Politiker in die Moschee, Moscheen unters Volk!
Von PETER KNECHTLI
Es war Mittag. Vor dem Eingang zur König Faysal-Moschee an der Basler Friedensgasse kam ich mit einem Jugendlichen ins Gespräch. Vielleicht 14- oder 15-jährig. Er sei aus Basel, sagte er in leicht gebrochenem, aber sprachlich vielseitigem Deutsch. "Die Medien sind gegen den Islam", hielt er mir entgegen und wandte den Kopf leicht erhaben ab. Ich entgegnete ihm: "Die Medien sind nicht gegen den Islam, sondern gegen seine gewalttätige und machtbewusste Ausprägung." Er sagte: "Die Medien schreiben nicht die Wahrheit." Ich fragte ihn: "Wer ist im Besitz der reinen Wahrheit?" Er sagte: "Pierre Vogel ist kein Islamist. Er wird vom IS mit dem Tod bedroht."
Sicher war in diesem kurzen Gespräch nur eines: Wir sprachen zueinander wie von zwei Planeten. Der junge Mann begab sich in die Moschee, zog die Schuhe aus und die Qamis über und ging beten. Es folgte nun ein langes Gespräch mit Moschee-Verwalter Nabil Arab.
Er erzählte mir, wie Anfang Woche die mit Maschinenpistolen, Schutzwesten und Schildern bewaffnete Polizei in die Moschee stürmte und zwei Sans papiers mitnahm. Immer wieder erhob er, die Schultern anziehend, beide Hände, um seine Hilflosigkeit zu unterstreichen. Er sprach von den unterschiedlichen islamischen Strömungen unter seinen "Brüdern" und über die Unmöglichkeit, die Moscheegänger einer Gesinnungskontrolle zu unterziehen. "Unsere Türen sind jedem offen", sagte er. Die Moschee biete den islamischen Gläubigen einen Gebetsraum und Unterrichtsräume, mehr nicht. Es gebe klare interne Regeln, übernachten sei nicht erlaubt.
Und dann fragte ich ihn, ob schon einmal ein Basler SVP-Politiker bei ihm angeklopft habe. Nabil Arab schüttelte etwas resigniert den Kopf.
"Moscheen und Zivilgesellschaft bewegen
sich wie in Faradayschen Käfigen."
Später in der Stadt begegnete ich einem dem christlichen Gedankengut nicht fernen Basler SVP-Grossrat, der mir ohne Umschweife gestand, er sei noch nie in einer Moschee gewesen. Weshalb soll er auch? Wenn Moslems in die Schweiz einwandern, ist es unbestreitbar ihre Pflicht, sich um den Kontakt zu den hiesigen Institutionen zu bemühen und sich an die landesübliche Umgangskultur anzupassen.
Diese Beispiele könnten Hinweis darauf sein, dass Moscheen und die nichtislamische Basler Zivilgesellschaft sich wie in Faradayschen Käfigen bewegen: Kein gegenseitiges Interesse, keine Neugier am Andern, kein Versuch einer Verständigung – interreligiösem Dialog zum Trotz.
Umso heftiger haut gerade die SVP auf die Wahlkampf-Pauke. Sie "begrüsst" die "Festnahmen" der beiden Sans papiers in der Faysal-Moschee, ist "besorgt" über "Verbindungen" dieses Zentrums "zu radikalen und den Behörden bekannten Islamisten" und hält "die Zustände rund um die König-Faysal-Moschee" für "unhaltbar". Dieser Sermon von Andeutungen und unbelegten Vermutungen ist typisch für das Klima, das in Basel wenige Wochen vor den Wahlen herrscht. Die Unschuldsvermutung gilt auch für Migranten, die von der Religionsfreiheit intensiver Gebrauch machen als uns vertraut ist. Kriminelle sind sie dadurch noch nicht.
Es besteht überhaupt kein Zweifel darüber, dass sich der Staatsschutz um radikal-islamische Extremisten kümmert, wozu auch die Überwachung der Predigten von Imamen gehört. Die Moscheen aber, so sehr von ihnen mehr Verantwortung über den Verkehr in ihren Häusern verlangt werden darf, pauschal salafistischer Umtriebe zu verdächtigen, zeugt nicht von differenzierender Sichtweise. Sonst müssten an die Kirchen, die ebenso keine Zutrittskontrolle führen und somit auch Rechtsbrechern nicht die Türe weisen, derselbe Massstab angelegt werden.
Statt Empörungs-Rhetorik zu pflegen wäre den Besorgtheits-Politikern die Überraschungs-Tat zu empfehlen, zwecks offenem Dialog selbst einmal – vereinbart – vor der Moschee aufzukreuzen, während sich Moschee-Verantwortliche zu einem allgemeinen Tag der offenen Tür entschliessen. Vielleicht käme es so zu einer Annäherung der Planeten.
Hintergrund vom 29. September 2016 zur König Faysal-Moschee in Basel
30. September 2016
"Wasser auf die Mühle der Ideologen"
So kommen wir nicht weiter. Es braucht die Aufklärung über den Islam, und die kann uns ein Imam oder sonst ein Gläubiger nicht bieten. Es käme aufs Gleiche heraus, als hätte Voltaire vom Papst verlangt, den Katholizismus anzuzweifeln.
