BaZ-Verkauf: Wagner ist Tettamantis Mann
Von PETER KNECHTLI
Seit Monaten, wenn nicht Jahren brodelte es in der Gerüchteküche: Jetzt ist der Schuss draussen: Nicht die Zürcher NZZ und nicht die Zürcher Tamedia werden die "Basler Zeitung Medien" und damit die Tageszeitung BaZ übernehmen, sondern der bald 80-jährige Tessiner Tito Tettamanti und der Basler Anwalt und Profi-Verwaltungsrat Martin Wagner.
Als BaZ-Präsident Matthias Hagemann seine Führungsposition von seinem Vater Hans-Rudolf übernahm kündigte er noch an, dass das Unternehmen so lange in Familienbesitz bleibt, solange er an dessen Spitze sei. Hagemann hat Wort gehalten – nur hat der 47-jährige Jurist die Unternehmensspitze schneller verlassen als allgemein angenommen: Er verkauft den Medienkonzern, der seit fast sechzig Jahren im Familienbesitz war, und tritt von der Spitze zurück in die Funktion eines einfachen Verwaltungsrates.
Hagemann warnte seine Basler Leserschaft auch immer wieder vor Gelüsten starker Zürcher Verlagshäuser, den Medien- und Meinungsmarkt der Region Basel als zweitstärkstem Wirtschaftsraum der Schweiz zu erobern. Der protestantische Basler Hagemann blieb konsequent und verkaufte sein Haus dem rechtskonservativen katholischen Tessiner Tettamanti und seinem BaZ-Firmenanwalt Martin Wagner. Inkonsequentes Verhalten kann man ihm bei diesem selbst von Medien-Insidern kaum erwarteten Entscheid nicht vorwerfen.
Es ist einem Aussenstehenden nur schwer zugänglich, wie sehr Matthias Hagemann, diesem intelligenten Analytiker das Medien-Metier, in der Erbfolge seiner Vorfahren überhaupt gelegen war. Gelegentlich entstand der Eindruck, er leide darunter, dass er den Familienbetrieb ausgerechnet zu einem Zeitpunkt übernehmen musste, an dem sich die langen goldenen Jahre des Zeitungs- und Druckgeschäfts dem Ende zu neigten und erste düstere Wolken am Technologie-Horizont auftauchten: Online-Portale und Gratiszeitungen zogen Werbegelder und Kunden ab, dazu kam die Finanzkrise, die den Konsumierenden die Ausgabenlust brutal verdarb. Die "Basler Zeitung" verlor dramatisch Leser, das Unternehmen war gezwungen, an allen Ecken und Enden bis in einstellige Frankenbeträge hinunter zu sparen.
Während erste Onliner mit einem Laptop ein neuartiges Informations-Medium kreierten, musste der Printkonzern zweistellige Millionenbeträge in teure Druckmaschinen und Anlagen binden für ein Geschäft, das sich zumindest in der herkömmlichen Art dem Ende seines Lebenszyklus' nähert. Die Fremdschuldenlast begann zu drücken.
Matthias Hagemann muss seit längerem eine gewisse Auswegslosigkeit oder gar Untergangs-Visionen wahrgenommen haben. Dadurch könnte sich auch das Fehlen von Dynamik und Innovation erklären, das in den letzten Jahren innerhalb der BaZ-Gruppe unverkennbar war. Auch die Online-Strategie war von Anfang an weder stringent noch überzeugend. Heute hat im Online-Geschäft der BaZ die NewsNetz-Partnerin Tamedia das gewichtigste Wort mitzureden.
"Tettamanti ist leidenschaftlicher Financier,
nicht Verleger aus Berufung."
Der Verkauf der "Basler Zeitung Medien" wird in der Region Basel keinerlei Proteste auslösen: Das Publikum ist froh, dass nicht ein Zürcher Grossverlag seinen Fuss nach Basel gesetzt hat und fortan am Rheinknie die Meinungen macht. Tettamanti hat die finanzielle Potenz, die BaZ-Gruppe notfalls auch über eine längere Baisse-Periode durchzufinanzieren.
Fürs Erste wird die "Basler Zeitung" ihren bisherigen redaktionellen Kurs weiterführen. Interessenkollisionen könnten allerdings entstehen, wenn die Wirtschaftsredaktion Themen zu behandeln hat, in die Tettamanti über private Interessen persönlich involviert ist.
Nur: Diese Gefahr ist aus drei Gründen nicht allzu gross. Erstens ist der charmante Tessiner in keinen Verwaltungsräten mehr tätig – erstaunlicherweise gehört er auch dem BZM-Aufsichtsgremium nicht mehr an. Dafür hat der neue 75-Prozent-Eigner, zweitens, gute Gründe: Martin Wagner ist Tettamantis Statthalter. Wagner geniesst das volle Vertrauen seines langjährigen Gefährten Tettamanti. Darum steht der stetige Aufsteiger mit seinem 25-Prozent-Anteil jetzt auch an der Konzernspitze. Drittens wäre eine rechtskonservative Zeitung im Kanton mit einer links-grün dominierten Regierung der sichere Weg in den wirtschaftlichen Abgrund.
Martin Wagner heisst der neue starke Mann auf dem Medienplatz Basel: Er wird und muss aus der BZM wieder eine solide rentable Firma machen. Dabei wird er das Personal nicht schonen. Ein intimer Kenner schildert Wagner als "harten Hund". Das war an der heutigen Medienkonferenz schon zu spüren, als er kritische Fragesteller kalt abputzte. Künftig dürfte in den Räumen des Basler Verlagshauses ein rauherer Wind wehen als bisher schon. Was Wagner an soliden Medienbeziehungen bis hin ins Filmgeschäft im In- und Ausland mitbringt, das bietet Tettamanti mit seinen immer noch vorhandenen wirtschaftlichen Beziehungen und seiner Finanzkraft.
Ein gewisser Fatalismus ist, was die Einschätzung der Zukunftsaussichten der "Basler Zeitung" betrifft, allerdings eher angesagt als Optimismus: Wagner konnte heute nicht präzise benennen, was er besser machen wird als Hagemann. Und Tettamanti ist kein Medienunternehmer aus Leidenschaft. Ihn verbindet nicht die geringste Emotion mit der Basler Medien-Geschichte. Er ist industrieller Financier, der seinen Reichtum vor allem durch die Gabe vermehrte, wankende Konzerne unter strengem Regime fit zu trimmen und dann gewinnbringend zu verkaufen. Weshalb bei der "Basler Zeitung"-Gruppe plötzlich idealistische Motive massgeblich sein sollen, ist nicht einsehbar. Sollte dereinst ein Weiterverkauf in Aussicht stehen, wäre Martin Wagner der Mann, der über die guten Medien-Verbindungen verfügt. Und Tettamanti der Geld-Vermehrer, der verkauft, wenn es ihm passt.
Die Aussichten für ein kleines Medienunternehmen wie OnlineReports sind durch den Besitzer-Wechsel bei der "Basler Zeitung" nicht düsterer geworden. Vielleicht erkennt nun das Qualitätspublikum der Region Basel noch eher die Bedeutung, die das wirkliche Basler News-Portal heute hat und in Zukunft noch haben könnte.
Bericht über den BaZ-Verkauf
8. Februar 2010