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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Schauspielhaus

Deutschsprachige Erstaufführung

"Un sentiment de vie"

 

Von Claudine Galea, übersetzt von Uli Menke

 

Inszenierung: Emilie Charriot

Kostüm: Caroline Spieth

Lichtdesign: Yan Godat

Dramaturgie: Inga Schonlau

 

Mit Anne Haug
 


Ein verficktes Lebensgefühl

Es braucht Mut, das Stück einer im deutschsprachigen Raum kaum bekannten Autorin als Monolog auf die Bühne des Schauspielhauses zu bringen, zumal der Text der Französin Claudine Galea keine Lachveranstaltung verspricht. Von den 480 Plätzen blieb die Hälfte leer. Dabei hätte die Aufführung volle Ränge verdient, bietet sie doch den seltenen Genuss reinsten Schauspieltheaters: eine Frau, eine Autorin, spricht vom Sterben ihres Vaters, wir werden Zeugen ihrer Regungen.

 

Emilie Charriots Inszenierung enthält sich auch allem Beiwerk: keine Videoeinspielungen, die unsere Assoziationen in eine bestimmte Richtung lenken, keine Musikeinspielungen, die uns mit ihrer Stimmung wegtragen, auch keine wie im Original vorgesehene Nebenfigur als Stichwortgeber oder Kontrast. Die kahle, hohe Riesenbühne im fahlen Licht, auf der Anne Haug geht, steht, spricht, und eben nicht die kleine Experimentierbühne, das ist ein Statement: Sie soll die grosse Resonanzkammer werden, nicht nur für das individuelle Schicksal der Autorin, sondern für die Erzählungen aller. Haug steht in Jeans, Sneakers, Regenmantel im übertragenen Sinne nackt da, auch als Stellvertreterin für uns.

 

Ihre Recherche nach dem "Sentiment de vie", Lebensgefühl, ist kein gefühliger Selbstsuche-Trip, viel mehr der Hymnus einer Intellektuellen auf das Selbstgebären im Schreiben: "Ich mag es, wenn es sich mischt, wenn es unrein ist, denn so beginnt eine neue Geschichte", spricht sie an einer Stelle und meint damit nichts weniger als: Rettung. Galea schrieb den ersten Teil ihres Textes angeregt von Falk Richters biographischem Stück "my secret garden", indem er mit seinem Vater abrechnet. Richters Vater hätte im Krieg "nicht auf der guten Seite" gestanden, ihr Vater hingegen schon.

 

Ihr Vater jedoch war Soldat, Antikommunist, Algerienfranzose, ihre Mutter Antikolonialistin. "Der Soldat schlug nicht, die Antimilitaristin schon". Aus all diesen Prägungen und widersprüchlichen Erfahrungen entstehe ein "verficktes Lebensgefühl" (Original: un putain de sentiment de vie). Aber ohne Gefühle zu zeigen, gebe es keinen Text, um nicht ihr Opfer zu werden, müsse man sie nutzen, ruft Galea dem Autorenkollegen direkt in ihrem Plädoyer zu: "Das können wir machen. Ein verficktes Lebensgefühl schenken, das Kraft, Mut, Lust schenkt." Ob dies das Leben besser mache? Galea erlaubt sich, und das gibt ihrem Text Grösse, keine Lösungen, gedanklichen Abschlüsse, Erleichterungen: "Ein besseres Leben? I don’t give a shit."

 

Zu Haugs Virtuosenstück wird der zweite Teil, indem sie eine Fahrt mit ihrem krebskranken Vater zur Klinik schildert. Wir schauen in dieses Gesicht, das, ohne Schauspielmache, im raschen Wechsel von zwei verschiedenen Menschen beseelt wird: Dem Vater, dem der verfaulte Gaumen operiert wird, der Tochter, der jetzt einfällt, sie habe ihm damals eben nicht gesagt, dass sie ihn liebe. Vielleicht hat sie es ausgelassen, weil in dieser Familie "nicht gesprochen" wurde? Oder er wieder mit seinen Kriegsdiensten "auf fünf Kontinenten" geprahlt hat. Oder weil gerade Frank Sinatra, der Lieblingssänger des Vaters, im Autoradio lief.

 

Überaus kunstvoll verwebt Galea die tragikkomische Szene von vor achtzehn Jahren in ihre heutigen Rekonstruierungs-Versuche. So zerrissen und fragil das textlich wirkt, genauso zeigt sich diese Vater-Tochter-Beziehung: Wut, Scham über den einstigen Le Pen-Wähler, Schrecken über den Krebsbefall und die Operation, Mitleid und Tränen über seine Klage: "Als ich aufgewacht bin, hatte ich keine Zähne mehr, so sieht's mit mir aus: Tränen und keine Zähne."

 

Wegen des dritten Teils sollte man sich das Stück vielleicht fünf Mal ansehen. Galea wagt sich in eine Zone dünner Luft, zumal erhöhten Überblicks. Daraus geht ein alles nochmals resümierender Gedankenstrom, versetzt mit Motiven aus Büchners Erzählung Lenz, Regelsätzen für Autoren und den Schilderungen von Selbstmorden berühmter Künstler, nieder. Vielleicht soll dieses Antippen von Assoziationen mehr erlebt und von Leidenschaft und Verzweiflung künden als intellektuell verstanden werden? Anne Haug führte das Publikum insgesamt auf stabile, unprätentiöse Art eher sauber durch den Text als ihn auszukosten.
 

"Das Schreiben hat keine Skrupel in Bezug auf das Desaster, von dem es herrührt": Dem Satz scheint für Galea eine Verpflichtung innezuwohnen. Aus ihrem Stück spricht ein lebensnotwendiges Engagement, das die Poesie der Krümmung der Ironie vorzieht. Könnte eine wertvolle Inspiration sein, weitere Stücke von ihr kennenzulernen.

17. Oktober 2021
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

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Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweist in einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Die Baselbieter Regierung hat Kathrin Choffat und Roger Müller als neue Mitglieder des Bankrats der BLKB für die laufende Amtsperiode bis Mitte 2027 gewählt. 

Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

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ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

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Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

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Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

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