt, ist Medienprofi Roger Thiriet. Alle zwei Wochen erarbeitet der frühere Radio-Mann ein 60-seitiges Drehbuch. Unter Druck fühlt er sich deswegen nicht: Fitnesscenter, Buchladen oder ein Bier zwischendurch sorgen dafür, "dass der Akku nie leer ist".
Er musste schon genau nachzählen: "Folge 15 der 7. Staffel", so der interne Fahrplan-Terminus, wird das hundertste Drehbuch in Folge sein, das der Basler Medien-Mann Roger Thiriet (52) für die Sitcom-Serie "Café Bâle" geschrieben hat. Vom 25. Februar bis 4. März schreibt und feilt der Autor zusammen mit seinem Team an seiner Jubiläumssendung. Am 5./6. März wird gedreht und am 10. März wie gewohnt punkt 21 Uhr erstmals ausgestrahlt.
Erstaunliche Produktionskraft
Die Produktionskraft des Kleinbaslers ist erstaunlich: Alle vierzehn Tage schreibt Roger Thiriet 60 Seiten Drehbuch. Er räumt zwar ein, dass er sich "manchmal etwas verhungert" fühlt, spricht von gelegentlicher "Sinneskrise". Doch "extreme Stress-Situationen" kennt er ebenso wenig wie die Gefahr, dass er sich in der Länge verschreibt. Etwa 20 Stunden reine Schreibarbeit kostet ihn eine einzige Sendung von 25 Minuten Dauer. Als Routinier spürt er beim Formulieren aber genau, wo er inhaltlich und dramaturgisch in seiner Produktion steht. "Ich kann auf die Seite genau sagen, wieviele Seiten ich pro Tag schreiben muss." Sässe er nonstop vor dem Computer, "wäre der Akku bald leer", sagt der Profiautor. Darum zieht er schrittweises Produzieren vor: "Verstückeltes Arbeiten ist der Qualität förderlicher. Über Mittag gehe ich ins Fitness, ein Buch kaufen oder ich trinke mit jemandem ein Bier.
Schauplatz von "Café Bâle" ist immer derselbe: Das real existierende Café Huguenin am Barfüsserplatz. Dort treffen sich im ungezwungenen Statistenpublikum drei fiktive Baslerinnen von unterschiedlichem körperlichem und geistigem Temperament - die Schauspielerinnen Dominique Lendi, Rinalda Caduff und Charlotte Heinimann - zum aktuellen Klatsch und Tratsch, zu dem immer auch der Kellner (Roland Herrmann) meist mit hochgezogener Stirn seinen Senf dazu gibt. "Wir bieten ein Format mit Basler Witz und spitzer Zunge, nicht eines zum Schenkelklopfen", beschreibt der Autor seinen formalen Ansatz.
Schweizer Presse als Ideen-Rohstoff
Ideen-Kellner im Hintergrund ist Roger Thiriet. "Ich habe jede Menge Informationen und gehe schräg ans Zeug heran." Zu seinen mal schrägen, mal witzigen Dialogen inspirieren lässt er sich durch gedruckte Medien. Fünf Zeitungen - "Blick" ist Pflichtstoff - liest er pro Tag, dazu die Schweizer Wochenzeitungen - von der "Schweizer Illustrierten" und "Facts" über "Weltwoche" bis WoZ. Die dort ausgewalzten Themen sind der Rohstoff für Thiriets Pointen - sei es die Zürcher Polemik gegen Basel oder die IQ-resistente Miss Schweiz, Harry Potter oder Martina Hingis Neuster.
