Der Bücherschaft wird zum Auslaufmodell
Wenn ich zusammenzähle, wie viel Platz die Bücher in den Regalen bei mir zu Hause einnehmen – Jahrbücher, Krimis, Romane, Lexikons und fremdsprachliche Wörterbücher und so weiter – gerate ich ins Staunen. Wobei ich mir eingestehen muss, dass ich letztere kaum mehr zu Rate ziehe, weil ich beim Schreiben am Laptop die Antworten auf offene Fragen um einiges schneller, und erst noch bequemer, auf dem Internet suchen und meistens auch finden kann.
Dazu kommt, dass Bücher, neben ihren guten Eigenschaften als Zeitvertreiber und – je nach Gattung als Schlaumacher – auch eine schlechte Seite haben: Sie sind Staubfänger par exellence. Nicht selten muss ich mit einem über längere Zeit nicht hervor genommenen Nachschlagewerk als erstes raus auf die Terrasse um es durch mehrfaches Aufklappen und Zuschlagen oder unter Zuhilfenahme einer Kleiderbürste zu entstauben.
Und da das Staubwischen nicht zu meinen bevorzugten Beschäftigungen gehört (womit ich mich vermutlich in guter Gesellschaft befinde), braucht es einiges, bis ich trotzdem einmal den Dreitritt aus dem Keller hole und mich mit Staubtuch oder Staubsauger ans Werk mache. Dabei – ich muss es gestehen – geschieht es mir immer wieder, dass ich Bücher entdecke, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie besitze, und auch nicht, ob ich sie überhaupt je gelesen habe. Dann stellt sich mir die Gewissensfrage: zurück ins Regal, oder in die Bücherbrocki?
"Dann wird der Dreitritt zum Fuss-Schemel,
und die Lektüre kann fortgesetzt werden."
Um diese schwierige Wahl zu treffen, setze ich mich jeweils auf den Dreitritt und beginne in dem Buch zu schmökern. Und dann ist es passiert: Ich vertiefe mich in die Lektüre, bis mein Rücken nach einer Lehne schreit. Kein Problem, der gepolsterte Lehnstuhl ist nicht weit entfernt. Dann wird der Dreitritt zum Fuss-Schemel, und die Lektüre kann fortgesetzt werden. Zumindest bis mein Hund mir zu verstehen gibt, dass er dringend endlich mal wieder nach draussen muss.
Zurück vom Hundespaziergang stehe ich vor der kniffligen Frage, ob Kästners "Emil und die Detektive" reif ist für die Brockenstube oder nicht. Beim Nachdenken darüber sticht mir ein schon ziemlich abgegriffener Buchrücken ins Auge: "Durchs wilde Kurdistan" von Karl May!
Was habe ich mich mit meinen beiden Brüdern darum gestritten, wer das Karl May-Buch, das wir von den Grosseltern jeweils zu Weihnachten geschenkt bekamen, zuerst lesen darf. Oder "Das fliegende Klassenzimmer", wieder von Kästner. Das sei nichts für Mädchen, sagten sie, wohl wissend, dass sie mich damit zur Weissglut trieben, denn ich fand, Mädchenbücher seien viel zu brav, langweilig und fad und somit nichts für mich.
Zum Glück ging damals in unserem Quartier eine Bibliothekfiliale der "Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige" (GGG) auf. Ich wünschte mir ein Abonnement, bekam es zum nächsten Geburtstag und wurde bald zur Stammkundin. Später, als ich bereits einen recht umfassenden Überblick über den Buchbestand hatte, bekleidete ich zu Stosszeiten sogar das Amt einer "Hilfsbibliothekarin", womit ich nicht nur bei meinen Brüdern Eindruck schinden konnte, sondern dafür gar ein kleines Honorar bekam.
Eine weiterer grosser Vorteil der Ausleihe bei der Bibliothek war, und ist es für mich bis heute für mich, dass die Bücher einer öffentlichen Bibliothek, nachdem man sie gelesen hat, wieder dorthin zurück gebracht werden müssen. Damit beanspruchen sie in meinem Bücherschaft weder Platz noch müssen sie abgestaubt werden.
Aber das Problem der verstaubten Bücher zu Hause wird sich bei den heute immer mehr aufkommenden elektronischen Büchern wohl ohnehin bald nicht mehr stellen. Allenfalls muss man sich mit Glasputztüchlein eindecken, um die Fingerabdrücke auf dem Bildschirm zu entfernen.
13. April 2015
"Eine besondere Beziehung"
Auch ich stehe immer wieder vor der Frage, was mache ich mit meinen vielen Büchern. Offen gestanden, es fällt mir sehr schwer, sie zu entsorgen. Durch das "Lesen", durch das "In den Händen halten" entsteht eine besondere Beziehung, die ich nicht ohne weiteres zu zerstören mag. So stapeln sie sich munter weiter, wobei ich mir bewusst bin, dass irgendwann eine Lösung gefunden werden muss.
Georg Schnell, Laufen
"Hunderten von Büchern und ein schöner Stuhl"
Ach, Corina. Wie immer lese ich Deine wunderbaren Kolumnen gerne und lebe meistens mit. Wie auch dieses Mal. Auch bei mir gibt es einen Keller mit Hunderten von Büchern und einem schönen Stuhl. Gerade jetzt, wo eine Abfallmulde vor unserem Haus steht (wie immer im Frühjahr), stellte sich bei mir die Frage nach dem "Entsorgen". Aber ehrlich: Solange ich lebe, werde ich Bücher anfassen, aufblättern, lesen, gar riechen und wieder ins Regal stellen wollen. Obwohl ich unterdessen auch viele Bücher höre, statt lese. Darum glaube ich Dir alles, wie immer: NUR DEINEN LETZTEN ABSATZ NICHT!!
Daniel Thiriet, Riehen