Es war ein Scheitern der bürgerlichen Allianz
Von PETER KNECHTLI
An diesem Wahlsonntag gab es zitronensaure Mienen im Baselbieter Regierungsgebäude: Nationalrätin Sandra Sollberger scheiterte mit ihrem Versuch, in die Fussstapfen von Volkswirtschaftsdirektor Thomas Weber zu treten und damit den SVP-Sitz zu verteidigen. Die Niederlage war knapp, aber das Volk hat der Volkspartei den Weg gewiesen. Anstelle von Sollberger übernimmt mit Thomi Jourdan jetzt ein Mitglied der Mini-Partei EVP das Regierungsmandat, der mit einer ähnlichen Plakat-Strategie wie vor zwölf Jahren Isaac Reber den Sprung in die Exekutive schaffte.
Die SVP wurde nun wieder die wählerstärkste Partei und Landrats-Fraktion (weil die SP zwei Sitze einbüsste), ist aber nicht mehr in der Regierung vertreten und muss sich in den nächsten vier Jahren mit der Oppositionsrolle zufriedengeben.
Ehrenhafte Exponenten von SVP und FDP sahen den Grund für Sollbergers Scheitern in "Unkenrufen skandalerheischender Journalisten" (Johannes Sutter) und in einem "Negativ-Campaigning" (Andreas Dürr) – und begingen damit nochmals den Fehler, der das Scheitern der bürgerlichen Allianz bewirkte: die Schuld bei den Andern als bei sich selbst zu suchen.
"Das Baselbiet ist ideologisch diverser,
freier und unfixierter geworden."
Die drei Parteien SVP, FDP und "Mitte" waren es, die Sandra Sollberger im Windschatten von Finanzdirektor Anton Lauber und Bildungsdirektorin Monica Gschwind "im Schlafwagen in die Baselbieter Regierung" (BZ-Schlagzeile) flutschen lassen wollten: Sie bauten sie als watteweiche Teamplayerin auf, obschon sie genau wussten, dass ihre Verbalradikalisierung im Köppel-Stil mit dem Aufstieg in den Nationalrat und die SVP-Parteispitze den Grundlinien der Zentrums-Parteien in wesentlichen Teilen fundamental widersprach.
Es war unweigerlich die unredliche Folge – und das Volk hat’s gemerkt –, dass die Hardlinerin im Schongang in einen risikoreichen Wahlkampf geschickt wurde, der nur mit einer radikalen Imagekorrektur zu führen war. Es war ja mit Händen zu greifen, wie Akteure von FDP und "Mitte" hinter vorgehaltener Hand über die Sollberger-Kandidatur jammerten, während ihre Parteispitzen in Einheits-Lobeshymnen einstimmten, die keine reale Grundlage hatten.
An der Wahlkampf-Oberfläche offenbarte sich die Diskrepanz zwischen Sein und Schein dadurch, dass weder ein starkes überparteiliches Personenkomitee noch prominente Testimonales sichtbar wurden. Anfänglich nahezu euphorische Schmeichelein verstummten. Zu gross wurde offenbar die Furcht, eventuell doch aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. Es war wohl nicht die klügste Idee, dem Volk vier Jahre nach dem Scheitern des rechtskonservativen Thomas de Courten ein vergleichbares politisches Profil anzubieten.
Ein Johannes Sutter aus Arboldswil, der sich aus geschäftlichen Gründen nicht zu einer Kandidatur entschliessen mochte, wäre souverän gewählt worden, ohne dass die SP eine Zweierkandidatur gewagt hätte.
Aber auch Sandra Sollberger hat sich in ihrem seit Jahren gehegten Regierungs-Traum täuschen lassen. Sie spielte die Strategie des aktiven Schweigens eisern mit, vermied Foren, in denen eine Reihe noch ungestellter kritischer Fragen hätten gestellt werden können. Diese Verweigerungshaltung war nicht eine mediale Erfindung, sondern jene ihrer Strategen und letztlich ihrer selbst.
Das Bequemlichkeits-Szenario der immerwährenden bürgerlichen Regierungsmehrheit ist zum ersten Mal in über siebzig Jahren nicht mehr aufgegangen. Das Baselbiet ist ideologisch diverser, freier und unfixierter geworden. Die alten Platten von "Stabilität und Sicherheit" ziehen nicht mehr. Gefragt ist aktives Lösungshandeln.
Das ist in der Tat bitter für die von dieser Machtgarantie jahrzehntelang profitierende Regierungselite. Aber das ist gut für das Baselbiet – und gut für die Regierung. Die neue, stark Mitte-liberal geprägte Regierung bekam allein durch die Figur Jourdan eine völlig neue Balance, die Chancen einer verstärkten Dynamik und unkonventionell-kreativer Lösungsansätze in sich birgt.
Am ersten Medientermin drückte kaum ein bisheriges Mitglied der Regierung das Bedauern über Sollbergers Scheitern aus. Vielmehr beriefen sie sich locker auf die Fähigkeit, in "verschiedenen Team-Konstellationen" zusammenzuarbeiten, und zeigten damit, dass sie sich mit den veränderten Voraussetzungen schon abgefunden haben.
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Bericht über den Ausgang der Regierungsrats-Wahlen
12. Februar 2023
"Wähler liessen sich nicht einlullen"
Peter Knechtli trifft den Nagel auf den Kopf. Erfreulich. dass eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler sich nicht hat einlullen und täuschen lassen und dem dynamischen, offenen, cleveren und moderaten Thomy Jourdan den Vorzug gegeben hat. Ich freue mich auf seine Regierungstätigkeit. Falls er das Gesundheitsdepartement übernähme, wäre er sicher fähig, die prima Arbeit von Thomas Weber fortzuführen.
Alfred Vogelsanger, Therwil