Werbung

© Foto by OnlineReports.ch
"Keine gesamtheitliche Betrachtung": Sicherheitsexperten Schüpbach, Uster

Nach UPK-Flucht und Amok-Fahrt: Klinik-Leitung gesteht Fehler ein

Expertenbericht verlangt mehr Sicherheit und bessere Information über potenziell gefährliche Patienten in geschlossenen Abteilungen


Von Peter Knechtli


Die dramatische Blut-Fahrt eines entwichenen Patienten der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) in Basel hat Folgen: Eine Experten-Studie übt deutliche Kritik am Sicherheitskonzept der geschlossenen Abteilungen und schlägt Massnahmen vor, wie die Risiken beträchtlich vermindert werden könnten.


Noch immer mit Schrecken erinnert sich Basel an den 13. März: Ein 27-jähriger in der Schweiz geborener Mazedonier entreisst um 18.13 Uhr einer Praktikantin der geschlossenen forensisch-psychiatrischen Abteilung den Schlüssel und haut ab. Auf seiner Flucht kapert er wenig später ein Auto und setzt zu einer wilden Fahrt durch die Stadt an. Sieben Personen verletzt er dabei, eine Frau fährt er auf der Mittleren Brücke zu Tode. Beim "Café Spitz" ist seine Horror-Fahrt zu Ende. Der verwirrte Mann wird festgenommen.

Wachstum stärker als Sicherheits-Denken

Heute Donnerstag, siebeneinhalb Monate später, wird klar, weshalb es zur verheerenden Flucht aus der geschlossenen UPK-Abteilung kommen konnte. Im Auftrag des Klinik-Verwaltungsrates präsentierten zwei Auditoren – der ehemalige Zuger Sicherheitsdirektor Hanspeter Uster, der beim Attentat auf eine Kantonsratssitzung im Herbst 2001 schwer verletzt wurde, und der Berater Beat Schüpbach, früherer Baselbieter Polizei-Vizekommandant – eine Kurzfassung ihres Schlussberichts.

Darin kommen die beiden Autoren nach einer eingehenden Aktenanalyse und 33 Befragungen zum Schluss, dass die Sicherheits-Standards letzten März nicht mit dem Wachstum der forensischen Abteilung von 16 auf 38 belegte Betten innerhalb der letzten zwanzig Jahren Schritt hielt. In der Klinik habe "keine gesamtheitliche Betrachtung" im Sinne eines Risk-Managements stattgefunden. Ihr fehle "ein vollständiges und umfassendes, auf einer Risikoanalyse mit Referenzgrössen abgestütztes Sicherheitskonzept".

Informations-Lücken

Was mit technischen Begriffen eher milde daherkommt, ist in Wirklichkeit eine recht fundamentale Kritik am damaligen Sicherheits-Denken. So seien die notwendigen Gefässe zum Austausch von relevanten Informationen "theoretisch" vorhanden gewesen. Noch heute aber sei "der hierarchiefreie Austausch in den Rapporten, Besprechungen und Sitzungen nicht zu jedem Zeitpunkt gewährleistet". Ausgedeutscht heisst das: Die linke Hand wusste nicht, was die rechte tut. Mit einer verbesserten Risikobeurteilung hätte die damalige Situation des Ausbrechers "zeitgerechter erfasst und beurteilt werden können".

Die beiden Auditoren stellten auch fest, dass sich der Täter Sicherheits-Defizite an der Stations-Türe zunutze machte: Der – inzwischen veränderte – Schliessmechanismus brauchte rund drei Sekunden, bis er einrastete. Hier wurde kurz nach der Flucht eine Schleusenfunktion eingerichtet. Zudem soll ein weiteres Erkennungsmerkmal wie die Eingabe eines Codes eingeführt. Die Experten stellten überdies fest, dass eine Seitentüre, die nur in Spezialfällen benutzt werden sollte, "in der Praxis regelmässig durch Pflegende und andere Mitarbeiter benutzt" wurde.

Von der Ohrfeige bis zur Morddrohung

Aus den Erhebungen der Auditoren wird deutlicher als bisher bekannt, dass es sich beim Auto-Täter um ein sehr hohes Risiko gehandelt hatte: Erst entfernte er sich während eines begleiteten Ausgang ohne Erlaubnis von der Gruppe, dann kann es zu einer Sachbeschädigung und zu Morddrohungen und Gewalt gegen einen Mitpatienten. Nach einem Gefängnisaufenthalt in Arlesheim hielt er die Regeln erneut nicht mehr ein. Später gab er einem Patienten eine Ohrfeige, bevor er vier Tage von der Tat beim Öffnen der Stationstüre (wohl durch eine Fachkraft) einen Fluchtversuch unternahm und immerhin schon bis in den Vorraum gelangte.

