Kleiner Kulturkampf mit Lauber und Jourdan
Von PETER KNECHTLI
Sowas gibt es selten – sogar schweizweit: Dass in einer Regierungsrats-Ersatzwahl zwei Kandidaten einer verbündeten "Starken Mitte" einen Sitz angreifen. So geschehen in den letzten zwei Monaten im Baselbiet, wo sich der Allschwiler CVP-Gemeindepräsident Anton Lauber und der Muttenzer EVP-Gemeinderat Thomi Jourdan um das Mandat des im Amt verstorbenen CVP-Regierungsrates Peter Zwick bewarben. Das Ergebnis ist klar: Der promovierte Jurist Lauber siegte mit einer klaren Mehrheit im ersten Wahlgang. An diesem Entscheid gibt es nichts zu deuteln.
Und doch: Fast noch mehr zu reden gab das gute Ergebnis, dass der Aussenseiter Thomi Jourdan mit einem Stimmenanteil von 45 Prozent hinlegte. OnlineReports hat vorausgesagt, dass der 38-jährige Ökonom und Vater einer sechsköpfigen Familie für eine Überraschung gut wäre. Diese Überraschung ist eingetreten, auch wenn es nicht zur Stimmenmehrheit reichte.
Obschon sich hier zwei Kandidaten der Mitte gegenüberstanden und einen sehr anständigen Wahlkampf geliefert hatten, waren sie alles andere als inhaltlich und stilistisch deckungsgleich. Der Militär-Oberst a. D. Lauber ist ein stark strukturierter, eher wertkonservativer, dossierfester ziel- und karriereorientierter Politiker – Jourdan der themenbewandte, moderne und eloquente Fatalist und junge Sympathieträger, der stärker auf Umwelt setzt als Lauber.
Gehörte Jourdan der FDP, der SP oder gar der CVP an, er wäre längst als shooting star identifiziert und als politisches Jung-Talent auf die Startrampe eines Regierungs-Wahlkampfes gehievt worden. Aber Nein: Jourdan ist ein parteipolitischer Überzeugungstäter, er ist und bleibt EVP-Mitglied ohne Rücksicht auf politische Karriere-Nachteile. Er sieht, und das macht ihn sympathisch, auch einen Lebens-Sinn ausserhalb der Politik.
"Die Regierung nicht moderner werden,
aber gestärkt aus dem Tief hervorgehen."
Wenn dennoch Lauber wie Jourdan in wichtigen Fragen wie der Wirtschaftsoffensive zumindest ähnliche Positionen vertreten, so bestand ihr politischer Rückhalt in diesem Wahlkampf aus zwei gegensätzlichen Lagern: Lauber hatte das Mitte-Rechts-Elektorat hinter sich, Jourdan die Mitte-Links-Parteien, die vor knapp zwei Monaten schon erfolglos Eric Nussbaumer (SP) gegen den siegreichen Thomas Weber (SVP) unterstützt hatten.
Doch der Riss ging an diesem Wochenende nicht nur mitten durch die Parteien-Landschaft zwischen "links" und "rechts": Das Abstimmungsergebnis offenbart unspektakulär eine kleine Variante des Kulturkampfes. Katholik Lauber holte sich den entscheidenden Vorsprung in den katholischen Stammlanden des Unterbaselbiets, der aktive Protestant Jourdan siegte in eher evangelikal geprägten Gemeinden des mittleren und oberen Baselbiets. Dort machte er Stimmen aus Wählerschichten, die sonst den Kandidaten der "Bürgerlichen Zusammenarbeit" den Vorzug geben.
Ob Jourdan seine Investition der letzten sieben Wochen, in denen er von Null auf 45 Prozent Wähleranteil avancierte und starke Bekanntheit erlangte, als Vorleistung für die Gesamterneuerungs-Wahlen in zwei Jahren betrachtet, wäre zwar aus der EVP-Optik logisch, bleibt aber völlig offen. Im Jahr 2015, wenn alle fünf Regierungsräte neu gewählt werden müssen, werden die Karten neu gemischt. Die Ausgangslage präsentiert sich dann völlig anders: Jede Partei schaut zunächst einmal auf ihre eigenen Interessen.
Dies schon kommenden Dienstag, wenn die Direktionen verteilt werden. Einiges spricht dafür, dass die bisherigen drei Regierungsräte in ihren Direktionen bleiben und die offenen Departemente unter Weber (allenfalls Finanzen) und Lauber (Volkswirtschaft und Gesundheit) ausgemacht werden.
Mit den beiden neuen Exekutiv-Politikern wird die Baselbieter Regierung nicht unbedingt moderner in Erscheinung treten – vier von fünf Regierungsräten sind beisielsweise Fusions-Gegner –, aber gestärkt aus dem Tief der laufenden Legislatur hervorgehen. Lauber wie Weber sind intelligente durchsetzungsfähige Persönlichkeiten, während der grüne Hoffnungsträger Isaac Reber bisher kaum markante Pflöcke einzuschlagen wusste, sondern eher im Gesamtprofil der Regierung aufging. Er wartet wohl die Möglichkeit eines Wechsels in die von ihm bevorzugte Bau- und Umweltschutzdirektion ab.
Für die SVP und ihre Mandatsverteilungs-Allianz mit CVP und FDP ist die Rechnung bisher voll aufgegangen: Eine Sitz-Rückeroberung für die SVP, nun die Sitz-Verteidigung für die CVP – und in zwei Jahren der Ständeratssitz für die FDP? Hier sind immerhin gewisse Fragezeichen angebracht. Wie zu hören ist, will die SVP ihre Unterstützung der Freisinnigen von der zu nominierenden Persönlichkeit abhängig machen und vielleicht mehr als nur ein Wörtlein mitreden. Für Spannung bleibt weiterhin gesorgt.
Lauber/Jourdan: Die Wahl-Story
9. Juni 2013
"Solche Gemeinden gibt es nicht"
Evangelisch und evangelikal – die beiden Wörter haben nicht nur unterschiedliche Bedeutungen, sondern wecken auch verschiedene Assoziationen. Beim Adjektiv "evangelikal" denkt man an radikale, manchmal sektiererische, rechts aussen politisierende Menschen, die der evangelischen Kirche angehören, und man verortet sie in den USA, wo die Religion viel präsenter ist als bei uns.
Wenn Sie nun von "evangelikal geprägten Baselbieter Gemeinden" sprechen, so haben Sie vermutlich einfach ungenau formuliert. Solche Gemeinden gibt es nicht. Es gibt, ganz genau genommen, nur Gemeinden, in denen mehr Menschen der evangelisch-reformierten Kirche angehören, als der katholischen. Und es gibt sicher auch einzelne Menschen, sogar kleine Religionsgemeinschaften, die man als evangelikal bezeichnen kann.
Urs Peter Schmidt, Bennwil