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© Foto by Jan Amsler, OnlineReports.ch
Coop wehrt sich gegen die Vorwürfe der Baselbieter Landwirte: Aktuell würden nur Schweizer Kirschen angeboten.

Baselbieter Frühkirschen landen in der Biogasanlage

Der Dauerregen und die Import-Politik der Grosshändler setzen den Obstbauern zu. Sie bleiben auf ihrer Ware sitzen.


Von Alessandra Paone


Die Bekannte eines Baselbieter Bauers macht in den Sozialen Medien ihrem Unmut über die "falsche Einkaufspolitik" der Grosshändler Luft. Ihr Freund, schreibt sie, investiere "unzählige Stunden und viel Herzblut" in seine Arbeit. "Er hat im Winter seine Kirschbäume geschnitten, sie gepflegt und gehofft, dass die Ernte gut wird." Und er habe Glück gehabt. Dieses Jahr habe es nämlich keinen Frost oder Hagel gegeben, und die Bäume tragen "reichlich Kirschen".

Nun steht dieser Bauer jedoch offenbar vor einem Problem. Denn die Schweizer Grossverteiler hätten mehrere Tonnen Kirschen aus Griechenland importiert, behauptet die Freundin. Was dazu führe, dass die Detaillisten die Früchte aus der Schweiz nicht mehr annehmen könnten. "Die liebevoll gepflegten Tafelkirschen drohen in der Biogasanlage zu landen."
 

Vor allem Frühkirschen betroffen

 

OnlineReports hat mit dem Bauer gesprochen. Er bestätigt die Probleme. Mehr möchte er aber nicht zum Thema sagen, und er will auch seinen Namen nicht öffentlich nennen. Er habe viel zu tun und müsse schauen, dass er seine Kirschen absetzen könne, sagt der Landwirt und verweist auf den Baselbieter Obstverband. 

Die Arbeit dürfte nicht der einzige Grund sein für seine Zurückhaltung. Vermutlich will er die Beziehung zum Detailhandel nicht zusätzlich belasten.

Ernst Lüthi ist Präsident des Baselbieter Obstverbands. Zusammen mit seiner Familie bewirtschaftet er in Ramlinsburg einen Obstbaubetrieb. Auf 11,5 Hektaren kultiviert er vor allem Kirschen, Zwetschgen, Äpfel, Pfirsiche und Aprikosen. "Die Situation hat sich normalisiert; die Probleme betrafen vor allem die Frühkirschen", sagt er auf Anfrage von OnlineReports.

Als Lüthi im Frühling eine Ernteschätzung vornahm, ging er von einer guten und verhältnismässig frühen Kirschenernte aus. Damals war es trocken und warm. "Die Ausgangslage war sehr gut, und wir rechneten damit, die Kirschen zwischen Ende Mai und Anfang Juni pflücken zu können."

Ernst Lüthi: "So etwas habe ich noch nie erlebt."

Doch dann begann es zu regnen – und es hörte nicht mehr auf. "Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Wir hatten bisher keinen Sommer", betont Lüthi. Die Felder seien dermassen mit Wasser durchtränkt, dass man nicht zu den Bäumen fahren könne und die Kirschen zu Fuss wegtragen müsse.

Die schlechten Wetterverhältnisse verzögerten die Ernte um mehrere Wochen. Gleichzeitig spürten die Bauern den Druck des Detailhandels, der seine Aktionen in den Läden starten wollte. Das habe dazu geführt, dass Grossverteiler Kirschen aus dem Ausland importierten, unter anderem aus Griechenland. "Dummerweise hat sich der Verkauf der ausländischen Kirschen mit der heimischen Ernte gekreuzt", sagt der Präsident des Baselbieter Obstverbands.

 

Viel Wasser, aber wenig Licht und Wärme

 

Wenn die einheimische Produktion im Gang ist, sind Importe streng reguliert und mit hohen Zöllen belegt. Somit sollte eigentlich sichergestellt sein, dass der Preis für importierte Ware immer deutlich höher ist als der Schweizer Produzentenpreis. Stagniert jedoch die Produktion oder fällt sie gar aus, gilt der Grenzschutz nicht. Das Problem sei, dass Import-Kirschen trotz Zollansatz immer noch günstiger seien als Schweizer Kirschen, bemerkt Lüthi. "Billigware aus Europa kostet nicht viel."

Die Baselbieter Landwirte sind aber nicht nur wegen der importierten Ware auf ihren Kirschen sitzengeblieben. Die Qualität der Früchte habe unter der langen Regenperiode stark gelitten, erklärt Lüthi. "Die Kirschen haben zu wenig Licht und Wärme bekommen, sie waren mit Wasser durchzogen und dadurch auch weniger lagerfähig." Wie viele Tonnen letztlich in der Biogasanlage vernichtet werden müssen, weiss er nicht. Die prognostizierte Erntemenge für das laufende Jahr liegt jedenfalls bei 2600 Tonnen.

Die Einkaufspolitik der Grosshändler beschäftigt Lüthi auch. "Sie sprechen immer von Nachhaltigkeit, handeln aber nicht danach", sagt er. "Oder können Sie mir erklären, wieso in den Läden neben ein paar einsamen Schalen mit regionalen Kirschen bereits Tafel-Trauben von irgendwoher angeboten werden?" Lüthi stellt aber auch das Konsumverhalten der Menschen infrage. "Wir sind es gewohnt, immer alles zu bekommen."

 

Coop wehrt sich gegen Vorwürfe

 

Einer der kritisierten Grossverteiler ist Coop. Dort wehrt man sich gegen die Vorwürfe. "Sie entsprechen nicht den Tatsachen und sind für uns nicht nachvollziehbar", sagt Mediensprecherin Sina Gebel auf Anfrage. Früchte und Gemüse würden nur importiert, wenn diese in der Schweiz nicht in ausreichender Quantität oder Qualität verfügbar seien. 

Coop mache die Aktionsplanung aufgrund von Erfahrungswerten und stimme sie mit der Produktion ab, erklärt Gebel. Wetterbedingte Faktoren würden grundsätzlich berücksichtigt. Die Mediensprecherin bestätigt aber, vor Beginn der Schweizer Saison "unter anderem Kirschen aus Italien oder Griechenland" importiert zu haben.

Aktuell biete Coop aber ausschliesslich Schweizer Kirschen an – auch bei Aktionen – und nehme die Ware von seinem "fixen Stamm" an Produzentinnen und Produzenten vollumfänglich ab. Inländische Produkte hätten Priorität.


Die Kirschen des Baselbieter Bauers findet man bei Coop aber auch jetzt nicht. Er hat seine Erntegeschwindigkeit reduziert, wie er sagt, und verkauft einen Teil der Kirschen direkt an die Kundinnen und Kunden. 

12. Juli 2024

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