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"Schlaftablette", "Trantüte": Schüler-Kommentare über Lehrer auf Website "lehrernoten.ch"

Schüler drehen den Noten-Spiess um

Aufruhr um Website, auf der Schüler ihren Lehrern schamlose Zensuren erteilen


Von Peter Knechtli


Unter der Lehrerschaft der Neuen Aarauer Kantonsschule herrscht Aufregung wie kaum zuvor: Ein Schüler publiziert im Internet eine Website, in denen Schüler für einmal ihre Lehrerinnen und Lehrer benoten und kommentieren. Wie der Online-Autoritätskonflikt gelöst wird, ist noch offen.


Stefan Ott aus Küttigen AG, Schüler der Neuen Kantonsschule Aarau, schwante nichts Gutes, als ihn Rektor Robert Kühnis auf vergangenen Dienstag in eine ausserordentliche Schulleitungssitzung zitierte.

Der 21jährige Mittelschüler hatte die Schul-Realität mit seiner Cyber-Leidenschaft verlinkt und am 19. Juni unter "www.lehrernoten.ch" eine Website aufgeschaltet, die brisanterweise "Schulnoten andersrum" (Werbeslogan) verteilt. Schüler benoten und qualifizieren - oft anonym, dafür ungeschminkt - ihre Lehrkräfte unter voller Namensnennung. Bereits griff die Qualifikationslust auf andere Bildungs-Treibhäuser in Zürich, Winterthur, Bülach, Reinach AG, Frick, Lenzburg oder Muttenz über. Immer zahlreicher dokumentieren Internet-Eleven ihre Bewunderung - oder das Gegenteil - der ihnen anvertrauten Pädagogen.

"Kasperli" und "Schlaftablette"

Die meisten Lehrkräfte ernten im Online-Zeugnis zwar Meriten; einige aber mutieren zu Schindern ("menschlich eine Niete"), Narren ("Hätte Kindergärtner oder Kasperli werden sollen, letzteres ist er zwar schon") oder Langweilerinnen ("Schlaftablette").

Entsprechend fiel die offizielle Reaktion an die Webmaster aus: Erboste Schulmeister drohen mit Klagen oder erwägen, die Stelle unter diesen Umständen aufzugeben. Andere protestierten per E-Mail oder verweigern identifizierbaren Schülern den Gruss. In Rektor Robert Kühnis Ansprache zur Maturandenfeier am Freitag war das Projekt, das "Lehrer zu Höchstleistungen anspornen soll" (Werbeslogan), ein Thema. Selbst Musterpädagogen, die unter den "Top ten" figurieren, halten das Projekt für "erschreckend schädlich". Es sei "eine andere Art von Diktatur" (Kühnis), wenn Lehrkräfte mit anonymen ehrverletzenden Kommentaren und manipulierten Benotungen öffentlich blossgestellt werden. Von einer "modernen Form des Prangers" spricht auch Hans-Jürg Roth, Leiter des Rechtsdienstes des Aargauer Erziehungsdepartementes. Websites dieser Art könnten dazu führen, "dass bestimmte Schulen sowohl von Schülern wie von Lehrkräften gemieden werden".

Juristen zeigen sich auch amüsiert

Nicht alle Juristen ringen der Website allerdings bitteren Ernst ab, sondern können sich gar einen gewissen Lustgewinn ob des "Uebermuts der Jugend" nicht verwehren und reden eher vergnügt von einer "gelungenen Sache". Ein anderer Kommentar: "Der Schüler, der das verbrochen hat, verdient eine '6' in Informatik."

Die "lehrernoten.ch" sind eine Zwei-Mann-Show von Schüler Stefan Ott und seinem gleichaltrigen Freund und früheren Schulkollegen Claude Henchoz, heute Angestellter der Informatikbranche. Henchoz war es, der in der amerikanischen Website teacherreview.com ein Vorbild für die deutsche Schweiz erkannte und zusammen mit dem ehemaligen Schulfreund und angefressenen Hobby-Informatiker Stefan Ott eine Deutschschweizer Version der Pädagogen-Kritik schuf.

Kanton will keine juristische Auseinandersetzung

Dass Schüler das Medium Internet zur Kommentierung ihrer Vorgesetzten nutzen, ist nicht neu. In Zürich wurden zwei Schüler wegen einer Homepage gegen die KV Zürich Business School an andere Berufsschulen strafversetzt. Ob dem Aarauer Web-Eleven Aehnliches droht, ist allerdings offen. Das schülerfreundliche Disziplinarrecht ist laut Rektor Kühnis "für solche Verstösse leider schlecht geeignet". Für ED-Jurist Roth, der anfänglich rechtliche Schritte sondierte, ist "der juristische Weg nicht der richtige". Vielmehr ortet er "Defizite in der Feedback-Kultur" und die Auseinandersetzung mit einem neuen Medien-Phänomen, das einen "Konsens verlangt, der allen Seiten gerecht wird".

Da trifft sich Roth mit Schüler Ott, der meint: "Das Hauptmotiv unserer Website entspringt der mangelden Möglichkeit, den Lehrkräften offizieller oder inoffizieller Form ein Feedback zu geben."

Expansion geplant

Nach dem ersten Lehrer-Schuss vor ihren Bug wollen die Site-Betreiber künftig mit einem System von User-Namen und Passwort anonyme Attacken verhindern. Doch sie wollen weiter machen und ihre Website mit Kultpotenzial gar in die französisch- und italienischsprachige Schweiz ausdehnen. Ueberdies war der Ansturm mit über tausend Besuchen in zehn Tagen so gross, dass ein leistungsfähigerer Server erforderlich wird. Doch so weit kam es erst gar nicht: Mittlerweile eskalierte der Online-Autoritätskonflikt auf eine Art, dass die Betreiber beschlossen, die gesammelten Daten von ihrer Homepage zu entfernen und ab einem ausländischen Server anbieten.

1. Juli 2000


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Der Basler Stern 2024 geht
an den "Floss"-Kapitän
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