Schneider-Schneiter spielte Pokerface
Von PETER KNECHTLI
Der scheinbare Aufreger wiederholt sich im Baselbiet Monate vor den eidgenössischen Wahlen. Die Botschaft in den lokalen Medien lautet gleich wie vor vier Jahren: "Mitte"-Politikerin Elisabeth Schneider-Scheiter, seit Ende November 2010 im Nationalrat, müsse um ihre Wiederwahl fürchten, allenfalls trete sie gar nicht zur Nomination für eine Wiederwahl an.
Dann nämlich, wenn die kleineren Zentrumsparteien Grünliberale und EVP der grösseren Schwester "Mitte" eine Listenverbindung verweigern, um im kleinen Schulterschluss selbst mit einer Nationalrats-Kandidatur zu liebäugeln.
Die gut vernetzte 59-jährige Präsidentin der Handelskammer beider Basel, Verwaltungsratspräsidentin der Raiffeisenbank Basel, Verwaltungsrätin der Primeo Energie und Vorständin von Economiesuisse spielte Pokerface. Offizielle Begründung: Erst müssten die Allianz-Prioritäten der nationalen Parteileitung geklärt und der Support durch die kleineren Parteien verbindlich gesichert werden.
"Allein schon die Parteistärken
lassen keine andere Konstellation zu."
Sie liess ihre eigene Kantonalpartei wie auch ihre beiden Listenverbindungs-Partner wochenlang im Ungewissen über ihre Entscheidung – bis im letztmöglichen Moment, als die "BZ Basel" ihren erneuten Antritt zur Wiederwahl verkündete.
Das erneute Zieren war zwecks Druckaufbau erfolgreich orchestriert. Die nationale "Mitte"-Parteileitung unter dem agilen Gerhard Pfister müsste von allen Geistern verlassen worden sein, wenn sie leichtfertig ihren Baselbieter Sitzverlust in Kauf genommen hätte.
Und die kleineren, aber existenziell wichtigen Partner GLP und EVP, die sich dank diskret vereinbartem Kuhhandel (etwa mit Postenschacher oder mit Blick auf die Aargauer Konstellation) zur Listenverbindung bekennen, dürften sich eine erfolgreiche Wiederwahl von Elisabeth Schneider-Schneiter ebenso wünschen wie die kantonale "Mitte"-Basis. Sie wird ihre Spitzenkandidatin aus Biel-Benken kommenden Donnerstag glanzvoll nominieren.
Eine andere taktische Entscheidung wäre unter jedem Gesichtspunkt unverständlich gewesen. Allein schon die Parteistärken, die aus den Nationalratswahlen von 2019 herauszulesen sind, lassen keine andere Konstellation zu: GLP (mit gut 5 Prozent Wähleranteil) und EVP (3 Prozent) wären im Zweierpack genauso wenig in der Lage, einen Sitzgewinn zu ergattern wie die "Mitte" (knapp 8 Prozent) allein.
In den Landratswahlen vom Februar legten zwar alle drei Zentrums-Parteien zu. Die "Mitte" kam auf gegen 11 Prozent, die Grünliberalen auf stolze 8,4 Prozent und die EVP auf 5,2 Prozent. Doch wenn Schneider-Schneiter ausgefallen wäre, hätte angesichts der dünnen Decke ein Personal-Vakuum gedroht.
In allen drei Parteien fehlen zwingende Namen. Den designerten Oberwiler Landrats-Präsidenten und neuen Gemeinderat Pascal Ryf als überparteilich zugkräftigsten "Mitte"-Politiker sehe ich eher in der kantonalen Exekutive als in der nationalen Legislative. Potenzial für ein "Nachrückenden-Ergebnis" hätte der Laufentaler Landrat Marc Scherrer, Vizedirektor der Wirtschaftskammer Baselland.
In der grünliberalen Fraktion ist nach der Abwahl der ehemaligen Landrats-Präsidentin Regula Steinemann noch Profilierungsbedarf vorhanden, ebenso in der EVP, die im Landrat mit den Grünen eine Fraktionsgemeinschaft bildet und nun gewissermassen "fremdgeht".
Die grüne Nationalrätin Florence Brenzikofer wird darüber hinwegsehen. Im Windschatten ihrer Vorgängerin und heutigen Ständerätin Maya Graf und dank der Listenverbindung mit der SP wird zumindest ihr Bisherigen-Sitz kaum gefährdet sein.
Derweil dürfte die EU-freundliche Elisabeth Schneider-Schneiter die Wiederwahl auch deshalb anstreben, um ihre berufliche Position zu konsolidieren. Zusammen mit ihrem Handelskammer-Direktor und Landrat Martin Dätwyler, der solide Kontakte in die Bundesverwaltung pflegt und auf der FDP-Liste für "Bern" kandidiert, ist sie, die alle Bundesräte aus deren Parlamentsarbeit kennt, so etwas wie der politische Arm ihres Verbandes unter der Bundeshaus-Kuppel.
Dieses Netzwerk macht sie interessant für die Handelskammer, aber auch für die Firmen, in deren Verwaltungsräten sie sitzt.
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16. April 2023