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400'000 Franken: Der christliche Kassen-Griff vor StrafgerichtStaatsanwalt fordert zweieinhalb Jahre für die frühere Finanzchefin der Kirchgemeinde Grellingen und der CVP Baselland Von Peter Knechtli Im Veruntreuungs-Prozess um die ehemalige Finanzchefin der katholischen Kirchgemeinde Grellingen und der CVP Baselland forderte der Staatsanwalt heute Dienstag eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe. Die Hauptverhandlung hinterliess, was die Klärung der Kassen-Griffe betrifft, einen schalen Nachgeschmack. Vor Strafgericht stand die heute 49-jährige ehemalige Kassierin der römisch-katholischen Kirchgemeinde Grellingen und der CVP Baselland mit Einzelzeichnungs-Berechtigung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr mehrfache Veruntreuung, Urkundenfälschung und falsche Anschuldigung vor.
Nach mehreren Verschiebungen der Hauptverhandlung begann der erste von zwei Prozesstagen heute Dienstagmorgen damit, dass Theodor Seitz, der Pflichtverteidiger der Angeklagten, eine Reihe von Anträgen stellte mit dem Ziel, die Anklage zurückzuweisen.
Ebenso monierte er die Verletzung des rechtlichen Gehörs, bestritt eine Fälschung der Unterschrift der Kirchgemeinde-Präsidentin und monierte, dass mögliche Manipulationen am Computer der Beschuldigten nicht untersucht worden seien. Das Gericht wies die Anträge vollumfänglich ab. Aus Beobachtersicht entwickelte sich die Gerichtsverhandlung unter dem Vorsitz von Irene Laeuchli nun eher zäh und mit wenig Aussicht auf Klärung. Die Angeklagte, dem Vernehmen nach Maserati-Fahrerin mit staatlich finanziertem Pflichtverteidiger, blieb wortkarg oder verweigerte die Aussage, was ihr Recht ist. Sie wirkte wie emotional eingefroren.
Aus dem Kontext der Verhandlung wurde nun erklärbar, dass die Ex-Finanzchefin die in das Country- und Western-Lokal "Little Nashville" investierten "Darlehen" durch eine in Aussicht stehende Millionen-Erbschaft ihrer Mitgesellschafterin D. S. ohne Schuldbewusstsein für legitim und die Rückzahlbarkeit für gesichert hielt.
So blieb offen, ob ihr unergiebiger Auftritt Hilflosigkeit oder Kalkül entsprang. Wiederholt belastete die Angeklagte ihre damalige Kirchen-Chefin. Ohne deren Wissen habe sie keine Zahlungen vorgenommen. Eine beanstandete Selbstauszahlung in Höhe von 15'000 Franken rechtfertigte sie ohne nähere Begründung mit "Vorleistungen und Sitzungsgeldern, die ich zugute hatte".
Eine Aktennotiz, die mit der laut Anklage gefälschten Unterschrift der Präsidentin Pabst versehen war, trug den Namen "stilles Darlehen" und sollte eine geheime Finanzhilfe von 350'000 Franken an die "Little Nashville"-Miteignerin D. S. legitimieren. Ein Richter verwundert: "Was ist ein stilles Darlehen?" Offenbar sollte verhindert werden, dass die Kirchgemeinde von der Geldvermittlung Wind bekommt.
Dabei war die Kirchgemeinde so klamm, dass sie die Rechnungen der an Pfarrhaus und Kirchturm beschäftigten Handwerker nicht mehr zahlen konnte. Gleichzeitig aber liessen wiederholt fette Beträge die privaten Konten der Finanz-Verantwortlichen anschwellen.
Vor Gericht erklärte die Betriebswirtschafterin, sie habe ihre Kontoauszüge "nie überprüft". Auf die Frage von Peter Bürkli, dem Anwalt der Kirchgemeinde, ob ihr die Grenze ihrer Finanzkompetenzen bewusst gewesen sei, meinte sie, diese seien ihr "nicht präsent" gewesen.
Staatsanwalt János Fábián drehte den Spiess um, sprach von einer hohen Deliktsumme, von "in seltenem Ausmass gesehenen Lügen" und von "hoher krimineller Energie". Die Beschuldigte sei "in grösstem Mass unglaubwürdig", sie habe sich "skrupellos mit Geld bedient an Orten, wo es vorhanden war", und sogar versucht, eine Strafverfolgung gegen ihre Präsidentin Pabst herbeizuführen. Die Hacker-Story bewertete er als "widersprüchlich und abstrus".
Er forderte wegen Veruntreuung, Urkundenfälschung und falscher Anschuldigung eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, wovon ein halbes Jahr abzusitzen sei. Die damalige Finanzchefin habe das in sie gesetzte Vertrauen mit "erfundenen Stories" missbraucht" und erst noch als Mitglied einer Behörde "nicht im Geringsten Einsicht in ihre Lügengeschichten" gezeigt.
Die Angeklagte hat die 400'000 Franken, die sie aus Kirchen- und CVP-Kasse abzweigte, inzwischen zwar vollumfänglich zurückbezahlt. Aber die Geschädigten machen Folgeforderungen für Anwaltskosten, weitere Entschädigungen und Zinsen in Höhe von rund 100'000 Franken geltend, nachdem sie auf eine Desinteresse-Erklärung nicht eingegangen waren. Ein Vergleichsvorschlag der Angeklagten sei laut CVP-Anwältin Marie-Caroline Messerli "inakzeptabel" gewesen.
Zusammen mit den Verfahrenskosten könnten laut Staatsanwalt Forderungen in Höhe von 200'000 Franken zu erwarten sein. Unter anderem habe die Beschuldigte dereinst auch die Anwaltskosten zu übernehmen, der derzeit der Staat vorschiesst. Deshalb seien die blockierten Vermögenswerte einzuziehen.
Von all dem wollte der Verteidiger nichts wissen. Mit den Rückzahlungen seien "die Tatbestände ohnehin nicht mehr gegeben". In seinem länglichen Plädoyer machte der Zürcher Anwalt nicht das geringste Zugeständnis und bestritt die Vorwürfe kategorisch. Seine Mandantin sei "von Schuld und Strafe freizusprechen" und das Verfahren einzustellen.
Der Anklage warf er "prozessuale Fehler" und "Voreingenommenheit" vor und meinte, von einer Schädigung durch Bereicherungsabsicht seiner Mandantin könne "keine Rede" sein: "Vieles steht unerwidert und unbewiesen im Raum." Urteilsverkündung ist am Mittwoch kommender Woche.
Noch ein Wort zu den suboptimalen Arbeitsbedingungen für Journalisten, die der Verhandlung aus Corona-Gründen in einem Nebenraum ab Video zu folgen hatten. Die Bildauflösung ist so miserabel, dass die Agierenden kaum zu erkennen sind (mit Maske erst recht nicht) – die Bildausschnitte sind so selektiv eingestellt, dass nur Teile des Gerichts und der Verteidigung zu sehen sind. Teile von Voten mit wiederholt ausgeschalteten Mikrophonen waren nicht hörbar.
Und an die geschätzte erfahrene Gerichtspräsidentin Irene Laeuchli ergeht der Wunsch, dass sie sich zu Verhandlungsbeginn kurz mit Namen vorstellt. Sie sagte, ihr Name sei ja "aufgrund der Vorladung bekannt". Bei allem Respekt: Medienschaffende kommen immer noch freiwillig und ohne "Vorladung" zur Gerichtsverhandlung. 18. Mai 2021
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