Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Schauspielhaus

Premiere

"Der Spieler"

Aus den Aufzeichnungen eines jungen Mannes von Fjodor Dostojewskij


Inszenierung und Textfassung: Pınar Karabulut

Bühne und Kostüme: Sara Giancane

Komposition: Daniel Murena

Lichtdesign: Vassilios Chassapakis

Dramaturgie: Sarah Lorenz

 

Mit Elmira Bahrami, Jan Bluthardt, Barbara Colceriu, Vera Flück, Marvin Groh*, Nairi Hadodo, Peter Knaack, Annika Meier, Antoinett Ullrich*, Joshua Walton*

 

Dior & Cartier: Reto Furrer, Kennedy Maina, Laurent Theurillat, Florian Wolf

 

*Studiogäste Hochschule der Künste Bern, HKB
 


Sexsüchtig in Roulettenburg

Eine persönliche Horrorvision beschreibt Dostojewskijs Roman: Die Tragödie seines psychischen und finanziellen Ruins. Der wäre eingetreten, wenn es ihm wenige Jahr zuvor nicht gelungen wäre, seiner Spielsucht zu entrinnen, sich aus den deutschen Casinostädten des 19. Jahrhunderts loszureissen und anschliessend den Roman "Der Spieler" in nur 26 Tagen zu diktieren und abzuliefern.

 

Der immense Druck entlädt sich in einem sprachlichen Furor, der seit 155 Jahren das Lesepublikum fasziniert. Wie irre rempelt der Ich-Erzähler in "Roulettenburg" (Baden-Baden), ein Hauslehrer, die höhere Gesellschaft an, provoziert den feigen, debilen General, der ihn bezahlt, entfacht aufzehrende Wortgefechte mit dessen Stieftochter Polina, die er angeblich liebt. Sein Feind ist der angebliche Baron de Grieux, auch weil Polina, so der Deal, mit ihm verheiratet werden soll.

 

Wie ein Krimi liest sich seine fieberhafte Recherche nach den Abhängigkeits-Verhältnissen der abgebrannten Generalsfamilie. Dass Alexej Iwanowitsch dabei nur Gerüchte vernimmt oder entsetzte Mienen registriert, ansonsten auf verschlossene Türen trifft, vermehrt nur die Wut auf die Bessergestellten. Wir erleben das Drama eines Mannes, der glaubt, Kontrolle zu haben, und sie eben deshalb verliert.

 

Wer den Roman der geschilderten Qualitäten wegen liebt, wird nach den 110 Minuten im Basler Schauspielhaus nur wenig auf seine Kosten gekommen sein. In die Glieder fahren ausgerechnet die zwei stillsten Szenen des Abends: Ein Monolog Alexejs, in dem er uns akribisch den Entgrenzungszustand am Roulette-Tisch, die Glückswoge beim Gewinnen vergegenwärtigt. Und der Schluss, wenn er, gestrandet in einer Spielstadt, in einem Hamsterrad Tritt sucht, immer wieder fällt, beschwört: "Ich könnte schon morgen abreisen. Ich könnte neu geboren werden. Jetzt gerade ist es natürlich schon zu spät, aber morgen ..." Das leise Orgel- und Cembalospiel im Hintergrund versetzt uns in die Isolation Alexejs. Elmira Bahramis souveräne Führung, ihr empfindsames Spiel sorgen für atemlose Aufmerksamkeit.

 

Ansonsten haut Regisseurin Pınar Karabulut bei ihrem Basler Debüt sprichwörtlich auf die Pauke. Techno-Gewummer versetzt die High Society zu Beginn in Zuckungen. Dostojewskijs abgezirkelte Gesellschaft wird um einige Zacken ins Instagram-Zeitalter weitergedreht. Die happy few sind jetzt queer und üben sexualisiertes Posing. Das Baronen-Paar Wurmerhelm unter wuchtigen Federhüten stakst in einem silly walk um die Drehbühne. Der General unter Damenperücke quasselt von seinen maroden Finanzen. Was im Roman umtreibt, hier wird es geheimnislos rausgeschwatzt.

