Viel Rauch um nichts
Was jammern sie, unsere Wirte! Rauchfreie Gaststätten? Das Aus für die Beizenkultur. Unbediente Fumoirs? Eine Zumutung. Und überhaupt: Die Umtriebe! Die Umsätze! Die Unkosten! Am besten wäre es wohl, wenn das nun auch in Basel knapp gutgeheissene Rauchverbot wieder in Asche zerfiele. Jedenfalls hofft man auf "grosszügige Übergangsfristen" bei der Einführung der rauchfreien Beiz. Doch was wünscht sich ein rauchender Gast?
Tief Luft holen. Hier schreibt kein Kostverächter. Im Gegenteil: Über die Jahrzehnte habe ich ganze Tabakfelder inhaliert. Seit rund 30 Jahren rauche ich täglich mindestens ein Päckchen. Das hat mich bisher schätzungsweise 40'000 Franken gekostet. Der grösste Teil davon ist als Tabaksteuer in die AHV entschwebt. Ein gutes Werk also. Und die Aussicht bleibt atemberaubend: Bis zu meinem 75. Geburtstag werden sich, Teuerung eingerechnet, weit über 100'000 Franken in Luft aufgelöst haben. Ich darf dann feierlich eine Zigarette auf meine insgesamt 1,6 Millionen Minuten des Rauchens anzünden. Sofern mir Puste bleibt. Das wären dann nämlich volle drei Jahre, die ich am Glimmstängel verbracht hätte. Die eine Hälfte im Vergnügen, die andere in der Gier der Sucht.
Kurzum: Ich rauche regelmässig, und ich bin gerne in gemütlichen Wirtshäusern zu Gast. Trotzdem finde ich das neue Rauchverbot gar nicht schlecht. Denn fremder und abgestandener Qualm ist auch für einen Raucher nichts Angenehmes. Wirklich genussvoll sind jeweils nur die vier, fünf ersten Züge vom eigenen Tabak. Zum Beispiel nach einem feinen Essen. Der Rest ist Suchtverhalten und Belästigung.
Ein rauchender Gast hat im wesentlichen vier Bedürfnisse: Er will ein angenehmes Ambiente, eine aufmerksame Bedienung, ein frisches Bier und gute Verköstigung. Und nebenbei: Einen Ort, an dem er ungestört seine Raucherware entzünden kann. Das muss nicht in der Gaststube sein. Man kann die Raucherpause problemlos in einem Fumoir verbringen, in einer Gartenterrasse oder, wenn’s sein muss, halt draussen vor der Tür. Hauptsache nichtraucherfrei.
Was soll daran so kompliziert sein? Im Ausland geht es. In mehreren Schweizer Kantonen auch. In den allermeisten Raucherhaushalten sowieso. Auch die rauchfreien Büros, Flugzeuge und Züge haben wir überlebt. Denn man findet neue Inseln des Glücks. In einer Raucherecke im Airport. Bei einem Aschenbecher auf dem Bahnsteig. Während der Filmpause vor dem Kino. Es lebt sich gut damit. Man weiss die Gesundbeter in wohltuender Distanz, knüpft neue Kontakte, geniesst die kurzen, erholsamen Pausen. Es stört nichts Militantes, nichts Politisch-Korrektes. Höchstens die eigene Sucht.
Also, Zigarette ausgedrückt. Das Rauchverbot in Gaststätten ist zwar das Ende einer Gewohnheit, aber gewiss keine Bedrohung für die Beizenkultur. Es könnte hingegen Anlass sein, den miefigen Teil der Gastronomie mal richtig durchzulüften. Auch in Basel.
6. Oktober 2008
"Chapeau, dass Sie das Gute sehen"
Das Volk hat abgestimmt, es gilt das Rauchverbot.
Wunderbar Herr Bachman, dass Sie sich als Raucher nicht daran stossen, dass in Basler Beizen, in Spitälern, im Flugzeug etc. nicht mehr geraucht werden darf. Chapeau, Sie leben nach dem Grundsatz, das Gute zu sehen. Dafür sind Ihnen das Service-Personal, Menschen mit Augenproblemen, Asthmatiker etc. dankbar. Herrliche Zeiten, ein Kaffee zu betreten, ohne dass uns eine Rauchwolke entgegenkommt! Ich gestehe allerdings, dass ich den Duft des Tabaks eines Pfeiffenrauchers in der freien Natur nicht verachte, denn "dieses Parfum" riecht oftmals himmlisch.
Yvonne Rueff-Bloch, Basel
"Rauch- und Spunten-frei"
Wohlan, Herr Bachmann. Dann lüften wir mal zünftig durch, z.B. im "Hahn", im "Schiefen Eck", in der "Rio Bar" oder im "Schafeck". Es lebe die neue Basler Beizenkultur: Rauch- und Spunten-frei!
Pius Marrer, Basel
"Was kommt als Nächstes?"
Interessant, dass Ivo Bachmann die Überzeugung vertritt, dass es absolut rein gar kein Problem ist, wenn dekretiert wird, wie Personen - "in gutem Geschmack" - zu leben haben. Was kommt wohl als Nächstes? Eventuell ein Verbot von kritischem, unabhängigem Journalismus, wie ihn OnlineReports hoch erfreulicher- und dankenswerterweise seit zehn Jahren pflegt? Denn gewiss ist: Das Leben ohne ihn wäre sehr viel "harmonischer und also gesünder". Für die BaZ, für den einen oder anderen Grossratspräsidenten, für Politiker - voilà: für die grosse Mehrheit!
