"Euro 08": Ein Tag Ausnahmezustand
So ein Glück, so ein Pech. Endlich Sommer, endlich tolle Stimmung in der "Euro"-City Basel. Über hunderttausend holländische Fans treiben die Stadt in den Ausnahmezustand. Leider nur für einen Tag. Es siegt die richtige Mannschaft, aber die falsche Fan-Gemeinde. Die Party bleibt ohne Nachspielzeit. Schon am nächsten Morgen ist der Zauber verwirkt, der Alltag zurück. Die Stadtreinigung fegt 40 Tonnen Abfall von den Strassen.
Keine Frage: Es wäre schön gewesen, die holländische Festfreude hätte noch einige Stunden länger das städtische Leben geprägt. Denn bisher war die Stimmung in der Host City doch eher gedrückt. Wochenlang mieses Wetter, mässig besuchte Fan-Zonen, enttäuschte Caterer, Beizer und Ladenbesitzer. Nicht selten standen mehr Helfer als Besucher in abgesperrten "Euro"-Zonen herum – ein trauriger Anblick. "Wir müssen unsere Klöpfer selber essen", klagte eine Stand-Mitarbeiterin in OnlineReports: "Wir werden fett und arm." Das war drastisch ausgedrückt. Doch ähnlich deprimiert tönte es von Wirten und Standbetreibern auch in anderen Medien.
Man sah sich phasenweise an einen Film erinnert, der unlängst auch in einem Basler Kino lief: "El baño del Papa". Die Tragikomödie erzählt die Geschichte einer Grenzstadt in Uruguay, die sich auf den Papstbesuch vorbereitet. Aufgeputscht durch die Berichterstattung in den Medien steigern sich die Stadtbewohner in eine verhängnisvolle Illusion hinein: Sie erwarten das grosse Geschäft, und ein jeder leert seine Sparbüchse, um am Strassenrand einen Verkaufsstand aufstellen zu können. Doch der himmlische Segen bleibt aus. Am Tag der Tage kommen zwar viele Reporter, aber nur wenige Pilger zum päpstlichen Date. Die Leute bleiben auf ihren Würsten sitzen.
Alles ist gut, denn alles wird besser: Die Verantwortlichen der Host City Basel beschwören in ihren Zwischenbilanzen die Kraft des positiven Denkens. Doch was ist gut und was ist besser? Das hängt natürlich von den Erwartungen ab. Studien der EM-Veranstalter rechneten mit einem Nettoumsatz von landesweit bis zu 1,5 Milliarden Franken und einer Wertschöpfung von mehreren Hundert Millionen. Hinzu komme die "beachtliche internationale Image- und Werbewirkung" einer Fussball-EM.
Inzwischen zeigt sich, was man schon anderswo erfahren hat: Ein internationales Fussball-Grossereignis kann zwar temporär schöne Stimmung schaffen, aber keine grossen Wunder bewirken. Wesentliche wirtschaftliche Impulse waren weder in Deutschland durch die WM 2006 noch in Portugal durch die EM 2004 auszumachen. Und wer erinnert sich noch an die Namen der jeweiligen EM- und WM-Austragungsorte in den beiden Ländern? Eben. Auch die Werbewirkung für die Gastgeberstädte hält sich in Grenzen. Das wird nach der "Euro 08" nicht viel anders sein.
Das ist einerseits ernüchternd, anderseits tröstlich. Trotz aller Kommerzialisierung bleibt die Fussball-Europameisterschaft ein Ereignis für den Moment, ebenso schön wie unberechenbar. Wer das grosse Geld erwartet hat, wird wohl enttäuscht sein. Wer sich auf spannende Spiele gefreut hat, kann zufrieden sein. Auch in Basel. So ein Pech, so ein Glück.
23. Juni 2008
"Kann man in Basel auch Ski fahren?"
Der Samstag war ein idealer Werbesport für Basel, und ich bin überzeugt, dass viele Gäste wieder einmal nach Basel kommen oder bei der Durchreise einen Zwischenstop einlegen werden. Die TV-Bilder der Mittleren Brücke an diesem herrlichen Tag mit den Tausenden Oranje-Supportern werden sich auch bei vielen Zuschauern in ganz Europa einprägen. Viele Gäste und Kunden haben geschwärmt von dieser tollen Stadt. Manchmal ist es gut, dieses Feedback von aussen zu hören, um dann mit einem starken Selbstbewusstsein sich der Möglichkeiten bewusst zu sein.
Südafrikanische Gäste fragten mich gestern gar, ob man im Winter denn Skifahren könnte in Basel, dann würden sie gerne wiederkommen.
Karl Linder, Basel