 

Vera Flück als de Grieux schwingt ihre Federboa und Bahramis Herrenhemd mit grossem Kragen zeigt das bekannte Lesben-Cliché. Es wird nie so recht klar, ist das Spiel mit Geschlechterbildern, die Queerness Satire oder Plädoyer oder beides. So lässt man sich mal vom grellbunten und aufgekratzten Personal in die Story tragen, wartet auf die Fortsetzung des fulminant inszenierten Antritts. Stattdessen hören wir lange Dialoge, die weitgehend ins Leere laufen. Sie passen zu wenig zu den Persönlichkeiten auf der Bühne. Musste etwa Alexejs Deutschenschelte über den biederen Bürger unbedingt mit rein, wenn hier mit Alexej gar kein innerlich verstrittener Nationalist dargestellt wird? 

 

Grässlich lacht die Gesellschaft über die Meldung auf, die Erbtante sei endlich gestorben. Jetzt könnten die Schulden bezahlt werden. Zu früh gefreut. Barbara Colceriu tritt auf wie ein US-Rapstar, getragen von zwei Bodybuildern, und reanimiert den Abend pompös und temperamentvoll. Wie sie beim Roulette gewinnt, lässt sie sich selig die Brüste, den ganzen Körper streicheln. Wie sie ihr ganzes Reisevermögen verliert, versetzt sie schreiend in den General ins Elend, er kriege nichts von ihrem Geld, und reist wieder ab. An diese so eigenwillige Figur im Roman, die immer wieder neu frappiert, darf man nicht denken; Colceriu tut so viel, wie ihr die Inszenierung lässt. 

 

Die symbolstarke Erfindung des Abends ist der Roulette-Tisch: Eine Poledance-Stange. Das Setzen und Spielen wird mit wippenden Hintern als sexuell aufgeladener Akt gezeigt. Dass hinter der Spielsucht im Roman viel versteckter Sex steckt, ist zwar keine neue Erkenntnis, aber die Lesart wird mit mehreren angedeuteten Sexualakten zum roten Faden der Inszenierung. Der hat für sich, die Getriebenheit der Spielenden spürbar zu machen.

Der kräftige Applaus zum Ende konnte den Generationengraben während der Aufführung nicht zudecken. Die Jüngeren schüttelten sich bei jeder Pointe vor Lachen, die anderen blieben weitgehend still.

29. Januar 2022
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Derzeit Redaktor und Produzent bei Telebasel. Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

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"Dann wüsste man auch bei einem Cornergletscher, warum es dort einen Stausee für die Schweizer Energiebilanz braucht."

BZ Basel
vom 9. Februar 2023
über den Gornergletscher
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Nebenbei lief im Fernsehen Fussball.

RückSpiegel


Bajour berichtete über die Kulturjournalismus-Diskussionsrunde im Theater Basel, an der OnlineReports auch teilnahm.

Telebasel nahm die OnlineReports-Erstmeldung über den Abbruch des ESAF-Referendums auf.

In ihrem Bericht über die bevorstehenden National- und Ständerats-Nominationen im Baselbiet bezog sich die Basler Zeitung auf eine OnlineReports-Recherche.

Die Basler Zeitung nahm den OnlineReports-Primeur über die Bundesgerichts-Beschwerde der Stadt Liestal gegen das Cheddite-Kantonsgerichts-Urteil auf.

Die BZ Basel zog eine OnlineReports-Erstnachricht über eine Anzeige gegen den Laufener Stadtpräsidenten nach.

Die Basler Zeitung bezog sich in ihrem Bericht über einen diebischen BVB-Kadermann auf einen OnlineReports-Primeur.

