Für ein würdiges und selbstbestimmtes Sterben
Über kein anderes Thema kann derart kontrovers diskutiert werden wie über Sterbehilfe. Befürworter und Gegner gibt es in den politischen Lagern gleichermassen.
Erst kürzlich wurde hierzu auch im Basler Grossen Rat debattiert, die Meinungen verliefen quer durch die Parteien. Es war aber zweifelsohne eine der spannenderen Diskussionen im Rat.
Anlass der Debatte war ein Vorstoss meines FDP-Kollegen Luca Urgese, der den Zugang von Sterbehilfe-Organisationen in Spitälern und Alters- und Pflegeheime neu regeln wollte. Sein Vorstoss wurde nach emotionaler Debatte abgelehnt. Gleichzeitig wurde bekannt, dass eine Sterbehilfe-Organisation vom Bau- und Gastgewerbeinspektorat aus ihren Räumlichkeiten verbannt wurde und als Übergangslösung nun Sterbehilfe-Begleitung in einem Wohnwagen angeboten werden muss. Letztlich geht es dabei um die Frage, ob Sterbehilfe in Wohnquartieren oder in Industriezonen stattfinden soll.
Der für das Thema zuständige Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger hielt auf seiner Homepage dazu fest, dass die "liberalen Gesetze" in dieser Frage eingehalten werden müssen und er keinen Anlass "für weitergehende Liberalisierungen" sehe. Die Haltung von Regierungsrat Engelberger kann ich nachvollziehen. Sie ist nicht falsch, sondern orientiert sich am Mehrheitswillen unseres Parlaments und vermutlich auch an den eigenen Überzeugungen.
"Soll diesem Menschen ein würdiges
Sterben verboten werden?"
Diese Überzeugungen kann ich respektieren, aber ich teile ich nicht. Ich bin keinesfalls für die aktive gewerbsmässige Sterbehilfe. Diese soll weiterhin verboten bleiben. Die passive Sterbehilfe (die sterbewillige Person nimmt den tödlichen Medikamenten-Mix selbst ein) ist hierzulande erlaubt und soll es auch bleiben. Doch damit diese Art des Suizides auch in einem humanen und ethisch vertretbaren Rahmen stattfinden kann, sollten die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.
Die Hürden für die passive Sterbehilfe müssen verständlicherweise hoch bleiben. Doch keiner wird aus einer Laune heraus eine solch schwerwiegende Entscheidung fällen. Sterbehilfe-Patienten sind oft schon sehr lange unheilbar krank, mit sehr starken Schmerzen belastet und eine Linderung ist nicht (mehr) in Sicht. Es geht um diese Menschen und nicht um solche, die aus psychischen oder spontanen Gründen aus dem Leben scheiden wollen. Diese Menschen gehen nicht zu einer Sterbehilfe-Organisation, sondern wählen den Freitod auf eine andere – oft viel brutalere – Art und Weise. Wer schwer krank ist, soll aber die Möglichkeit haben, in einem ihm bekannten Umfeld zu entscheiden, wann genug ist.
Redet man über Sterbehilfe, wird viel über Ethik gesprochen: Ist es menschlich vertretbar, einem unheilbar kranken lieben Familienmitglied oder Bekannten einen selbstbestimmten Freitod zu verbieten? Ist nicht gerade das ein Zeichen von Menschlichkeit, wenn man einem Menschen das quälende Leiden verringern will, was auch die Schul- und Alternativmedizin anstreben?
Ein Mensch, vielleicht 80 Jahre alt, mit Krebs im Endstadium, knapp sechs Monate noch zu leben – ohne Chance auf Heilung. Der Krebs hat sich im ganzen Körper ausgebreitet. Dieser Mensch hatte bisher ein beschwerdefreies, ein glückliches Leben. Nun soll er, mit Medikamenten vollgepumpt, an irgendwelche Maschinen angeschlossen werden. Die Schmerzen werden nicht mehr geringer, nur noch schlimmer. Soll diesem Menschen ein würdiges Sterben verboten oder erschwert werden? Ich habe Mühe damit, gerade als liberal denkender Politiker, diese Selbstbestimmung zu verbieten.
Haben wir nicht alle Angst davor, im Alter unheilbar krank zu werden? Haben wir nicht auch Sorge, dass wir nicht einfach von dieser Erde "gehen" dürfen, sondern uns mit Schmerzen langsam verabschieden müssen? Natürlich hat jeder Mensch eine andere Willensstärke, befindet sich in einer anderen persönlichen Verfassung. Aber alleine die Tatsache, dass diese Entscheidung die persönlichste aller Entscheidungen ist, sollte uns veranlassen, dass wir diesen Menschen ein würdiges Sterben nicht verunmöglichen. Und ein würdiges und selbstbestimmtes Sterben sollte, wenn immer möglich, in den eigenen vier Wänden möglich sein. Deshalb plädiere ich für Menschlichkeit im Sinne des einzelnen Individuums.
22. Februar 2016
"Mühe mit Sterbetourismus in Wohnquartieren"
Ich bin mit Herrn Thüring einverstanden. Nur im Fall der Organisation "Eternal Spirit" bin ich mit ihm nicht einig. Organisationen, die Leute aus dem Ausland das Sterben hier ermöglichen, also den Sterbetourismus ankurbeln, haben von mir aus nichts in Wohnquartieren zu suchen. Ich hätte auch grosse Mühe damit, wenn das in meinem Wohnquartier stattfinden würde.
Friederika E. Meyer Ueltschi, Basel