Happy Birthday Schweiz!
Zweimal geblinzelt, und zwei Drittel der Sommerferien sind schon wieder vorbei.
Eingeläutet wird dieser Sommerferien-Schlussspurt traditionell von den Feierlichkeiten um den 1. August. Ich liebe solche Stadtfeste wie den Nationalfeiertag. Wenn alle zusammenkommen und gemeinsam glücklich und ausgelassen sind.
Doch ich frage mich jedes Jahr aufs Neue, was genau wir und all die anderen Länder an den Nationalfeiertagen eigentlich feiern. Oft kommt dann jeweils das Bilderbuch-Ideal der Länder zum Vorschein. Bei uns in Basel ist alles rot-weiss. Dazu kommen viele Edelweisshemden, Käse und Alphornklänge. (Bloss die Treicheln haben seit der Corona-Pandemie einen eher schlechten Ruf, und ich würde mich wundern, wenn sie es bis nach Basel schaffen würden.)
Wir feiern ein Land und seine Eingrenzung – und das gemeinsam mit den unterschiedlichsten Menschen.
Wir feiern ein Land und seine Eingrenzung – und das gemeinsam mit den unterschiedlichsten Menschen, die aus den verschiedensten Regionen der Welt kommen und hier zu Hause sind.
Auf unserer Reise durch Wien und später Slowenien standen wir ständig vor Denkmälern. Sie erinnern an brutale Schlachten des Kaiserreichs Österreich, an die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und an gefallene Zivilpersonen im Balkankrieg. In Ljubljana ist mir bald aufgefallen, wie wenig ich vom Balkankrieg weiss, und ich erschrak.
Nach gründlichen Recherchen kreisten meine Gedanken diesen Sommer oft um die Frage, warum es immer wieder zu solch schrecklichen Ereignissen kommt. Nationalismus endet so oft in Leid und Schrecken, ja in grausamen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Geschichte lehrt uns dabei eines deutlich: Egal welche Weltregion oder Religion – es geschieht und gelingt offenbar immer wieder, diesen Hass zu schüren, der Menschen zu solch schrecklichen Taten bringt.
Wir alle tragen wohl etwas Böses in uns und müssen uns immer wieder für das Gute entscheiden.
Umso mehr müssen wir mit Blick auf unseren Nationalfeiertag Vorsicht walten lassen. Die Geschichten, die der Nationalismus schreibt, sind gefährlich. Sie handeln von Abgrenzung und Zuordnung, von «uns» und den «anderen», meist gar von den «Guten» und den «Bösen». Dabei tragen wir wohl alle irgendetwas Böses in uns und müssen uns immer wieder für das Gute entscheiden.
Beachten wir also mit Stolz auch unsere Vielfalt in der Schweiz, wenn wir den 1. August feiern. Und reden wir nicht nur über unsere Erfolge, sondern benennen auch unsere Fehler der Vergangenheit. Wir – die Schweiz – sind nämlich genauso wenig perfekt wie jedes andere Land.
Feiern wir darum unser Zuhause mitten in Europa. Unsere wunderbare Natur, und wie uns diese über Generationen, Religionen und Herkunftsgeschichten verbindet. Feiern wir unseren Hang zum Perfektionismus und unsere demokratischen Rechte. Und geben wir Sorge dazu. Heute und in Zukunft. Zu uns, unserem Land und unseren globalen Nachbarn. Machen wir die Gartentürli auf und laden auch einmal Leute mit einer anderen Haltung unter die Lampions ein.
Denn wenn ich etwas gelernt habe, von meinen Grosseltern und vom Umgang mit schlechten Zeiten: Wir tun gut daran, als (Welt-)Gemeinschaft aufeinander zu- statt voneinander wegzugehen.
31. Juli 2023
"Dankbarkeit und Demut empfinden"
Danke für diese Kolumne! Sie haben so treffende Worte für den Nationalfeiertag gefunden. Die wunderbare Schweiz mit Stolz fröhlich feiern und dennoch Dankbarkeit und Demut empfinden.
Marina Fink, Zunzgen
"Wie wohltuend!"
Danke, Frau Vergeat, wie wohltuend! Leute wie Sie braucht das Land.
Rosmarie Mächler, Aesch
"Das Beste ist die Kolumne von Frau Vergeat"
Wie jedes Jahr habe ich auch dieses Jahr in den Medien einiges zum 1. August gelesen. Konstruktives, aber auch beschämend nationalistische Lubhudeleien. Das Beste ist die Kolumne von Frau Vergeat. Vielen Dank!
Thomas Zysset, Bolligen