Im Porträt von Regierungsrat Isaac Reber nahm die Basler Zeitung auf eine "fast schon legendäre Wortschöpfung" von OnlineReports Bezug.

Telebasel nahm im "Wahltalk" auf ein Zitat in einem OnlineReports-Artikel Bezug.

Die BZ Basel zog die OnlineReports-Erstmeldung über die Verhaftung eines Gewerbetreibenden nach.

Zum aktuellen Thema "Krise des Kulturjournalismus" bezeichnet die Basler Zeitung die Theater- und Opernkritiken in OnlineReports als "löbliche Ausnahme".

In ihrem Text über die Bundesratswahlen zitierte die Luzerner Zeitung aus dem OnlineReports-Leitartikel über die Basler Kandidatin Eva Herzog.

In seiner Bestandesaufnahme über Basler Online-Medien startet das Wirtschafts-Magazin Trend von Radio SRF1 mit OnlineReports.

Die Basler Zeitung ging in ihrem Bericht über den Telebasel-Weggang von Claude Bühler auf dessen Rolle als Theaterkritiker bei OnlineReports ein.

Telebasel zog den OnlineReports-Bericht über Fassaden-Probleme am Markthalle-Hochhaus nach. Die BZ Basel zog auch nach, unterschlug aber eine Quellennennung.

In ihren Presseschauen zu den Bundesratswahlen zitierten bajour.ch und primenews.ch aus dem OnlineReports-Leitartikel über Eva Herzog.

matthiaszehnder.ch nimmt die beiden News-Artikel aus OnlineReports zum Anlass, sich über die schrumpfende Kulturberichterstattung in den Schweizer Medien Gedanken zu machen.

Bajour zitierte OnlineReports in seinem Bericht über die Verwicklung von Bundesratskandidatin Eva Herzog in umstrittene Basler Geschäfte.

In ihrer Recherche über die sterbende Kulturberichterstattung in Basler Medien bezieht sich Bajour auf OnlineReports.

20 Minuten nahm die OnlineReports-Recherche über den Angriff auf den Stiefvater vor dem Muttenzer Gerichtsgebäude auf.

Die Basler Zeitung und die BZ Basel nahmen die OnlineReports-News über die Rückkehr von Christine Keller in den Basler Grossen Rat auf.

In ihrer Analyse über die unklare Gesundheitsversorgung des Laufentals ging die Basler Zeitung auf eine OnlineReports-Recherche ein.

Telebasel konfrontierte die SVP-Regierungsrats-Kandidatin Sandra Sollberger mit einem Kommentar aus OnlineReports (worauf sie die Stellungnahme verweigerte).

Die BZ Basel und die Basler Zeitung nahmen den OnlineReports-Bericht über Pläne zum Abbruch des Spitals Laufen auf.

Die OnlineReports-News über den Wechsel des Telefon-Anbieters durch die Basler Verwaltung wurde von der BZ Basel und Happy Radio aufgenommen.

In seiner Aufstellung über "Politiker, die Wasser predigen und Wein trinken", nahm der Nebelspalter auch auf einen Artikel in OnlineReports Bezug.

20 Minuten griff die OnlineReports-Meldung über einen Autolenker, der bei der verbotenen Fahrt durch eine Einbahnstrasse in Birsfelden eine Radfahrerin schwer verletzte, auf.

Die OnlineReports-Nachricht vom Tod des früheren Baselbieter Regierungsrats Urs Wüthrich nahmen Telebasel, die BZ Basel, die Basler Zeitung, das SRF-Regionaljournal, Prime News, die Nachrichtenagentur SDA, 20 Minuten und Happy Radio auf.

Weitere RückSpiegel

 

In einem Satz


Basel Area Business & Innovation, die Agentur für Standortpromotion und Innovationsförderung, hat im vergangenen Jahr 96 Startups bei ihrer Gründung begleitet und beraten – so viele wie noch nie.

