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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Schauspielhaus
Urauführung

"Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten"

Nach dem Roman von Christian Kracht
Fassung von Corinna von Rad und Julie Paucker

Regie: Corinna von Rad
Bühne: Ralf Käselau
Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Musik: Rainer Süssmilch, Philipp Hagen

Mit Andrea Bettini, Georg Martin Bode, Philipp Hagen, Martin Hug, Isabelle Menke, Nick Monu, Rainer Süssmilch


Apocalypse Now im Alpen-Réduit

Es muss was dran sein. Schon der frühere Theaterdirektor Michael Schindhelm erkannte in der Schweiz eine "gelungene Ausgabe der DDR". Und 2008 verstörte der in Saanen geborene "Spiegel"-Journalist Christian Kracht den deutschen Feuilleton mit einem Roman, der eine "Schweizerisch Sowjetische Republik" im Krieg darstellte: Lenin kam quasi nur bis "Neu-Bern" oder "Schweizerisch Salzburg". Seit 1917, schon 96 Jahre lang, kämpfen die "Eidgenossen" (eben, eben!) nun gegen die faschistischen Deutschen. „Wir sind im Krieg geboren und werden im Krieg sterben“, sagt Divisionärin Favre (Menke) mit strenger Miene.

Sie gibt dem Ich-Erzähler des Romans, einem schwarzen Polit-Kommissar (Monu), den Auftrag, den polnischen Arzt Brazhinsky (Bode) zu verhaften. Die Mission – eher ein böser Traum mit abrupt hereinbrechenden Ereignissen denn ein Abenteuer – führt ihn ins Alpen-Réduit, ein Labyrinth der Gänge und Schächte, wo der Arzt, offenbar als Heilsgestalt verehrt, ein in Isolation irre gewordenes Kommando führt: ein Colonel Kurtz des Réduits, die Alpenfestung als Conradsches Herz der Finsternis.

Verstörend wirken konnten beim Leser nicht nur die Verweise auf Drogentrips, okkulte Meditationspraktiken oder die obszön-grausamen Kriegsmorddetails, die aus Frontberichten des zweiten Weltkriegs stammen könnten. Vielen Kritikern blieb auch unklar, ob dieser ironische bad trip mit Rösti-Kulisse mehr darstellen sollte als die zynische Stilübung eines Dandys mit "Landserlakonik". Dinge wie die Alpenfestung werden schriftstellerisch kalt und fiebrig in den Blick genommen, als sollten sie bei einem willegesteuerten Eigenleben ertappt werden. Da fragt man schon: Spielt das in der Schweiz oder nicht viel eher in einem Kopf?

Regisseurin Corinna von Rad, einstige Marthaler-Assistentin, meint die Schweiz und hat sich für eine heiter-absurde Leseweise entschieden. So darf unser berühmter, grauer Filz natürlich nicht fehlen: Als riesiges Plattenviereck hängt er wie ein Himmel hoch über dem abschüssigen Holzboden der Bühnen-Schweiz bis er heruntergelassen wird, um im Réduit als Boden zu dienen, auf dem alle mit grauen Socken – ohne Schuhe natürlich! - herumwuseln. Wenn sich der schwarze Hauptdarsteller Nick Monu (Nigerianer) breitbeinig vor uns hinstellt und ein Jodellied anstimmt, dann lacht das Schauspielhaus. Oder wenn Andrea Bettini und Martin Hug als Soldaten mit den Händen im Hosensack hin stehen und ihr Zürcher-Hochdeutsch-Gemisch zum Besten geben, so ist das unser Bild von uns selbst, das wir hegen, und über das wir immer lachen können.

Aber die Regisseurin wollte auch das Spracherlebnis der Übersteigerung für die Bühne übersetzen. Sie tat es effektbewusst. Die Neon-Röhre im Alpen-Réduit flackert mit ekelhaft-penetrantem Störgeräusch. Die Bombeneinschläge in die Festung lassen den Boden im Schauspielhaus erzittern. Georg Martin Bode als der polnische Arzt Brazhinsky hat den einnehmenden Seniorencharme eines Bond-Bösewichts und die narzisstische Strahlkraft eines Sexual-Therapeuten. Wie Manna fürs Volk lässt er Zitronen über die Bühne kullern. Und hinter ihm hebt ein schwarzer Flügel an Zügen in den Bühnen-Himmel, an dem Philipp Hagen im Ballkleid romantisch-atonale Phrasen erklingen lässt: ein Traumbild erster Güte, das den Guru-Effekt perfekt stilisiert. Die Jünger grinsen mit dem starren Blick, den ihnen weisse Kontaktlinsen verleihen.

Hagen gibt auch den Bergeinsiedler Uriel: schlammbedeckt als wäre er direkt dem Film "Apocalypse Now" entsprungen. Rainer Süssmilch versetzt die Szenerie mit Horn- oder Ziehharmonikaklängen mal schrill-aufgekratzt, mal unauffällig melancholisch.

Der schwarze Kommissär ist mit Nick Monu geradezu ideal besetzt: Das brüchige Schwizertütsch in Kombination mit dem offenen Herzen, das an all die helvetischen Ideale wie Unbestechlichkeit, Gradlinigkeit, Fairness glaubt und an ihnen teilhaben will, machen ihn schweizerischer als die Schweizer selbst. Im nächsten Moment brüllt er im Spiel mit den Afrika-Klischees wie ein Löwe.

Dass von Rad die Tonalität des Romans erstaunlich gut getroffen hat, beweist der Schluss: Die letzte Romanseite erzählt sie nicht mehr, sondern lässt den Text über die Hinterwand flimmern. Das geht nahtlos: gleiche Temperatur, gleiches Temperament. Zu den Unwegsamkeiten der Romanvorlage baute sie keine Brücke, sondern erkämpfte sich mit Spielwitz und Improvisationsgeschick eine verstehbare Bühnenvariante, die die Spannung weitgehend hält und die sympathisch sein will. Der Roman bleibt als Fragezeichen im Raum.

Das Publikum applaudierte freundlich. Obgleich Kracht ein internationaler Star der Gegenwartsliteratur ist, war die Premiere nicht restlos ausverkauft. Etwas Glamour gab es immerhin: Der Zürcher Künstler Dieter Meier kam zur Vorführung.

9. Mai 2010
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Hervorragend"

Die Inszenierung und Ausstattung sowie die Darstellenden dieses dichten Romans von Christian Kracht im Schauspielhaus sind hervorragend. Das Buch ist es noch viel mehr: Wer lesen kann, der lese vor dem Schauen. Es lohnt sich!


Beatrice Alder, Basel


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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

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Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweistin einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

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