Wendehals-Position: BaZ und Medienförderung
Von PETER KNECHTLI
Hinter uns liegt die eidgenössische Volksabstimmung über ein Medienförder-Paket, das schweizweit abgelehnt, im Kanton Basel-Stadt aber mit einer Ja-Mehrheit von 55 Prozent angenommen wurde. Das baselstädtische Stimmvolk, soviel kann gesagt werden, hält eine staatliche Medienförderung mehrheitlich für richtig und sinnvoll.
OnlineReports hat das eidgenössische Paket abgelehnt – nicht etwa, weil wir einen gewissen staatlichen Support sofort mit einer Einflussnahme gleichsetzen und "Staatsmedien" befürchten, sondern aus einem einfachen Grund: weil zahlreiche Nachrichten-Medien von der Unterstützung profitiert hätten, aber ausgerechnet OnlineReports als erstes verlagsunabhängiges lokales News-Portal der Schweiz nicht. Und das nur, weil wir historisch bedingt kostenlos zugänglich sind.
Nun, ein paar Wochen später, tut sich Erstaunliches. Aggressiv Stimmung gegen eine bescheidene öffentliche Medienförderung macht jetzt die "Basler Zeitung", die ihren Inserateteil zuvor monatelang mit "Ja zum Medienpaket"-Werbung in eigener Sache zugepflastert hatte.
"Sebastian Briellmann wäre etwas
mehr Wahrhaftigkeit zu wünschen gewesen."
Mit einer publizistischen Wendehals-Offensive tat sich zunächst BaZ-Redaktor Sebastian Briellmann hervor. Er nannte Politiker und Journalisten, die nun auf eine kantonale Lösung setzen, "unternehmensfaul und antidemokratisch". In seiner Analyse sucht man allerdings vergeblich nach Belegen für seine krude These. Er schwafelt von "selbsternannten Demokratierettern", deren einzige Geschäftsidee sei: "Der Staat soll zahlen."
Es wäre ihm indes eine Spur von Selbstbezug, Reflexion und journalistischer Wahrhaftigkeit zu wünschen gewesen: Die "Basler Zeitung" gehört zum Tamedia-Konzern, der mit andern grossen Schweizer Medienhäusern mit der eidgenössischen Lösung jährlich Dutzende Millionen Franken vom Staat abgeholt hätte. Das Unternehmen, dem die "Basler Zeitung" gehört, hätte zu den grossen Profiteuren des "Medienpakets" gezählt.
Diesen eminent wichtigen Aspekt zieht Briellmann in keiner Weise in seine Analyse mit ein. Was bleibt, ist eine erstaunliche Pöbelei: Auch die ausgeblutete BaZ-Redaktion könnte von einer lokalen Medienförderung profitieren – nach dem Modell von "Bajour" und OnlineReports mit rund drei zusätzlichen Stellen.
Apropos "Geschäftsidee": Hier scheint Briellmann mit den örtlichen Verhältnissen so schlecht vertraut zu sein, dass er scheinbar nicht weiss, dass sich OnlineReports eben gerade deshalb landesweit Respekt verschafft hat, dass die Finanzierung seit über 23 Jahren auf privatwirtschaftlicher Basis klappt.
Wir möchten hier hinzufügen: Wir arbeiten auf schlanker Basis und zu bescheidenen Löhnen, aber selbstbestimmt und mit Leidenschaft. Wir könnten und möchten mehr leisten. Das ist aber allein über Werbefinanzierung nicht möglich. Das weiss auch die "Basler Zeitung", die ihre Lokalredaktion dramatisch zurückfahren musste und nun einen Lokalteil bietet, der es leider schwer hat, den selbstdeklarierten Status des "Leitmediums" zu rechtfertigen.
Nun scheint sich auch noch der von mir sehr geschätzte Lokalredaktor Dominik Heitz als Chef der Unterabteilung "Club der Gentlemen" der Kehrtwende-Doktrin der BaZ anzuschliessen: Er setzt die Forderung nach einer kostenlosen Abgabe von Hygieneartikeln mit einer bescheidenen lokalen Medienförderung in Höhe von jährlich rund zwei Millionen Franken gleich und reduziert alles auf eine "fragwürdige Anspruchshaltung". Auf welche Stufe der "Anspruchshaltung" stellt der "Gentleman" das dreistellige staatliche Millionen-Medienpaket, das seine Zeitung so bombastisch bewarb?
Bemerkenswert, mit wieviel Todesverachtung sich Journalisten den Niedergang des politischen Journalismus herbeizuwünschen scheinen. Man kommt fast auf die Idee, ganz ohne strategische Absicht geschieht das nicht. Es gibt Kräfte im Land, die gar keine pluralistische Medienlandschaft anstreben, sondern eine nach ihrem Gusto gleichgeschaltete.
Solchen Tendenzen können kluge Köpfe des Grosses Rates durch Umsetzung einer kantonalen Medienförderung entgegenwirken, die einen hohen Grad an Pluralität absichert.
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20. März 2022
"Gebaren aus der Ära Somm"
Peter Knechtli ist – wie so oft – vollumfänglich zuzustimmen. Man konnte in guten Treuen für oder gegen das Medienförder-Paket sein (ich beispielsweise hatte es angenommen, auch wenn mir Peter Knechtlis Gründe dagegen einleuchteten) – aber es ist jetzt, wie es nach einer Abstimmung ist. Wenn sich die Rauchschwaden verzogen haben, gilt es, das Resultat zu analysieren und allenfalls alternative Vorgehensweisen zu erwägen. Wo ist das Problem?
Das Problem liegt offensichtlich bei einem journalistischen Jungspund und Heisssporn, dessen grossmundiger Kommentar und vor allem die recht eigentlich ehrverletzenden Anschuldigungen an alle, die sich nun Gedanken darüber machen, ob aus dem Trümmerfeld des Abstimmung noch etwas halbwegs Vernünftiges zu "basteln" sei, auch nach mehrmaligen Lesen unverständlich bleibt.
Hier will sich, was mir bei dem Autor schon früher bisweilen auffiel, offenbar jemand als besonders kompromisslos und schonungslos angriffig zeigen – auch unter Inkaufnahme von Falschinformationen. Fatal erinnert das an das unselige Gebaren aus der Ära Somm der BaZ – und es wäre nicht das erste Mal, dass ein jüngerer Journalist verheizt wird. O tempora, o mores!
Florian Suter, Basel
"Tatsächlich geschmacklos"
Es ist nicht richtig zu behaupten, OnlineReports hätte vom neuen und zwischenzeitlich abgelehnten Mediengesetzt nicht profitiert. Das Finanzierungsmodell via Donation wäre gleichberechtigt zur Variante Bezahlschranke gewesen; leider ging die Tatsache bisher unter!
Ich verstehe aber Peter Knechtli sehr gut. Tatsache ist, dass von der damaligen Vorlage eines Mediengesetztes die "grossen Medienhäuser" überproportional profitiert hätten. Dass die BaZ sich nun kantonalen Lösungen in den Weg stellen möchte, scheint mir tatsächlich geschmacklos zu sein, insbesondere die Begründungen, welche die betroffenen Medien heute als Schmarotzer angreift. Wahrscheinlich versucht die BaZ auch, damit von ihren Strategiedefizit abzulenken.
Dieter Troxler, Rünenberg