"Flexity"-Rückzieher ist peinlich für viele
Von PETER KNECHTLI
Es ist ein ziemlich starkes Stück, das die Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (UVEK) des Basler Grossen Rates am Freitag publik machte: Für die Lieferung von 23 "Flexity"-Trams an die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) forderte die Herstellerin Alstom 34 Millionen Franken mehr als ursprünglich vereinbart.
Die Vereinbarung geht zehn Jahre zurück auf die Bestellung von 61 "Flexity" durch Bombardier, die inzwischen im Alstom-Konzern aufgegangen ist. Es bestand eine bis Ende 2024 einlösbare Option für weitere Trams desselben Typs zu den damaligen Konditionen. Zur Finanzierung der Bestellung zu vermeintlich attraktiven Konditionen beantragte die Regierung dem Grossen Rat bereits ein Darlehen in Höhe von gut 91 Millionen Franken.
Heute will Alstom von der Preis-Vereinbarung nichts mehr wissen: Wegen Einbaus eines Hinderniserkennungs-Systems und andern Messsystemen und Anpassungen erhöhe sich der Preis von 91,3 auf 125,4 Millionen Franken. Das tönt wie aus einer Gauner-Komödie, ist aber Realität und kaum geeignet, den Ruf des französischen Multis als verlässlichen Geschäftspartner zu festigen.
"In der Branche kursiert schon der
Begriff des 'Beschaffungs-Dilettantismus'."
Die Preis-Erhöhung um über 30 Prozent mit "veränderten Normen bei vertraglich nicht gebundenen Leistungen" zu begründen, ist so wenig überzeugend, dass die Idee nahe liegt, der Hersteller sei an einer Lieferung gar nicht mehr interessiert – ganz im Widerspruch zum früheren Werben von Bombardier für den fetten Auftrag aus Basel.
Kenner der Materie gehen davon aus, dass Bombardier damals aus Auftrags-Gier zu billig offeriert hat, um den Schweizer Markt von Basel aus aufzurollen. Von solchen Plänen scheint sich Alstom verabschiedet zu haben, nachdem eine Schweizer Stadt nach der andern Strassenbahnen – günstiger – bei der einheimischen "Stadler Rail" bestellt.
Jetzt will Basel-Stadt den Auftrag neu ausschreiben, und es lässt sich heute schon sagen, dass der Schweizer Hersteller aus Bussnang zumindest die besseren Zuschlags-Chancen hat als Alstom, das sich mit seinem "Vertrauensbruch" (so die UVEK) seine Sympathien in der Rheinstadt ziemlich verscherzt hat.
Es ist aber auch ein ziemlich starkes Stück, dass die grossrätliche Fachkommission für die Betroffenen die Kohle(n) aus dem Feuer holen musste und damit die direkt in das Beschaffungs-Projekt verwickelten Basler Partner in BVB und Verwaltung schadlos hielt.
Allein die Chronologie der Ereignisse wirft Fragen auf. Weshalb kommunizierte eine Miliz-Kommission die verkachelte Option und nicht die BVB-Spitze oder wenigstens das Bau- und Verkehrsdepartement? Der Darlehens-Antrag der Regierung datiert vom 29. Juni 2022. Aber erst am 26. Oktober informierten das Departement und die BVB die UVEK über das inakzeptable neue Preisschild von Alstom.
Die Regierung hatte demnach beim Beschluss des 91 Millionen-Darlehens noch keine Kenntnis vom Preis-Poker des "Flexity"-Herstellers, weil der massive Preisaufschlag erst danach bekannt geworden sei. Dies wiederum wirft die Frage auf, wie seriös das BVB-Management die Bedingungen der Options-Einlösung geklärt hatte.
Jede unternehmerische Vernunft spricht dafür, dass sich der Besteller beim Lieferanten die aktuellen Konditionen zum Kauf der 23 Fahrzeuge verbindlich versichern lässt, bevor er bei der Regierung einen Darlehens-Antrag stellt. Erst mit der klaren Bestätigung der damaligen Bedingungen hätte er Regierung und Parlament um Geld gebeten.
In diesem Fall aber befasste sich die Regierung mit dem Finanzierungs-Geschäft aufgrund von Voraussetzungen, die nicht mehr gegeben waren.
Anscheinend haben weder der BVB-Verwaltungsrat noch die zuständigen vorbereitenden Ämter im Bau- und Verkehrsdepartement von Esther Keller von Alstom rechtzeitig hinreichend Sicherheiten und Garantien verlangt. Sonst wäre es nicht zu diesem nicht alltäglichen Projekt-Abbruch gekommen, den die Branche schon als "Beschaffungs-Dilettantismus" verspottet.
Mit ihm wird sich vermutlich noch ein weiteres parlamentarisches Gremium beschäftigen: die Geschäftsprüfungs-Kommission.
Bericht: "Alstom will Basel über den Tisch ziehen"
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4. Februar 2023
"Optionsbedingungen schlecht verhandelt?"
Man weiss allerdings nichts über den konkreten Inhalt des Optionsrechtes. Nur wenn dieser bekannt wäre, lässt sich abschliessend über Verantwortlichkeiten debattieren. Offenbar liegen aber Bestellungs-Änderungen vor, so dass die Option gar nicht wirksam ausgeübt werden konnte.
Diente der Kreditantrag also eventuell dazu, nach aussen zu verschleiern, dass man die Optionsbedingungen schlecht verhandelt hatte? Und wird etwa aus diesen Gründen der Inhalt des Optionsrechtes bewusst "weginformiert", um die Themen der fachlichen und rechtlichen Verantwortlichkeiten im Beschaffungswesen schon gar nicht "aufkommen zu lassen"?
Dieter Troxler, Rünenberg