Vordringlich ist nach Meinung der Experten eine Risikoanalyse und darauf aufbauend ein Sicherheitskonzept. Dazu gehört auch ein Flaggen-System – ob physisch oder informell – zur Markierung aktueller Risiken und Massnahmen. Weiter sollen als Sofortmassnahmen die Sicherheits-Standards des Strafvollzugs-Konkordates "als Übergangslösung" adaptiert und der Sicherheitszaun im Spaziergarten sowie das Schlüsselkonzept überprüft werden. Auch ohne den Grundsatz der "Nähe zum Patienten" aufzugeben, soll ein neues Sicherheits-Verständnis in den Abteilungen Einzug halten.

Klinik-Leitung offen für Vorschläge

Bemerkenswert ist, dass die UPK-Verantwortlichen an der Medienkonferenz offen informierten und sich vorbehaltlos hinter die vorgeschlagenen Massnahmen stellten. Sie betonten aber, dass die Klinik auch künftig kein Gefängnis sein soll, und dass die mögliche Entweichung von Patienten unweigerlich ein "immanenter Teil" (so Chefarzt Marc Graf) der forensischen Abteilung sei. Ebenso müsse bei einer Verschärfung der "Durchlässigkeit" beachtet werden, dass dadurch im Notfall rasche physische oder medizinische Hilfe nicht beeinträchtigt werden dürfe.

In den letzten zwanzig Jahren kam es in der Forensischen Abteilung zu vier Ausbrüchen von Patienten, die die Abteilung nicht verlassen dürfen und so genannten "Abteilungsstauts" haben. Seit dem 13. März sind drei Jugendliche aus den geschlossenen Abteilung abgehauen: einer im begleiteten Ausgang, einer im unbegleiteten Ausgang; Anfang Oktober vereitelte das Personal noch auf dem Areal einen Flutversuch im begleiteten Ausgang.

UPK-Präsident Konrad Widmer räumte offen eine "Mitverantwortung" und eine "moralische Mitschuld" der Klinik an der Flucht und somit an den Folgen ein. "Bis jetzt" seien an die Klinik weder Schadenersatz- noch Genugtuungsforderungen gestellt worden. Der Täter, gegen den strafrechtlich ermittelt wird, befindet sich im Basler Untersuchungsgefängnis "Waaghof".

Die UPK beteuern, die Vorschläge umsetzen zu wollen und alles zu tun, "damit sich ein solch tragischer Vorfall nicht wiederholen kann".

1. November 2012

Weiterführende Links:


 Ihre Meinung zu diesem Artikel
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)

Was Sie auch noch interessieren könnte

Kitas in Baselland: Personal und Eltern wandern in die Stadt ab

26. März 2024

Eine Kita-Allianz will verhindern, dass die Situation noch prekärer wird.


Reaktionen

Permatrend muss nach
über 46 Jahren schliessen

22. März 2024

Mit dem Textildruck-Betrieb geht auch ein Stück Baselbieter Unternehmensgeschichte.
 


Regierung kontert den
Herr-im-Haus-Standpunkt

22. März 2024

Peter Knechtli zur Unterschutz-Stellung
der verwüsteten Sissacher Tschudy-Villa.


Tschudy-Villa steht jetzt
unter Denkmalschutz

12. März 2024

Der Eigentümer muss das teils abgerissene Gebäude in Sissach wieder aufbauen.


Roger Blum wirft bz
Besprechungs-Boykott vor

8. März 2024

Relevante Ereignisse bleiben in Basler
Leitmedien immer häufiger unbeachtet.


Reaktionen

Bruderholz-Quartier blockiert Neubau der Tramstrecke

6. März 2024

Trotz Plangenehmigung kann das Projekt
nicht realisiert werden.


Reaktionen

Gemeindewahlen Baselland:
Niederlagen für den Freisinn

3. März 2024

In Waldenburg verpasst Gemeindepräsidentin Andrea Kaufmann die Wiederwahl. 


Es zählt nicht nur
die Rhetorik

3. März 2024

Kommentar: Atici hat die Zweifel an seinen Sprachkenntnissen ausgeräumt.


Regierungs-Wahlkampf in Basel:
die spannendsten Momente

29. Februar 2024

So haben sich Atici, Urgese, Thiriet und Cramer geschlagen – die Übersicht.


Reaktionen

Heikle Wahl-Werbung
auf dem Handy

28. Februar 2024

Problematisch: SP und Bider & Tanner versenden SMS von derselben Nummer.


www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

Veranstaltungs-Hinweis

 

Ein zärtlicher Irrsinn

Nach achtjähriger Abwesenheit kehrt Avery Sutton mit seiner Verlobten Gillian zu seiner Familie zurück. Was von da an passiert, muss man gesehen haben.

Mit "37 Ansichtskarten" von Michael McKeever winkt den Zuschauerinnen und Zuschauern eine zauberhaft schwarze Komödie mit berührenden Momenten und angenehmer Unterhaltung. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Vorverkauf hier:
www.theater-rampenlicht.ch

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).