Historisch: Isaac Reber, der Polit-Panzerknacker
Von PETER KNECHTLI
Die Baselbieter Regierungsratswahlen haben mit einer Sensation geendet: Der grüne Sissacher Landrat Isaac Reber warf nicht nur den seit vier Jahren amtierenden Reinacher SVP-Regierungsrat Jörg Krähenbühl und mit ihm die ganze SVP aus der Regierung. Es ist Reber und seinen grünen Mitkämpfenden im Alleingang gelungen, das "überholte Baselbieter Machtkartell" zu knacken, wie es der grüne Kandidat nach der Nomination letztes Jahr noch reichlich übermütig für sich beanspruchte.
Jetzt ist die politische Erdplattenverschiebung Realität: Mit Isaac Reber ist dem ersten Grünen der Einzug in die Baselbieter Exekutive gelungen – und dies unter gleichzeitigem Rauswurf eines amtierenden Regierungsrates aus dem Kollegium. Dieser Sieg ohne aktive Mithilfe der SP verdient nicht nur Respekt, er belegt auch, dass Reber in verschiedener Hinsicht einen guten Riecher hatte. Dass er ohne Rücksicht auf den traditionellen Partner SP einen "komplett unabhängigen Wahlkampf" machte, schien über lange Zeit recht riskant, erwies sich aber als ebenso richtig wie der Entscheid, frühzeitig mit 1'400 Strassenplakaten das Baselbiet zu überziehen, um sich als Neukandidierender bekannt zu machen.
Ich habe Reber, der vor vier Jahren noch erfolglos kandidierte, einmal gefragt, ob er im Falle einer Niederlage auch ein drittes Mal antreten würde. Er gab mir zur Antwort: "Ich kandidiere jetzt und ich will jetzt gewinnen."
Daraus sprachen Willenskraft und Entschlossenheit eines Aussenseiters, der alles – und auch eine schöne Stange Geld – einsetzt, um gewählt zu werden. Demgegenüber nahm sich der Wahlkampf des "Machtkartells" so aus wie das silvesterliche "Dinner for One": Gleiche Prozedur wie letztes Mal. Das bürgerliche Regierungsquartett mit den Freisinnigen Sabine Pegoraro und Adrian Ballmer, Peter Zwick (CVP) und Jörg Krähenbühl (SVP) unterschätzte die Dynamik, die Rebers Willens-Kandidatur auslöste: Plötzlich schien der grüne Realo für massgebliche bürgerliche Exponenten wählbar – ja, es hiess sogar, er sei in der falschen Partei.
"Reber knackte im Alleingang das bürgerliche 'Machtkartell'. Das verdient Respekt."
Reber kämpfte intensiv – und gewann. Das bürgerliche Quartett spulte einen Routine-Wahlkampf ab und verlor ausgerechnet das Mitglied jener Partei, die dieses Wochenende zur stärksten politischen Kraft im Baselbiet avancierte. Auch wenn sich die SVP trotz Rückschlägen immer wieder auf die Allianz mit FDP und CVP eingelassen hat, scheint die Ära der früheren "bürgerlichen Zusammenarbeit" (BüZa) nun zu Ende zu gehen. Zu offensichtlich haben Freisinnige und Christdemokraten den SVP-Regierer fallen gelassen – teils wohl auch wegen der unschönen Interessenskollision um die Aufhebung von Parkplätzen vor Krähenbühls Sportgeschäft in Reinach.
Nur dank der wohl eher contre coeur erfolgten erneuten Kandidatur von Adrian Ballmer gelang es den Freisinnigen, ihre immer offensichtlicher werdende Übervertretung in der Regierung über die Ziellinie zu schleppen. Doch lange wird dieser Majorisierungs-Vorteil nicht mehr halten: Falls der 64-jährige Adrian Ballmer in einem oder zwei Jahren Jahren vorzeitig zurücktritt, wird nicht nur die SP nach einem zweiten Sitz trachten, sondern auch die SVP Anspruch auf die Rückkehr in die Regierung anmelden.
Der Anspruch der SVP ist gerechtfertigt: Wenn die stärkste Partei eines Kantons in der Regierung nicht vertreten ist, tritt der "unmögliche Zustand" ein. Die SVP wird die Regierung noch härter attackieren, das Klima verschärft sich weiter – und das Regieren wird noch schwieriger.
Betroffen davon sind alle Departmente, auch die Finanzsparte von Adrian Ballmer, der vor vier Jahren noch mit dem Spitzenergebnis glänzte und jetzt in der letzten Wahl seiner Regierungstätigkeit das Schlusslicht trägt. Allmählich wird Adrian Ballmer zur tragischen Figur: Er wirkt verbittert, humorlos und so enttäuscht, dass er am Wahltag einem Gratulanten riet, ihm zu kondolieren. Dabei löste er selber mit seiner Absicht, ein brutales Sparkonzept erst nach den Wahlen zu konkretisieren, auch im eigenen Lager Kopfschütteln aus.
Demgegenüber konnte sich Sabine Pegoraro schadlos halten und die Ansprüche der bürgerlich-konservativen Wählerinnen und Wähler so weitgehend erfüllen, dass sie es mit einem Spitzenresultat dankten. Schon eher überraschend ist der zweite Platz von SP-Bildungsdirektor Urs Wüthrich, dem der Wind in den letzten vier Jahren oft eisig ins Gesicht blies. Sein unbeirrtes Einstehen für den Theaterkredit fand aber offensichtlich auch in weiten bürgerlichen Kreisen Anerkennung. Stabil hält sich, wie vor vier Jahren, CVP-Gesundheitsdirektor Peter Zwick. Die sozialdemokratische Herausfordererin Pia Fankhauser, die erstmals kandidierte und durchaus auch Regierungsqualitäten aufweist, konnte überraschend gut mithalten, was mehr als einem Achtungserfolg entspricht.
Dem neugewählten grünen Angreifer Reber steht aber die grosse Herausforderung erst noch bevor: Anders als erwartet blieb er in seinen politischen Aussagen unverbindlich – während des Wahlkampfs und selbst nach der Wahl. Dies ist insofern verständlich und klug, als er nicht Versprechen abgeben will, die er nicht einhalten kann. Aber durchaus möglich ist, dass die beträchtliche Euphorie seiner Wahl auch breite Erwartungen weckt, die Reber als Regierungsrat enttäuschen muss.
Immerhin darf von einem Bau- und Umweltschutzdirektor Isaac Reber – so sieht die künftige Ämterzuteilung derzeit aus – erwartet werden, dass er die eingeschlafene kantonale Energiepolitik zu neuem Leben erweckt. Immerhin war er führender Exponent der "Weg vom Öl"-Initiative und auch der neuen Energie-Initiative der Grünen.
Die Zeit wird schon sehr schnell kommen, in der Regierungsrat Reber seine Pläne der grünen Wende – Wahlkampf-Slogan: "Wirtschaft und Umwelt verbinden" – auf den Tisch legen muss. Es ist ihm nur zu wünschen, dass er dabei eine ähnlich glückliche Hand hat wie in der Gestaltung seines Wahlkampfes.
Bericht zu den Regierungsratswahlen 2011
27. März 2011
"Ich bin nicht so zynisch, ..."
"Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr's nicht aus, so legt was unter!", meint Goethe. Ich bin nicht so zynisch, dass ich strahlen kann, wenn ich gerade einen lieben Kollegen verliere.
Adrian Ballmer, Regierungsrat, Liestal