Theater Basel, Schauspielhaus
Deutschsprachige Erstaufführung
"Liebe und Geld"
Autor: Dennis Kelly
Regie: Elias Perrig
Bühne: Beate Fassnacht
Mit Andrea Bettini, Carina Braunschmidt, Inga Eickemeier, Mavie Hörbiger, Steve Karier, Barbara Lotzmann, Lorenz Nufer, Jörg Schröder, Bastian Semm
Abgesang auf den Materialismus
Beunruhigend sind Dennis Kellys Stücke-Titel: "Schutt", "After the End", "Osama the hero". Und bei "Geld und Liebe" hier im Schauspielhaus gähnt ein metertiefer Abgrund vor der Bühne.
Das sieht heimelig-gruselig aus: Ein roter stubengrosser Teppich umgeben vom grossen schwarzen Nichts. Unbekümmert turnt David (Bettini) da mittendrin auf der beängstigend schrägen Fläche und macht im Schlabberlook mit seinen teuren Saarinen-Tulpenfuss-Stühlen Stemmübungen; Designer-Luxus motzt Verwahrlosung auf. Wenn er vor Anstrengung ächzt, rezitiert er dazu vom Laptop einen intimen E-Mail-Briefwechsel mit der Französin Sandrine. Er mag sich noch so anstrengen, seine tieferen Gefühlsaffekte erreicht der Mann nicht mehr. Denn er schreibt seiner neuen Bett-Bekanntschaft, dass er seiner Frau Jess, die sich mit Tabletten umbringen wollte, zusätzlich Wodka eingeflösst habe, um sie endgültig zu töten, weil die Frau 70'000 Pfund Schulden gemacht hatte, und er aber den neuen Ford Mondeo kaufen wollte. Dieses Bekenntnis wird bei David, der seine amourösen Zeilen durchaus mit Business-Tipps aufpeppt, sogar unterschwellig zum Imponiergehabe.
Wie finstere Nacht lässt Regisseur Elias Perrig den schwarzen Vorhang nach jeder der sechs Szenen niedersausen. Zum technoiden Stimmenwirrwarr aus Radiosounds und Chorälen wird ein "Rückwärts"-Tastensymbol hingeblendet. Das Symbol wird zur Überchiffre: Wir können uns sogar zurück spulen in die Vorgeschichte der Tat. Aber auch: Es ist jederzeit alles vorhanden und griffbereit.
Sich bereitwillig geben für Geld, und mit Geld die Selbstachtung zurückkaufen wollen: Das ist die Achse der Selbstausbeutung in unserer materialistischen Zeit, die Kelly in seinen skurrilen Geschichten so erstaunlich einfach wie auch erstaunlich plastisch werden lässt. Das betrifft die junge Debbie (Eickemeier), die sich von einem zwielichtigen Manager- und Vater-Typen (Karier) zum Porno-Machen beschwatzen lässt. Oder die Eltern von Davids Frau Jess, die ihr zu Lebzeiten nicht helfen wollen, aber jetzt damit prahlen, das Prunkgrab neben dem ihren in der Nacht zerstört zu haben – aus Liebe natürlich.
Aber Autor Kelly geht noch einen Schritt weiter: Die junge Debbie erhoffte sich durch das Attentat des 11. Septembers, dass die Welt sich radikal ändere. Irgendwie. Egal wie. Aber sofort! Noch an anderen Stellen des Stücks wird ein Riss in unserer hermetischen Welt materialistischen Seins herbeigesehnt, immer via Destruktion, da doch, wie Jess (Hörbiger) es in ihrem wuchtigen Schlussmonolog sagt, "das hier nicht alles sein" könne.
Schauspieldirektor Perrig bewies Instinkt mit der deutschsprachigen Erstaufführung des Stückes hier in Basel. Bei "Schutt" fand sie im renommierten Wiener Burgtheater statt. Den Namen Dennis Kelly muss man sich nicht mehr merken: Seine Stücke werden bereits überall gespielt. Man kann ihn nicht mehr ausblenden: Der Engländer mit Jahrgang 1970 hält uns heutigen Menschen zu direkt den Spiegel vor, zu unausweichlich.
7. März 2008