Die Basler Jungliberalen nominierten Felix Guntrum, Joshua Marckwordt, Josephine Eberhardt und Benjamin von Falkenstein als Nationalrats-Kandidierende und wählten von Falkenstein zum neuen Präsidenten.

Der Basler Jungfreisinnige Jonas Lüthy (20) wurde durch die Jahresversammlung zum Vizepräsidenten der Jungfreisinnigen Schweiz gewählt.

Der 52-jährige Ökonom Chris Kauffmann, seit Herbst 2022 Chief Growth Officer beim FCB, wird neuer CEO der FC Basel 1893 AG.

Der Stiftungsrat des Sinfonieorchesters Basel Markus Poschner als neuen Chefdirigenten und Nachfolger von Ivor Bolton.

Jonas Lüthy wird neuer Präsident der Jungfreisinnigen Basel-Stadt und damit Nachfolger von Dominik Scherrer.

Die Junge SVP Baselland hat ihre Präsidentin, neue Landrätin und Sissacher Intensivpflege-Expertin Nicole Roth als Nationalrats-Kandidatin nominiert.

Die Juso Basel-Stadt haben Ella Haefeli, David Portmann, Nino Russano und Maria Schäfer als Kandidaturen für die Nationalratswahlen nominiert.

Nach acht Jahren "erfolgreicher Zusammenarbeit" wollen im Baselbiet die Grünen und die EVP ihre Fraktions-Gemeinschaft im Landrat fortsetzen.

Benedikt von Peter, seit der Spielzeit 20/21 Intendant am Theater Basel, wird das Theater Basel weitere fünf Jahre bis Sommer 2027 leiten, indem er sich frühzeitig für weitere zwei Jahre als Intendant und Künstlerischer Leiter der Oper verpflichtet.

Auf der Basler St. Jakobs-Strasse, eine offizielle und beliebte Pendlerroute für Velofahrende, soll künftig zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Höhe des Christoph-Merian-Parks künftig in beiden Fahrtrichtungen ein Velostreifen zur Verfügung stehen.

Melanie Thönen übernimmt am 1. Mai die Leitung des Pädagogischen Zentrums PZ.BS. Sie folgt auf Susanne Rüegg, die Ende August 2022 pensioniert worden ist.

Sarah Baschung leitet ab 1. April den Swisslosfonds Basel-Landschaft in der Sicherheitsdirektion und folgt auf Heidi Scholer, die in Pension geht.

Basel-Stadt und Baselland wollen zusammen die psychiatrische Versorgung in der Gemeinsamen Gesundheitsregion weiterentwickeln.

Nicola Goepfert, seit Juni Mitglied des Basler Grossen Ratse, wurde als neuer Co-Präsident der Links-Partei "Basta" gewählt.

Heiko Vogel (47), der frühere Cheftrainer, kehrt am 1. Januar 2023 als Sportdirektor zum FC Basel zurück, um den "gesamten operativen Fussball-Alltag des FCB" zu verantworten.

Die Baselbieter Regierung hat die Mietung von Räumlichkeiten für das Amt für Migration und Bürgerrecht im Helvetia Tower in Pratteln beschlossen.

Auf die im Februar zurücktretende "Basta"-Grossrätin Beatrice Messerli (70) wird die Präsidentin des Jungen Grünen Bündnisses Nordwest, die Klimaaktivistin Fina Girard (Jahrgang 2001) folgen.

Lorenz Amiet, bisher Vizepräsident, wird neuer Präsident der SVP-Grossratsfraktion als Nachfolger von Pascal Messerli, der neu Parteipräsident wurde.

In Lörrach bewarf dieser Tage ein Unbekannter die Fassade der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde mit Eiern.

Am Riehenring entsiegelt das Basler Bau- und Verkehrsdepartement als Versuch ab 31. Oktober insgesamt 14 Parkfelder, so dass dort zukünftig Regenwasser in den Untergrund geleitet wird.