Patric C. Friedlin, Basel
"Beizenkultur kann sich mit Verboten nicht entwickeln"
Oh Nein – so einfach ist das nicht! Ein Verbot, das einfach in das Hausrecht (der Wirte) eingreift, kann man nicht mit gutgemeinten, aber den Kern des Problems verfehlenden "positiven Seiten" gutreden. Ein demokratischer Staat, der damit beginnt, seinen Minderheiten die Grundrechte einzuschränken, verirrt sich! Die Minarettverbots-Initiative geht in die gleiche, falsche Richtung. Es ist das Ende der (direkten) Demokratie, wenn (knappe) Mehrheiten beliebig den Minderheiten Ge- und Verbote diktieren können! Es geht gar nicht um "Raucher", sondern schlicht nur darum, wie man sicherstellen kann, dass Nichtraucher nicht irrtümlich oder gezwungenermassen den Tabakrauch anderer einatmen müssen. Das Gebot, an einem Lokal aussen anzuschreiben, ob innen geraucht wird oder nicht, reichte vollkommen aus. Das Gleiche trifft auch auf Arbeitsverträge zu. Es gibt keine Rechtfertigung für obrigkeitliche Ver- und Gebote, wenn man ohne sie auskommen kann resp. wenn es mit weniger auch ginge! "Beizenkultur" – wie jede Form von Kultur – kann schon gar nicht durch Verbote positiv entwickelt werden.
Peter Waldner, Basel
"Herr Bachmann betet eine Propaganda-Lüge nach"
Ich verstehe, dass sich manche Leute an Tabakrauch stören. Das ist ein akzeptabler Grund für mehr rauchfreie Lokale, rechtfertigt aber nicht ein kategorisches gesetzliches Verbot. Unbediente Fumoirs sind für die meisten Betriebe keine Alternative, weil sie aus räumlichen, finanziellen oder konzeptionellen Gründen nicht eingerichtet werden können.
In Speiselokalen wird schon heute während der Essenszeiten kaum mehr geraucht, doch auch sie werden unter dem Rauchverbot leiden, weil die zweite Flasche Wein, der Kaffee oder die Grappa-Runde teilweise ins Private verlagert werden. Stark betroffen vom kategorischen Rauchverbot sind in erster Linie die getränkegeprägte Kleingastronomie und Unterhaltungsbetriebe: Das sind in Basel immerhin fast 400 von 830 Lokale.
Vor der Tür zu rauchen ist vielleicht im Sommer eine Möglichkeit, es wird aber vielerorts zu massiven Lärmproblemen führen. Das ewige Rein und Raus wird der Gemütlichkeit nicht förderlich sein.
Büros, Kinos, Flugzeuge oder Züge können nicht mit Restaurants und Bars verglichen werden. Im Gastgewerbe geht es eben nicht nur darum, von A nach B zu gelangen. Es ist ein Unterschied, ob Sie einmal pro Jahr nach Amerika fliegen oder täglich am Feierabend ihr Bierchen in der Stammkneipe trinken. Das Rauchverbot ist ein massiver Eingriff in die persönliche Lebensführung von Rauchern.
In Treffpunktlokalen geht es um Geselligkeit und Lebensfreude. Nun haben die Leute verschiedene Ansichten darüber, was genussvoll und gemütlich ist. Genau deshalb braucht es Lokale für Raucher und für Nichtraucher. Das Gastgewerbe wird dauerhaft unter seinem Potential arbeiten, wenn es nicht möglich ist, beide Gruppen glücklich zu machen.
Noch etwas: Im Ausland funktioniert es eben nicht. Herr Bachmann betet hier einfach eine Propaganda-Lüge der Tabakgegner nach. Die oben genannten Probleme konnte man bis zum Entscheid des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland sehr gut beobachten. In Irland ist jedes zehnte Pub zugegangen. In Frankreich sind viele kleine Bistros davor, ihre Türen endgültig zu schliessen. Und aus Italien gibt es keine verlässlichen Zahlen, was aber noch lange nicht beweist, dass es funktioniert. Erfahrungsberichte aus nicht-touristischen Gebieten lassen das Gegenteil befürchten.
Maurus Ebneter, Vorstands-Delegierter Wirteveband Basel-Stadt, Basel
"Durchlüftung im Kopf"
Das nennt man Toleranz! Und ... sie beginnt im Kopf, wo meistens das "Entweder-Oder"-Prinzip unser Denken bestimmt. Dieses ist der Feind der Vielfalt. Das "Sowohl-als-Auch" hingegen ist beste Medizin gegen die Einfalt und lässt Beziehungen gelingen. Wie jedes Ding im Leben hat auch diese Sicht zwei Seiten: Das Gute vom Schlechten und das Schlechte vom Guten. Somit auch eine Durchlüftung im Kopf.
Bruno Rossi, Gelterkinden
"Endlich kommen die realistischen Kommentare"
Danke, Ivo Bachmann! Nachdem sich der erste Pulverdampf nach der knappen Abstimmung verzogen hat, kommen nun endlich die realistischen Kommentare von Rauchern, die sich wohltuend von den bisherigen, trotzig enttäuschten Statements abheben. Weder haben wir den Sozialismus eingeführt, noch wollen wir die Raucher an ihrem Suchtverhalten hindern; wir wollen nur die negativen, für uns Nichtraucher unangenehmen Begleiterscheinungen im Ausgang gemindert haben. Vielen Dank an alle Raucher, die ohne Trotzreaktionen bereit sind, auf ihr bisheriges Gewohnheitsrecht zu verzichten, überall rauchen zu können.
Thomas Oberhänsli, Basel