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Der tragische Tod eines Teenagers im Seltisberger Kinderheim

Sexuelle Nöte eines Heranwachsenden im Kinderheim "Auf Berg" wurden nie fachlich untersucht


Von Marc Gusewski


Der tödliche Unfall im Seltisberger Kinderheim "Auf Berg" vor gut zwei Jahren wirft zahlreiche Fragen auf, denen nie gründlich nachgegangen wurde. Das damalige Vorgehen des Katholischen Fürsorgevereins und der Kantonalen Fachstelle für Heime wirft erneut ein schiefes Licht auf die Verantwortlichen.


Berthold C.* hatte noch sein ganzes Leben vor sich. Er war ein eher ruhiger Typ und ein stiller "Chrampfer", der hart für Resultate arbeitete. Er war nicht der glatte Kumpeltyp, aber hatte er einmal Vertrauen gefasst, war er der solideste Freund und Helfer. Er galt im Seltisberger Kinderheim "Auf Berg" als "Vorzeigekind" – doch ausgerechnet in dem Moment, wo der Achtzehnjährige Hilfe am Nötigsten gehabt hätte, versagten die Profis.

Der Teenager Berthold C. verbrachte seine Jugend weitgehend in Seltisberg. Seine Mutter hatte ihn der Institution anvertraut, weil sie in eine andauernde, persönliche Krise geraten war. Eine mit dem Fall vertraute Person schilderte diesen Entscheid so: "Ich hatte grosse Hochachtung vor dieser Frau. Es ist sehr selten, dass eine Mutter von sich aus Unzulänglichkeiten eingesteht und sich für die Angebote der externen Hilfe entscheidet. Keine Mutter gibt ihr Kind leichtfertig in eine Institution."

Nähe und Team-"Familien"

In diesem Fall wurde das Vertrauen der Mutter bitter erschüttert. Schicksal oder Systemversagen? OnlineReports sprach mit über 20 Insidern über den Fall und hat zum Schutz der Mutter und der Geschwister von Berthold C. die näheren Umstände unkenntlich gemacht.

Nach anfänglich harter Angewöhnungszeit fasste Berthold C. Vertrauen zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinderheims. Schritt für Schritt fand er zu einer Stabilität, die ihm das Leben bis dahin nur selten hatte vermitteln können.

Dann der Schock. Im Sommer 2005 erschütterten bis heute ungeklärte Ereignisse das Heim, in deren Folge Leiter Rolf Vökt sich "im gegenseitigen Einvernehmen" trennte. Er war zu dieser Zeit zu einer zentralen Art Vaterfigur für viele der Heranwachsenden geworden, darunter auch für Berthold C. So wurden die Teams zu dieser Zeit "Familien" genannt. Die dabei gepflegte "Nähe" war dabei auch immer wieder Gegenstand fachlicher Auseinandersetzungen, die teilweise gar zu Kündigungen führte. Das Vertrauen war so gross, dass zum Beispiel der PC mit Internetzugang in einem Einzelraum aufgestellt wurde, der unkontrollierten Zugang ins Netz erlaubte.

Trennung von der Vaterfigur

Im Herbst 2005 war dann plötzlich alles anders: Mit Vökt wurden führende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Und für die  Kinder und Jugendlichen brach eine in ihren Augen funktionierende Welt zusammen. Und das Schlimmste: Die Verantwortlichen schwiegen und verweigerten die wichtigste Frage: Warum?

Aus fachlicher Perspektive wurde ein in rund einem Jahrzehnt gewachsenes Bezugspersonennetz unvermittelt zerrissen. Die Mutter von Berthold C. erinnert sich: "Mein Sohn hatte plötzlich keine Ansprechperson mehr. Es war schlimm, weil keiner wusste, was los war." Dabei sind intakte Bindungsbezüge "das A und O einer funktionierenden stationären Kinder- und Jugendhilfemassnahme", so der renommierte "Bindungspsychologe" Roland Schleiffer von der Universität Köln. Eine Mitarbeiterin erinnert sich: "Das war die schrecklichste Zeit meines Lebens."

Kinder fühlten sich allein gelassen

Im Beziehungs-Chaos, das im Sommer und Frühherbst 2005 "Auf Berg" herrschte, fühlten sich viele Kinder und Jugendliche allein gelassen und auf ihre naturgemäss ohnehin zerbrechlichen Persönlichkeiten zurückgeworfen. Auch für Berthold C. ging einmal mehr die Welt unter und er zog sich in sich selbst zurück, unfähig seine wahren Gefühle der Unsicherheit und Angst auszudrücken.

Was in diesem Moment passiert, hat der Psychologe Roland Schleiffer erstmals wissenschaftlich beschrieben: Das Hilfeparadox. Heimkinder, die Hilfe am Nötigsten haben, sind am wenigsten in der Lage, diese abzurufen. Wenn dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Heims nur ungenügende Aufmerksamkeit zeigen, sind nach dieser wissenschaftlichen Auffassung Katastrophen so gut wie vorprogrammiert.

Verwarnung statt Hilfe in sexueller Not

Die Mutter von Berthold C. bemerkte dies instinktiv bei den Besuchen ihres Sohnes am Wochenende. In ihrer Besorgnis wandte sie sich an die kantonale Fachstelle Sonderschulung, Jugend- und Behindertenhilfe, die Heimaufsicht. Die Mutter erinnert sich: "Man hat mich nicht ernst genommen." Dabei waren die Warnzeichen unübersehbar geworden. Berthold C. hätte psychologischer Hilfe bedurft, doch niemand sorgte dafür, dass er diese auch wahrnahm. Ein anders Versäumnis war: Obwohl es darüber kontroverse Diskussionen gab, wurde ihm ein Zimmer im benachbarten Mutter-Kind-Heim zugewiesen, das räumlich vom stärker überwachten Heimbetrieb entfernt ist.

In dieser Zeit hatte Berthold C. versehentlich eine CD mit kompromittierenden Bildern sexueller Natur liegen lassen, die dem Personal in die Hände fallen musste. Doch statt ihm nun endlich Hilfe angedeihen zu lassen, wurde er scharf verwarnt. Dabei hatte er, wie viele Heranwachsende in diesem Alter, mit der eigenen, sich entwickelnden Sexualität Probleme. So probierte er eine so genannte "autoerotische Selbststrangulation" aus: Beim Geschlechtsverkehr oder einer Selbstbefriedigung wird gleichzeitig gewürgt – eine überaus gefährliche Praxis. Laut wissenschaftlichen Studien führt sie regelmässig zu tödlichen Unfällen typischerweise bei jungen Männern im Alter zwischen 12 und 25 Jahren.

"Tragischer Einzelfall"

Dies geschah auch hier. Im Klima "Auf Berg" war es aber nahezu unmöglich geworden, sexuelle Nöte zu thematisieren, wie Insider schildern. Im Fall von Berthold C. hatte dies tödliche Konsequenzen. Er starb im 19. Lebensjahr. Der Fall wurde bis heute nicht fachlich untersucht mit der Begründung - so René Broder, Leiter der zuständigen kantonalen Fachstelle -, es handle sich um einen "tragischen, aber isolierten Einzelfall".

 

* Name von der Redaktion geändert

13. März 2008

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"Waldenburg erhöht die Abgaben auf 72 Prozent (…). Dafür ist das Hallenbad gerettet."

BaZ
am 12. Februar 2025
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Kein Wunder, dass die 1150-Seelen-Gemeinde kein Geld mehr hat, wenn sie sich ein Hallenbad leistet.

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