Rotlicht-Entscheid gegen TeleBasel: Unverständlich
Von PETER KNECHTLI
Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat dem Basler TV-Sender TeleBasel einen bösen Rüffel erteilt: Der Bericht über den Basler Sittenpolizeichef Marcel Grand vom vergangenen November verletze dessen Persönlichkeitsrechte ebenso wie das Sachlichkeitsgebot.
TeleBasel hatte in Bild, Text und Ton darüber berichtet, dass sich Grand im Oktober von einer russischen Nachtclub-Chefin in den Konkurrenz-"Club 14" zu einem Mineralwasser habe einladen lassen. Und dass dabei die Russin ausfällig geworden sei und Bierdeckel gegen eine Tänzerin geworfen habe. Darauf hin reichte "Club 14"-Chef Peter Senn bei Polizeidirektor Jörg Schild Beschwerde ein und warf Grand und den Bewilligungsbehörden strafrechtlich relevante Verfehlungen vor: Nötigung, Bestechung, Verletzung von Amtsgeheimnissen.
Dies war allerdings nicht Gegenstand des Beitrags. Vielmehr ging darin es einzig um den dienstlichen Cabaret-Besuch Grands in Begleitung einer Nachtclub-Managerin, der mit Sicherheit Fragen nach dem ethischen Standard eines sensiblen Fahndungsbereichs aufwirft.
Nach Meinung der Medienwächter war dieser Sachverhalt zu wenig relevant - weil er eben nicht die strafrechtlichen Aspekte betraf -, um den Chefbeamten identifizieren zu dürfen. Aufmachung und Moderation seien geeignet gewesen, Grand zu Unrecht anzuschwärzen.
Sicher hat der TeleBasel-Beitrag seine formalen Schwächen: Etwa das Standbild Grands mit der Textmarke "Unsittlich?". Das Fragezeichen macht deutlich, dass die Unsittlichkeit eigentlich nur unterstellt und nicht klar belegt werden konnte. Es fehlten zudem Statements des politisch verantwortlichen Polizeidirektors Jörg Schild oder führender Parlamentarier. Im Gesamteindruck stand Grand fraglos in der Kritik - nicht im strafrechtlichen, aber im ethisch-professionellen Sinn.
Aber die wortreichen Erwägungen der Beschwerdeinstanz haben ebenso ihre Mängel. Sie wirken abstrakt, kopflastig und wenig beeinflusst von journalistischer Erfahrung in einem Milieu, das seine eigenen Regeln im Umgang mit Recht und Wahrheit hat. Das Dramatische am Entscheid: Im Effekt spricht die UBI den elektronischen Medien das Recht ab, über einen tatsächlich fragwürdigen Vorfall um einen Chefbeamten überhaupt zu berichten und ihn mit Namen zu benennen.
Wer die Wächter-Funktion der Medien nicht nur in Sonntagsreden anerkennt, muss auch damit leben wollen, dass sie bei entsprechenden Indizien mögliche Interessenkollisionen von Chefbeamten thematisieren. Das ist grundlegende journalistische Pflicht. Es darf Öffentlichkeit und Politik nicht egal sein, wenn ein leitender Beamter der Basler Sittenpolizei in Begleitung einer Nachtclub-Managerin ein Konkurrenz-Cabaret besucht und sich dort einladen lässt - wenn auch nur zu einem Mineralwasser.
Es ist auch nicht unerheblich, wenn diese Nachtclub-Managerin Bierdeckel gegen eine Tänzerin wirft, ohne dass der Chefbeamte dagegen interveniert. Und es darf keinen Zweifel daran geben, dass der Sittenfahnder im dienstlichen Auftrag keine andern Interessen vertritt als die öffentlichen. Wenn selbst der Polizeidirektor von einer "Provokation" spricht, sind zumindest Fragen nach der Glaubwürdigkeit, Unbefangenheit und Professionalität des Sittenpolizeichefs erlaubt und nötig. Hier ist es Aufgabe der Medien, Öffentlichkeit herzustellen und Ross und Reiter zu nennen.
TeleBasel ist in keiner Weise einem Phantom hinterher gesprungen, sondern hat den dienstlichen Umgang des Sittenpolizeichefs zu Recht aufgegriffen. Wenn Polizeidirektor Jörg Schild, der behördliche Kumpanei im Rotlichtmilieu nicht zu dulden bereit ist, seinem Chefbeamten in diesem Fall "augenscheinlich ungeschicktes Handeln" bescheinigt, ist die These des Beitrags bestätigt. Mehr noch: TeleBasel hat sogar ausgelöst, dass die Polizei von höchster Stelle aus sensitive Ermittlungsbereiche überprüft und gar ein personelles Rotationssystem gegen Filzerscheinungen in Erwägung zieht.
Dass dieser demokratisch wertvolle Aspekt durch das Mediengericht UBI in keiner Weise gewürdigt wurde, ist absolut unverständlich. Ob Sittenwächter Grand an jenem Abend "unsittlich" gehandelt hat, ist eine Frage der Interpretation. Das prädikat "ungeschickt" trifft auf jeden Fall zu: Es ist regierungsrätlich abgesegnet.
24. Mai 2002