Der zweiwöchentliche Produktionsfahrplan ist immer derselbe: Am Montagmorgen ist Telefonkonferenz. Die Sendung wird besprochen. Prüfen, was in 14 Tagen aktuell ist. "Und am Montagnachmittag fängst du einfach an zu schreiben. Am Donnerstag um 15 Uhr muss ich abliefern. In dieser Phase werde ich laufend von der Aussenwelt und von Aktualitäten beeinflusst." Am Freitagmorgen ist gemeinsames Treffen und Lesen. Es folgend technische Hinweise und Korrekturen. Über das Wochenende bis Montagmorgen erfolgt der Feinschliff des Dialogs. Dienstag und Mittwoch sind Drehtage, am Donnerstag und Freitag wird geschnitten und die Sendung durch "Basilea"-Chef Walter Liechti, Produzent Paul Burkhalter und Regisseur Stephan Schmuki abgenommen.
Nicht immer sind die zentralen Aktualitäten zum Lachen. "Wir litten unter dem 11. September und auch unter den Ereignissen in Zug und im Gotthardtunnel", beschreibt Thiriet prekäre Satire-Situationen. Trotz hundert Sendungen fühlt er sich nicht ausgebrannt: "Der befürchtete Ideenverlust ist nicht eingetreten. Wenn ich dran bin, törnt es mich immer wieder an."
Bei Charles Lewinsky in die Sitcom-Schule
Gelernt hat Thiriet das Handwerk des Comedy-Autoren beim Erfolgsschriftsteller Charles Lewinsky ("Fascht e Familie"), der 1996 den öffentlichen Kurs "Sitcom schreiben" anbot. Da lernte Roger Thiriet die wichtigsten Regeln des Comedy-Formates: "Die Story darf sich nicht entwickeln. Sie muss so enden, wie sie begonnen hat. Die Figuren lernen nichts dazu."
Dass Roger Thiriet bis vor kurzem aus dem Dachatelier im Medienhaus am Fischmarkt der Sendung so hingebungsvoll seinen Stempel aufdrückt, war nicht von Anfang an geplant. Als am 1. Oktober 1995 die erste Sendung über den Äther ging, war es ein Autorenteam - bestehend aus dem Schriftsteller Hansjörg Schneider, dem Werber Robert Stalder, dem Fasnächtler Walo Niedermann und dem Gerichtspräsidenten Dieter Moor -, das sich um die Inhalte kümmerte. Doch bald zeigte sich, "dass diese Autoren ganz unterschiedliche Auffassungen darüber hatten, wie eine Sitcom daher kommen muss und welchen formalen Effekten sie unterliegt". Folge: Dem Gefäss fehlte die klare Diktion, Eingriffe und Korrekturen von aussen "scheiterten an persönlichen Eitelkeiten". Ab Herbst 1997 wurde Roger Thiriet Alleinautor.
Die Herausforderung kam wie gerufen. Denn eben hatte "Radio Eviva", der von Thiriet in Zürich geleitete, über Kabel und Satellit verbreitete Spartensender dicht gemacht. Doch heute beansprucht "Café Bâle" nur etwa 60 Prozent seiner Arbeitszeit. Die restliche Kapazität setzt er als Dozent im militärischen Zentrum für Information und Kommunikation in Spiez ein. Dort bringt er Obersten und Divisionären den Umgang mit elektronischen Medien bei. Im Training lernen sie agilen Umgang in Interviews und das Verbreiten mediengerechter Statements. Zudem textet und redigiert Roger Thiriet einige Hauszeitungen im Medizinal- und Spitalbereich. Seine Lust am Schreiben von Kolumnen lebte er in seiner Zürcher Zeit aus: 53 Kolumnen aus seiner Praxis als Bahnreisender, vorerst im "Baslerstab" publiziert, fasste die "Basler Zeitung" vergangenes Jahr in einem Büchlein unter dem Titel "Basel-Zürich retour" zusammen.
