Die Besserwisserei der UnverantwortlichenVon PETER KNECHTLI Von einem breitflächig angelegten demokratischen Diskurs ist auf Plattformen wie Twitter, Facebook oder Instagram schon lange nichts mehr zu spüren. Wo nicht gerade die Echtzeit-Foto aus der privaten Küche das Licht der Welt erblickt, dominieren Besserwisserei, Rechthaberei und Angriffe bis hin zur systematischen Verspottung und Herabsetzung von Personen des öffentlichen Lebens. Die Entwicklung, wie Gemeinschaftslenkende über die sogenannten "Sozialen Medien", aber auch die klassischen Medien unter Druck gesetzt werden, lässt sich auf lokaler, aber insbesondere auf landesweiter oder internationaler Ebene gut beobachten. "Scholz will sich nicht zu einem fatalen Sei es seit zwei Jahren die Corona-Pandemie oder aktuell die Putin-Invasion in die Ukraine: Der Schwarm der nichtgewählten Besserwisser, der sich gegenüber niemanden verantworten muss, hat Überhand genommen. Man erinnere sich nur an extremistische Corona-Kritiker, die Bundesrat Alain Berset ungestraft einen "Diktator" nannten mit Hilfe von Internet-gestützter Mobilisierung gar den Staat zu destabilisieren versuchten.
Als besonders irritierend empfinde ich derzeit, wie der neugewählte Bundeskanzler Olaf Scholz massenmedial demontiert wird. Da ist das verzweifelte Flehen der ukrainischen Polit-Elite um maximale militärische und finanzielle Hilfe in jeder Beziehung verständlich. Doch die Grenzen sind dort überschritten, wo sensible Interventionen von Nato-Staaten wie insbesondere Deutschland mit unverhohlener moralischer Erpressung erzwungen werden sollen: Wer den Luftraum nicht sperrt und keine schweren Waffen liefert, habe selbst "Blut an den Händen". Das politische Echo entlädt sich sogleich in lautstarker Empörung über die angebliche "Führungslosigkeit des Kanzlers". Dabei kann man nur den Kopf schütteln über die naive Vorstellung von Führung – wenn beispielsweise von Staatsführenden verlangt wird, Art und Zeitpunkt von Waffenlieferungen öffentlich blosszulegen. Nach meiner Wahrnehmung ist es gerade Führungsqualität, die der besonnene Scholz hier zeigt. Seine Zurückhaltung sollte insbesondere auch vom dauerforschen ukrainischen Botschafter Andrij Melnik begriffen werden – so sehr der ukrainische Kampf fraglos auch ein Kampf für Europa ist. Dass Scholz aus diesem Grund der sich aufbauenden ungeheuren Dynamik des Handelns nicht opportunistisch fügt und in eine mögliche nukleare Falle tappt, ist ihm hoch anzurechnen. Er trägt als gewählter Kanzler eine unvorstellbare Verantwortungslast, während sich die Heerscharen nichtoperativer Besserwisser still aus dem Staub machen können, nähme die Entwicklung ihre schlimmstmögliche nukleare Wende.
24. April 2022
"Sie werden zu Staub" Die nichtoperativen Besserwisser werden zu Staub. Michael Przewrocki, Basel "Gratulation" Gratulation zu Ihrer hervorragenden Kolumne. Besser kann man es meines Erachtens nicht formulieren. Robert Mesmer, Velke Prilepy (bei Prag) "Zwei kollektive historische Hypotheken" Peter Knechtlis lesens-und bedenkenswerte Argumentation zu Besserwisserei und Hetze in "sozialen Medien". Auch seine Überlegungen zum Lavieren des "Fabius Maximus Cunctator" Olaf Scholz verdienen Aufmerksamkeit. Scholz muss mit zwei kollektiven historischen Hypotheken leben: der Wahrnehmung Deutschlands als Auslöser zweier Weltkriege und der von Willi Brandt eingeleiteten Appeasement-Politik gegenüber der Sowietunion und ihrer Rechtsnachfolgerin, der Russischen Föderation. Seine Junior Koalitions-Partner (Grüne und FDP) machen es sich (zu) leicht, diese Hypotheken einfach zu übersehen, und es ist nur zu hoffen, dass sie die Ampel-Koalition nicht sprengen, weil sie zu wenig "maulfaul" sind. Hans-Ulrich Iselin, Riehen "Die Un-Sozialen Medien" Wieder ein Stück klarer geworden ist für mich die seit längerer Zeit von meinem jüngsten Enkel (20) schon mehrmals gemachte Äusserung: "Die Sozialen Medien sollten eigentlich die Un-Sozialen Medien heissen." Wie recht er hat. Bruno Heuberger, Oberwil "Losdonnern im geschützten Raum" Danke Peter Knechtli für diesen Artikel. Ja ja ja wie einfach ist es im sogenannt geschützten Raum unreflektiert loszudonnern und wie schwierig und notwendig, differenziert zu bleiben und die Regeln von Anstand, Fairness und Vernunft einzuhalten. Heute sind wir mit Le Pens Nichtwahl nochmals am Desaster vorbeigeschrammt. Bleiben wir besonnen, aber engagiert Vera Gerwig, Basel "Internetdebatten sind selten substanziell" Danke Peter Knechtli, für diesen treffenden Kommentar, vortrefflich formuliert. Luzide Persönlichkeiten, wie deutscher Kabarettist, Autor, Musiker, Regisseur und Schauspieler Serdar Somuncu haben diese bösartige Entwicklung schon vor Jahren kommen sehen. "Je mehr Meinungen es gibt und je mehr Möglichkeiten, diese zu verbreiten, desto schwieriger ist die Wahrheit eruierbar. Auch das Dabattieren darüber wird komplexer. Leider nutzen wir die neuen Kommunikationswege des Internets nicht sinnvoll genug. Internetdebatten sind selten substanziell, sondern münden in Beschimpfungen, Oberflächlichkeiten und in Affekten." (bz 11.03.2020) Pius Helfenberger, Münchenstein "Zwei kleine Anmerkungen" Der Kommentar ist bestechend. Trotzdem zwei kleine Anmerkungen seien erlaubt, die das Ganze noch akzentuieren. Unter den von Peter Knechtli bezeichneten Unverantwortlichen gibt es fatalerweise auch Teilnehmende mit gesellschaftlicher/politischer Verantwortung, die wacker aus eigener Besserwisserei oder Hilflosigkeit mehr als nötig mitwirken. Gilt auch für nicht wenige Medienschaffende, zum Beispiel auf Twitter, denen das eigene Medium nicht mehr genug ist oder als Plattform zu wenig genügt. Der Teufelskreis ist auch dem Aufmerksamkeits-Anspruch geschuldet, den andere Foren (leider?) nicht mehr befriedigen können … und darum sind die "sozialen" Medien eine dankbare Alternative. Niggi Ullrich, Arlesheim "Guter Aufsatz" Sehr guter Aufsatz, gratuliere! Robert Schneeberger, Thürnen "Die Menschen agieren hemmungslos" Lieber Peter, du hast sowas von Recht! Die sozialen Medien sind längst nicht mehr sozial. Die Menschen agieren dort hemmungslos. Man kann sich ja so schön hinter dem Computer verstecken. Danke für diesen guten Artikel, der sich eins zu eins auf Politbetriebe in der Schweiz und in anderen Ländern umlegen lässt. Beatrice Isler, Grossrätin, Basel |
www.onlinereports.ch
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.
Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigenen Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.