Ein Plädoyer für mehr Junge im Grossen Rat
Es mag einige von Ihnen erstaunen, aber es hat im Grossen Rat nicht sehr lange gedauert, bis ich mich nicht mehr jung gefühlt habe. Als ich mit 24 Jahren zur Grossrätin gewählt wurde, war ich für einen Moment die Jüngste in unserem Kantonsparlament – neben ein paar weiteren U30er*innen. Knapp zwei Jahre später aber wurden fünf (richtig!) junge Politiker*innen direkt ins Parlament oder auf Listenplätze gewählt, die ein Nachrücken erlauben würden.
Und mit Laurin Hoppler, Fina Girard und Anouk Feurer wurde bei den Wahlen vor vier Jahren das "Jung" nochmals neu definiert. Die Jahrgänge sind haarsträubend für alle Menschen mit Geburtsdatum im 20. Jahrhundert. 2000 und 2001 – das ist das neue Jung in unserem Parlament!
Entsprechend schnell bin ich alt geworden. Mit Dreissig und gut fünf Amtsjahren im Grossen Rat habe ich meinen Erfahrungs-Rucksack schon gut gefüllt. Denn das Parlament ist auch ein riesiges Wissensbecken. Dieses Wissen macht man sich im besten Fall zu eigen. Die Lernkurve ist jedenfalls steil.
Wir brauchen mehr junge Grossrät*innen über alle Parteien hinweg.
Trotzdem und vielleicht auch gerade deswegen bewundere ich all die jungen und besonders die sehr jungen Menschen, die sich politisch engagieren und mit knapp 20 Jahren in ein Parlament gewählt werden.
Und ich kann aus Überzeugung sagen: Sie sind richtig da, und es braucht viel mehr von ihnen. Und klar, ich wünsche mir mehr junge Grüne, aber ich meine es ganz grundsätzlich: Wir brauchen mehr junge Grossrät*innen über alle Parteien hinweg.
Wir sagen es so oft: Die Parlamente entscheiden heute über Projekte, die in ferner Zukunft umgesetzt werden oder ihre Wirkung entfalten. Deshalb brauchen wir unbedingt die Perspektiven der Jungen.
Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel machen: Ich sass in einer Kommissionssitzung, und wir liessen uns das Herzstück präsentieren. Alle (inklusive mir) in der Kommission wären bei der Inbetriebnahme des Herzstücks 50+ (ich) oder halt eben 70 bis 90+. Klar, das ist ein Generationenprojekt und braucht seine Zeit. Und doch: Für wen bauen und entwickeln wir diesen Kanton eigentlich? Wer erlebt die geplanten Projekte?
Selbstverständlich ist es wichtig, dass alle Altersklassen in unserem Kantonsparlament vertreten sind. Nur so kann eine Demokratie funktionieren. Aber: Unser Parlament ist überaltert. Fünf Mitglieder des Grossen Rats sind unter 30 Jahre alt, gerade mal deren drei unter 25. Im Kanton Basel Stadt waren aber im Jahr 2023 14 Prozent der Einwohner*innen zwischen 18 und 30 Jahre alt.
Da sieht man das Problem schnell: Für eine einigermassen repräsentative Altersvertretung dieser Generation würde es im Grossen Rat noch zehn Personen unter 30 vertragen.
Junge Menschen wachsen mit dem Vertrauen, das man ihnen entgegenbringt.
Junge Menschen engagieren sich aber nicht von alleine. Auch wenn das der Wunschvorstellung der Bevölkerung entspricht. Wie oft sagen Sie den jungen Menschen um sicher herum, die sich politisch engagieren – ob für ein Thema, in einer Bewegung oder in einer Partei –, dass Sie stolz auf sie sind? Wie oft unterstützen Sie in Ihrem beruflichen Umfeld junge Menschen beim Ausüben eines politischen Amts?
Junge Menschen wachsen mit dem Vertrauen, das man ihnen entgegenbringt. Vielleicht ist dieses Vertrauen, diese Unterstützung gerade dann wichtig, wenn sie noch nicht beweisen konnten, dass es sich lohnt. Das ist gerade bei einer Wahl für ein politisches Amt so wichtig.
Nehmen Sie die Jungen in ihrem Umfeld ernst, auch dann, wenn Sie nicht gleicher Meinung sind! Dann können Sie beobachten, wie es immer mehr werden, die sich politisch engagieren. Sie können zuschauen, wie die jungen Menschen an den Herausforderungen wachsen. Und auch, wie sie daran scheitern. Auch dann ist es wichtig, da zu sein – als Stütze, als Wegweiser oder mit einem offenen Ohr.
Sich politisch einzusetzen, verlangt einem viel ab. Und ich behaupte jetzt mal aus eigener Erfahrung: besonders jungen Menschen. Sie geben viel Freizeit und Freiraum für dieses Engagement auf. Sie verzichten auf Arbeitserfahrung im Beruf und wilde Ausflüge in andere Welten. Sie lernen aber auch sehr viel dazu und gewinnen Erfahrungen, die andere in ihrem Alter erst Jahre später machen.
Geben Sie ihnen den Vertrauensvorschuss, den Sie selbst gerne gehabt hätten. Und vor allem: Wählen Sie junge Menschen! Mir ist es eigentlich fast egal, aus welcher Partei.
Weil es mich echt beeindruckt, was Fina Girard, Anouk Feurer, Annina von Falkenstein und Laurin Hoppler in ihren wenigen Jahren als Grossrät*innen erreicht haben und wie sie sich für ihre Themen und unsere Gesellschaft engagieren. Sie sind aus dem Grossrats-Alltag kaum mehr wegzudenken und prägen die Politik unseres Kantons mit. Es braucht mehr von ihnen. Helfen Sie mit und wählen Sie jung!
23. September 2024