Die Agglo-Quellensteuer ist ein Luftballon
Von PETER KNECHTLI
Es kündigen sich die nationalen Wahlen vom Herbst 2019 an und die Parteien räkeln sich aus dem Sommerschlaf. Schon heute lässt sich mit einiger Sicherheit voraussagen, dass nicht die komplette Drogen-Freigabe, wie sie die Basler FDP in einem Mutanfall vorschlägt, zu den dominierenden Themen des Wahlkampfs gehören wird, sondern schon eher Fragen rund um Wohnen und Arbeit, die die Bevölkerung täglich und vital betreffen.
Die von kaum jemandem erwartete Annahme aller vier von Kreisen um den Basler Mieterverband lancierten "Wohnungs-Initiativen", die unter anderem das "Recht auf Wohnen" in Paragrafen verankern, hat die Diskussion um die Wohnbau-Politik erst recht angeheizt, nachdem schon Rot-Grün sich zum Thema hat verlauten lassen.
Am Freitag haben nun die Basler Liberalen LDP als erste bürgerliche Partei dazu ein umfassendes Papier vorgelegt, aus dem fünf parlamentarische Vorstösse hervorgehen. Einer davon sticht in seiner Einzigartigkeit, aber auch in seiner Sonderheit heraus: Die Basler Regierung soll "interkantonal ein Modell zur Voll- oder Teilbesteuerung des Einkommens am Arbeitsort" zur Diskussion stellen. Konkret: Berufspendler aus den Agglomerations-Gemeinden sollen ihr Einkommen – oder Teile davon – in Basel-Stadt versteuern, während der mit Platznot kämpfende Stadtkanton im Gegenzug in den Domizilgemeinden der Pendler in Wohnungsbau investiert.
"Die Baselbieter Polit-Elite
widersetzt sich städtischen Begehren."
Der Gedanke hat etwas Sonderbares und insofern sogar etwas Mutiges an sich. Aber die Agglo-Quellensteuer ist ein Schuss in den Ofen, mehr nicht. Das zeigen schon die ersten, von einer klaren Abwehrhaltung geprägten Reaktionen von Gemeindepräsidenten aus Vororts-Kommunen, ein freisinniger Landrat spricht von "Zündelei", die Regierung dürfte für das LDP-Anliegen kaum Feuer fangen. Die Baselbieter Polit-Elite ist durchtränkt vom Willen, sich jeglichen pekuniären Ansprüchen der Stadt zu widersetzen – die kommunalen erst recht: Sie sind mitbetroffen von den Folgen, die die Sanierung der maroden Kantonsfinanzen mit sich brachte.
Es scheint, als hätten die Liberalen da einfach mal einen Ballon steigen lassen, ohne sich vertieft zu überlegen, in welche Richtung er fliegen und welchen Nutzen er bringen soll. So scheint zwar – was die Sache nicht erleichtert –, dass nicht nur die Gemeinden des Baselbiets ins Auge gefasst werden sollen, sondern auch jene im Fricktal und im Schwarzbubenland ("interkantonal"). Von ihnen erhoffen sich die Liberalen dank der neuen Fiskalquelle zusätzliche "substanzielle Einnahmen".
Die von der Grenzgänger-Besteuerung adaptierte Idee hat keinerlei Umsetzungs-Chance. Man male sich nur schon den Widerstand von Gemeinden aus, die unter stark wachsenden Sozialhilfe-Lasten ächzen, während der Haushalt des alles dominierenden Wirtschafts-Standorts systematisch Millionen-Überschüsse einfährt.
Ganz abgesehen von den latent vorhandenen antistädtischen Reflexen, die eine Quellensteuer-Idee hochkochen lässt, steht genauso wie die baselstädtische auch die staatliche Baselbieter Pensionskasse unter Anlagedruck. Gemeindepräsidenten weisen jetzt schon auf knappe Bauland-Reserven hin. Wo da ein logischer Anknüpfungspunkt zur Aushandlung von "Abkommen mit inländischen Vorortgemeinden zur Überweisung eines Teils der höheren Einkommenssteuer-Einnahmen an Basel-Stadt" gefunden werden könnte, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.
Mindestens solange die regionale Spitalfusion nicht unter Dach und Fach ist, tut die LDP gut daran, diese "Abkommen mit inländischen Vorortgemeinden" auf Eis zu legen.
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3. September 2018