Es gibt die Aufklärer des Islam. Es sind grossartige Menschen, Muslime und Ex-Muslime, die kluge Bücher schreiben und der Ideologie auf den Grund gehen. Sie sind verfemt, verfolgt und immer mit dem Tod bedroht von ihrer eigenen Religion. Ihre Bücher zu lesen, sollte Pflicht eines jeden Politikers und Journalisten sein. Ayaan Hirsi Ali, Hamed Abdel Samad, Bassam Tibi, Necla Kelek, um nur einige zu nennen. Dann würden die Medien aufhören, das Thema als parteipolitisch zu behandeln, den Ideologen Wasser auf die Mühle zu geben und die Gesellschaft zu entzweien.
Wenn alle Bürger auf dem gleichen Stand der Aufgeklärtheit wären, dann könnten gemeinsame Wege gefunden werden, wie die Probleme anzugehen sind. Den Kopf in den Sand stecken und glauben, dass Dialog und guter Wille etwas brächten, ist vielleicht christlich im Sinne der Kirche, aber sicher nicht im Geist der Aufklärung, auf die wir doch so stolz sind.
Irene Maria Koller, Therwil
"Zeichen der Hilflosigkeit"
Wie schwierig es ist, dem Thema gerecht zu werden, sieht man daran, dass dann gewöhnlich noch die SVP eins ans Schienbein abbekommt, welche hier doch wirklich nichts damit zu tun hat. Womit man sich auf der sicheren Seite wähnen darf und die Welt wieder in Ordnung ist. Ich werte das als Zeichen der Hilflosigkeit.
Vermehrt hinschauen, ja, aber es wird ein Dauerproblem sein, Radikalisierte von Konservativen zu unterscheiden und ich sage Ihnen wieso: Die Imame beherrschen eben die Sprache synchron zu den Rechtgläubigen wie zu uns Gutgläubigen. Da wird es immer schwierig sein, festzustellen, wann die rote Linie überschritten ist. Und es ist ihnen bestens bewusst: Wenn der Islam offiziell auf deklarierten 5 Säulen steht, sind zwei andere Dinge sind ebenso Pflicht (und daher weitere Säulen): Die Dawa‘ und der Dschihad.
Ich mache da eher den Unterschied zwischen Radikalisierten und Noch-Nicht-Radikalisierten. Entsprechend gibt es auch keine Trennmauer zwischen Islam und Islamismus, der Übergang ist fliessend. Oder anders gesagt: Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus ist etwa gleichgross wie der zwischen Terror und Terrorismus (welcher tut mehr weh?). Imame und Moscheenverwalter können dann beteuern, sie hätten überhaupt nichts gemerkt, Herr XY sei doch immer so ein freundlicher gewesen. Und auch wenn sie’s bemerkt hätten, hätten sie eh keine Handhabe gehabt, ihnen den Zugang zur Moschee zu verweigern. Sie wollen auch gar nicht etwas bemerken, da ihr Islam ebenso auf dem Dschihad als versteckte Säule steht und zwar, weil es keinen anderen gibt (wenn wir uns aufs Sunnitentum begrenzen wollen und die Ahmadi und Baha’i mal draussen lassen wollen, wie das die Sunniten selber tun).
Der Streitpunkt kann dann eigentlich nur sein, wann es losgehen soll. Natürlich gibt es auch handfeste Streitereien, aber die Wahhabiten handeln nach der Schrift und die "Moderaten" haben dieselben Schriften, also leider keine Argumente. Ihre gemeinsame Religion ist die der Schriftgläubigkeit. Hinschauen, ja, und vielleicht auch mal aus einer neuen Perspektive.
David Zaugg, Biel
"Politikern geht es nicht um die Problemlösung"
Offenbar geht Peter Knechtli immer noch davon aus, dass es der SVP (und auch einigen andere Politikern) tatsächlich um die Lösung von Problemen geht. Dabei sollte doch mittlerweile auch dem blauäugigsten Beobachter klar geworden sein, dass diese Kreise Probleme lediglich zum eigenen Nutzen bewirtschaften. Jede Lösung käme da sehr ungelegen.
Stefan Zingg, Basel
"Dann kommt es rasch zur Hautfarbe"
Es ist in der Folge der Polizeirazzia in der König-Faisal-Moschee in Basel der dritte Artikel auf OnlineReports, der unabhängigen guten Journalismus präsentiert. Man kann das SVP-PR-Gerede auch frontaler angehen. Das finde ich durchaus auch in Ordnung.
Man kann es aber so darstellen, dass klar wird: Da wird weder nachgedacht, noch werden allfällige Sorgen ernst genommen. Vielmehr wird das Problem so "bewirtschaftet", dass jeder Ansatz einer gesellschaftlichen Diskussion über Verträglichkeiten, über Verschiedenheiten als "unschweizerisch" oder dergleichen mehr dasteht. "Man" selber muss doch nichts tun. "Die" sollen sich anpassen, unterordnen, DIE sollen ihre Religion öffentlich "abschwören". Und dann? Dann kommt es an Stelle der Religion ganz rasch zur Hautfarbe, zur Haarfarbe, zur Haarlänge und natürlich nicht zu vergessen zum Sexualverhalten, welches angepasst werden muss, damit "man" DIE nicht einfach abschiebt oder sonstwie zum Verschwinden bringt.
Die drei Artikel auf OnlineReports zeigen, wie man lernen kann, differenziert und damit immer auch offen um sich zu schauen. Vor allem aber sind sie wohltuende Zeichen vernünftiger Publizität.
Alois-Karl Hürlimann, Barcelona