Freundschaften in der Politik – kompliziert!
"Es isch kai grossi Stadt, es isch kai glaini Stadt", singt Colette Greder in ihrer wunderbaren Stadthymne. Und diese "Zwischedure"-Stadt ist wieder einmal in Aufruhr. Nach den grossen Festivitäten zu Ehren unserer höchsten Schweizer*innen aus den beiden Basel geht es nun nahtlos weiter: Basel feiert einen Bundesrat! Wieder werden Trommeln poliert und Piccolos gestimmt, wieder steht eine grosse Feier bevor.
Im Hintergrund solcher politischen Grossereignisse geht aber jeweils viel mehr ab als nur die Planung einer möglichen Party. Potenzielle politische Verschiebungen führen schon Wochen vor der Entscheidung zu intensiven parteiinternen, aber auch parteiexternen und medialen Diskussionen.
In der Weihnachtszeit fokussieren wir uns oftmals gerne und auch richtigerweise auf die Familie. Auf jene, die im besten Fall hinter uns stehen – no matter what. Nach dem emotionalen Moment in der Antrittsrede unseres neuen Basler Bundesrats, als er sich bei seiner Familie für ihre Liebe bedankt, steht dem Fest der Liebe nichts mehr im Weg.
Die Politik verändert nicht nur einen selbst, sondern auch Freundschaften.
Während wir uns unsere Familien nicht aussuchen können, haben wir das Glück, bei Freundschaften frei wählen zu dürfen. Ich nehme deswegen den Dezember jedes Jahr zum Anlass, mich bei meinen Freund*innen für ihre Freundschaft zu bedanken. Denn die Politik verändert nicht nur einen selbst, sondern auch Freundschaften.
Es gibt Politiker*innen, die sagen: "Ich bin nicht in der Politik, um Freunde zu finden." Zu denen gehöre ich auf keinen Fall. Ich bin ein Team-Mensch, und weil ich die Politikerin und den Menschen nicht voneinander trennen kann, habe ich wichtige Freund*innen in der Politik.
Das ist vielleicht etwas speziell, das ist mir bewusst. Denn anders als im privaten Umfeld sind Freundschaften in der Politik weniger an gemeinsame Überzeugungen gebunden.
Immer wieder muss ich mich gegen aussen verteidigen, wenn ich als Grüne auch einmal mit einem LDPler ein Bier trinke. Klar: Nicht alle Kolleg*innen im Grossen Rat werden zu Freund*innen, und doch, so ganz allein könnte ich dieses Amt nicht ausüben. Dabei gilt es allerdings schon gut abzuwägen, wem ich wie weit vertrauen kann.
Regierungsämter und deren Verantwortung zwingen zu einer freundlichen Distanz.
Gleichzeitig wird – und das macht die Freundschaften in der Politik noch skurriler – eine gute Freundschaft durch Wahlkämpfe oder neue Ämter durchaus auch einmal abrupt beendet. Am Ende ist die Politik eben doch nicht nur Teamarbeit, sondern manchmal auch ein harter Konkurrenzkampf – selbst innerhalb der eigenen Partei.
Bei der Verteilung von Kommissionssitzen beispielsweise gehen zwar nicht gerade Freundschaften kaputt, aber es ist natürlich schon so, dass Eigeninteressen in der politischen Arbeit ihren Stellenwert haben. Da rücken Freundschaften dann rasch in den Hintergrund. Glück hat, wer von einem guten Fraktionsklima profitieren kann, das solche Situationen gut abfedert.
Wie sich aber die überparteilichen Freundschaften verändern, wenn jemand in ein höheres Amt wechselt, ist auch für mich immer wieder beeindruckend: Regierungsämter und deren Verantwortung zwingen zu einer freundlichen Distanz – vorherige Freundschaft hin oder her. Gleiches gilt auch bei einem Wechsel "to the other side", also in ein Verwaltungsamt. Freundschaft geht zwar immer noch, aber sie verändert sich.
Und somit ist es hier im Grossen Rat dann doch nicht so anders als ausserhalb der Polit-Bubble: Freundschaften entstehen, manchmal muss man über Unterschiede hinweg sehen. Und manchmal vergehen sie auch wieder.
Es tut gut, sich auch ausserhalb der Partei auszutauschen.
Das tut weh. Wir stehen füreinander ein, und es tut gut, sich auch ausserhalb der Partei auszutauschen. Trotz des Fokus auf die eigene Person, den es in der Politik braucht, bin ich froh, dass man sich als Politikerin ein Team des Vertrauens zusammenstellen kann.
Gerade in einer Zeit, in der jede Partei intensiv überlegt und diskutiert, was die Vakanz im Basler Regierungsrat für sie bedeutet und wie sie taktisch richtig darauf reagiert, bin ich all meinen Freund*innen in dieser wilden Polit-Welt dankbar. Dankbar für das Vertrauen und für die Freundschaft.
Gleichzeitig geht ein herzliches Dankeschön an alle Freund*innen ausserhalb dieser Bubble, die bedingungslos zu einer Freundin stehen, die wegen ihres politischen Engagements und der vielen damit verbundenen Termine immer wieder Geburtstagsfeste und regelmässige gemeinsame Hobbys verpasst. Das ist nicht selbstverständlich!
Ich wünsche Ihnen, liebe Leser*innen, frohe Festtage und eine ruhige Zeit zwischen den Jahren. Nutzen Sie gerade diese Zeit und besinnen Sie sich auf Ihre Familie, auf die wichtigen und wertvollen Freundschaften in Ihrem Leben – ob in der Politik oder ausserhalb spielt dann eigentlich keine Rolle mehr.
18. Dezember 2023
"Dankbar für Verständnis und Geduld"
Bedenkenswerte Kolumne von Frau Vergeat. Ich bin seit 25 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Ihre Gedanken sind für mich mehr als nachvollziehbar. Ich kann mir mein politisches Engagement ohne Freundschaften nicht vorstellen. Klar, die einen stehen mir näher als die anderen, und einige sind ganz weit weg von mir – nicht nur politisch, auch menschlich.
In der Weihnachtszeit sollte uns bewusst werden, wie wertvoll Freundschaften sind, auch in der Politik. Anstatt zu sehr über "Geschenke kaufen, Päckli machen"-Stress zu lamentieren, ist Weihnachten ein wundervoller Moment, um sich zu vergegenwärtigen, wie bereichernd die Familie und gute Freundschaften sind.
Wer sich in der Politik engagiert, muss auf das eine oder andere verzichten, die Familie und Freunde auch. Ich bin dankbar, dass meine Familie und meine Freundinnen und Freunde Verständnis und Geduld mit mir haben. Es berührt mich immer wieder, dass mein häufiges "Nein, heute geht leider nicht, nächste Woche auch nicht – aber ich melde mich etc." auf Toleranz und Verständnis stösst.
Ich versuche mir das immer wieder bewusst zu machen – Weihnachten ist ein guter Moment dafür.
Thomas Zysset, Bolligen