Ein Idol wie Mäni Weber werden
Zu Medien fühlte sich der lizenzierte Phil-Einer schon als Schüler des Humanistischen Gymnasiums hingezogen. "Schon als 14jähriger wollte ich zum Radio". In der siebten Klasse suchte er das damalige Radio-Idol Mäni Weber zur "Berufsberatung" auf und in der Absicht, dasselbe zu werden. Als 20-Jähriger sass er mit seiner sanften Stimme prompt als Teilzeit-Ansager erstmals am Mikrophon im Radio-Studio Basel. 1972 rückte er als Moderator des Wunschkonzerts ("Das hatte Millionenpublikum und war das Flaggschiff des Schweizer Radios") zum Stellvertreter von Heidi Abel auf. Roger Thiriet über sein unpolitisches radiophones Spektrum: "Ich machte alles, was Gott nicht zweimal verboten hat. Aber nie Information." So moderierte er die damalige Morgensendung "Espresso" (früher "Autoradio Schweiz"), später Volksmusiksendungen. Als Gestalter des "Volksmusik-Journals" erlangte er nach eigenen Worten "Gott-Status". Grund: "Ich war immer sehr angepasst und brav wie Wiesel Gyr und ich nahm Volksmusik-Kultur ernst."
Als Produzent wurde Roger Thiriet 1978 ins Kader von Radio DRS gewählt mit auf Auftrag, DRS1 zu einem modernen Begleitprogramm zu entwickeln, um die aufkommende Konkurrenz SWF3 abzuwehren. "Das reicht", sagte sich Roger Thiriet nach "15 Jahren Radio DRS". Im April 1984 kam er als Leiter Moderation und Musik sowie Chef vom Dienst zum frisch geborenen "Radio Basilisk". Vier Jahre später wechselte er als Leiter des Geschäftsbereichs "elektronische Medien" zur Basler Zeitung, bis er in Zürich das Eviva-Mandat übernahm.
Selbstständig im Auftrag der Basler Mediengruppe
Als Texter und Drehbuchautor von "Café Bâle" ist Roger Thiriet zwar selbstständig Erwerbender. Doch die Nähe zur Basler Mediengruppe ist unverkennbar. Kürzlich ist er ins BaZ-Redaktionsgebäude am Aeschenplatz umgezogen, vor allem ist die "Basilea Film" als TV-Tochter der Basler Mediengruppe seine Auftraggeberin. Denn "Café Bâle" ist ein Sitcom-Projekt im Rahmen der Verleger-Produktionsgemeinschaft "Presse TV" (PTV), der neben der Basler Mediengruppe auch die NZZ und Ringier angehören. Beachtliche 200'000 Zuschauer verfolgten die letzten Erstausstrahlungen. Das ist ein beachtliches Rendement - auch wenn die Pointen nicht um die Gunst des Publikums im "Café Bâle" kämpfen müssen: Das schallende Gelächter ist nicht echt, es wird nach den Dreharbeiten ab Lachmaschine eingespielt.
26. Februar 2002
"Diese Sendung ist einsame Spitze"
Ihre Sendung "Café Bâle" ist etwas vom Besten, was es im Fernsehen zu sehen gibt. Nicht nur im Schweizer Fernsehen sondern generell. Die Pointen, Wortspiele und natürlich auch die (alle) Darsteller sind super. Neben dem Schrott, der in allen Kanälen leider überwiegt, ist Ihre Sendung einsame Spitze, da mag der von mir auch geschätzte Harald Schmidt nicht mitkommen.
Oskar Meier, Bazenheid
"Das Gelächter ab Tonband nervt"
immer wieder sehe ich mir die sendungen im "café bâle" an. ich freue mich jedesmal riesig darauf. die schauspieler sind gut, die sketches ebenfalls. leider gibt es etwas, was mich sehr, sehr stört. das deplatzierte gelächter ab tonband macht die ganze sendung kaputt. die pointen sind ja so gut, warum muss man nach schlechtem vorbild das gelächter-tonband einschalten. vielmals versteht man dann die fortsetzung nicht. ich nehme an, dass sie leider daran nichts ändern werden. aber anstatt mich zu freuen und zu lachen, ärgere ich mich jedes mal. ihr habt dieses nachäffen amerikanischer sitcoms doch nicht nötig. ihr seid doch viel besser.
jacques voegeli (heimweh-basler), 1981 Vex