Die Unerbittlichkeit im Baselbieter Wahlkampf
Von PETER KNECHTLI
Die National- und Ständeratswahlen sind in beiden Basel gleichermassen spannend, weil sie einen direkten Zusammenhang haben: In beiden Kantonen werden die jeweiligen von SP-Exponenten besetzten Ständeratssitze frei, auf die nun auch bürgerliche Kandidatinnen – im Baselbiet Daniela Schneeberger (FDP) und in Basel-Stadt Patricia von Falkenstein (LDP) – Anspruch erheben.
Im Baselbiet aber haben die Wahlen mehr Pfeffer. Denn sämtliche Bewerbende mit Wahlchancen – neben Schneeberger auch Maya Graf (Grüne) und Eric Nussbaumer (SP) – gehören bereits dem Nationalrat an, für den sie erneut kandidieren. Diese Doppelkandidaturen bedeuten: Die Bewerberin oder der Bewerber jener Partei, die das Ständerats-Rennen gewinnt, macht in den Nationalratswahlen den Sitz frei für den oder die Nachrückende.
Diese Ausgangslage schafft in den drei Parteien Raum für Ambitions-Dynamik, weil neuen Kräften auch ohne Spitzenergebnis die Reise nach Bern winkt: Bei den Sozialdemokraten stünde – vorausgesetzt, auch die nachgerückte junge Nationalrätin Samira Marti schaffte die Wahl – Fraktionspräsidentin Miriam Locher in der Frontreihe. Bei den Grünen dürfte Landrätin Florence Brenzikofer oder dem früheren Landratspräsidenten Philippe Schoch die Gunst des Nachrückens zufallen.
"Über Christoph Busers Kalkül
lässt sich nur spekulieren."
Am Grössten ist das Feld der Instant-Nachrückenden bei den Freisinnigen. Gleich drei Kandidierende kämpfen mit letzter Kraft um den begehrten Platz zwei. Am längsten im Gespräch ist der Arlesheimer Landrat Balz Stückelberger, sodann auch die Itinger Kantonalpräsidentin Saskia Schenker. Seit seiner unbestrittenen Nomination aber bringt sich auch Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser mit einem Willenseffort ins Gespräch, der alles Bisherige in den Schatten stellt.
Der offiziellen freisinnigen Sprachregelung entspricht die Anforderung an alle sieben Kandidierenden, im Interesse der Liste möglichst viele Stimmen auf sich zu vereinigen, um den (nicht gefährdeten) bisherigen FDP-Nationalratssitz zu verteidigen und gleichzeitig die Mobilisierung zugunsten der freisinnigen Ständeratskandidatur zu verstärken.
Im Verlauf des Wahlkampfs ist immer spürbarer geworden, dass Christoph Buser mit seinen logistischen Möglichkeiten und einer multimedialen Kampagne (zu der im Schluss-Spurt auch Telefon-Werbung gehört) alles gibt, um diese Vorgaben zu erfüllen.
Über Busers Kalkül lässt sich nur spekulieren. Sicherlich führt er diesen in jeder Beziehung äusserst aufwändigen Wahlkampf nicht, um bloss den aussichtslosen dritten Platz zu erringen. Naheliegend ist sein Streben auf Platz zwei, was nach Jahren der Zurückhaltung gleichzeitig einer Referenz an die Marketing-Potenz der Wirtschaftskammer gleichkäme. Doch dieses Ergebnis garantierte das Ticket ins Bundeshaus nur, wenn Daniela Schneeberger auch den Ständerats-Sitz erobern wird.
Die Entschlossenheit, mit der Buser "auf tutti" geht, könnte sogar auf ein noch ambitiöseres Ziel seiner Kampagne hindeuten: Platz eins und damit das Direkt-Mandat noch vor der Bisherigen Daniela Schneeberger. Das ist, zugegeben, eine gewagte Hypothese. Auszuschliessen aber ist sie nicht. Dann müssten auch die Karten für den zweiten Ständerats-Wahlgang neu gemischt werden – mit Kandidat Christoph Buser? Es wäre der Paukenschlag des Jahres.
Ob dieses spekulative Szenario dem Plan des Füllinsdörfer Gewerbepolitikers entspricht, steht in den Sternen. Er äussert sich dazu vor den Wahlen nicht. Gewiss aber bietet sich ihm am 20. Oktober auf vermutlich mehrere Amtsperioden hinaus die letzte realistische Möglichkeit, unter der Bundeshaus-Kuppel ein Wörtchen mitzureden.
Die Binnenkonkurrenz innerhalb der ambitionierten Parteien ist unerbittlich. Bei den Freisinnigen dieses Jahr ganz besonders.
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12. Oktober 2019
"Machtmaschine auf Volldampf"
Offensichtlich entspricht dieser amerikanisch anmutende Auftritt Christoph Buser. Er hat seine Machtmaschine auf Volldampf gebracht. Mit ihr hat die Baselbieter Wirtschaftskammer in der Vergangenheit Regierungsräte gemacht und Initiativen gebodigt. Wohl nicht nur ich empfinde das Ganze in höchstem Masse abstossend. Da kommt mit der Aphorismus von Peter E. Schumacher in den Sinn: "Wozu Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit? – Politik ist tugendfrei!"
Pius Helfenberger, Münchenstein