Theater Basel, Grosse Bühne
Premiere
Antonius und Cleopatra
Autor: William Shakespeare
Bearbeitung: Karl Baratta/Christina Paulhofer
Regie: Christina Paulhofer
Mit Barbara Behrendt, Andrea Bettini, Jan Bluthardt, Niko Eleftheriadis, Martin Engler, Renate Jett, Linda Olsansky, Bastian Semm, Jörg Schröder, Peter Schröder
Maso-Sex und Heroin
Ein Schreck richtete am Ende die Zuschauer gerade auf in ihren Sesseln. Die Schlange war echt, die sich Renate Jett als Kleopatra auf der Grossen Bühne um den Hals legte. Züngelnd schmiegte das Reptil seinen Kopf an die Wange der Schauspielerin. Auch wenn keine wirkliche Gefahr anzunehmen war, so wars doch spannend, unmittelbar wirksam und wunderbar unkompliziert.
Leider kann das für die 150 Minuten davor nicht behauptet werden. Ich behaupte: Wer das Stück nicht kennt, versteht in dieser Inszenierung weder die schwierige Liebesbeziehung noch die politischen Geschehnisse mit ihren Handlungsorten und den Abläufen. Die Sprache ist oft derart flüchtig geführt, dass halbe Sätze verschluckt werden. Das ist auch deshalb ein Problem, weil Regisseurin Christina Paulhofer das Stück eh schon um die Hälfte gekürzt hat. Dann hat Paulhofer die Verständigung mit dem Publikum zusätzlich erschwert, indem sie die Helden als heutige narzisstische Glamour-Stars inszeniert hat.
Selbst wer das Stück nicht kennt, ahnt, dass er hier nicht den ganzen Marc Anton (Bluthardt) sieht. Denn der ist ja nicht bloss ein jünglinghafter Pop-Star vom Psychoprofil eines Justin Timberlake, sondern ein eiserne Disziplin gewohnter Staatsmann, der mit militärischer Macht ein Drittel der Welt kontrolliert. Ähnlich schrill übersetzt ist Kleopatra (Jett) als liebenswürdige, ältliche Party-Tante, die sich bei Wendungen im Liebesglück mit Heroin und Maso-Fessel-Sex heruntermacht. Tja, wie hätte eine solche Kleopatra die mächtigsten Männer der Welt kriegen sollen?
Wie schon bei "Cyrano" oder "Endstation Sehnsucht" war Regisseurin Paulhofer auch hier bemüht, die Überfiguren auf Normalmenschen-Mass herunterzustutzen, und ihre Leidenschaften als pubertäre Grillen zu nivellieren. Vielleicht ist das ja auch realistischer so, denn in sieben Probewochen könnte nur ein erstklassiges Ensemble die Tiefe derart schwieriger Charaktere ausloten – wenn das die Regisseurin denn überhaupt wollte.
Das einzige Übermass bilden hier das Licht und die Ausdehnung der Grossen Bühne. Grell von unten angeleuchtet werfen die Leiber riesige Schatten an die graue Hinterwand in der Tiefe. Die Geschicke der Welt werden auf einem langen Catwalk und einer kleinen Vorderbühne besschlossen. Unausgesetzt drängen und drücken düstere Ambient-Töne die Stimmung. Hin und wieder krachen laute Post-Punk-Songs aus den Lautsprechern, die Frau Paulhofer gerne mag.
24. November 2007
"Ich habe jede Minute genossen"
Ich habe "Antonius und Cleopatra" am Freitag gesehen und habe jede einzelne der 150 Minuten genossen.
Christina Paulhofers aktionsreiche und spannungsgeladene Darstellung halte ich für viel wirkungsvoller als jede analysierende Interpretation, die die Charaktere bis ins letzte verstehen will.
Christina Paulhofer hat Shakespeares Skepsis gegenüber aller vorgeblichen Grösse gut verstanden. Sein typischer Sprachwitz und seine Ironie sind auch in "Antonius und Cleopatra" häufig zu finden, und diese Inszenierung nutzt das aus. Dass die "Überfiguren" hier auf "Normalmass" heruntergestutzt sind, ist ja gerade der Witz des Stückes. Cleopatra ist nicht gross, sie inszeniert nur Grösse. Das wird bei ihrem Selbstmord am Ende deutlich, den sie zu einem Schauspiel im Schauspiel gestaltet. "Die ganze Welt ist eine Bühne" heisst es bei den Outcasts von "Wie es Euch gefällt". In ihrer Interpretation von "Antonius und Cleopatra" zeigt Christina Paulhofer, dass das für die "first ladies" genau so gilt.
Sehr interessant fand ich übrigens die häufigen Überschneidungen an den Szenenwechseln, die die dekadente Welt Alexandriens immer wieder mit der strengen, politischen Welt Roms in Beziehung setzten. Und auch die "Sprachführung" war am Freitag sehr sorgfältig. Ebenso hat mich die Übersetzung überzeugt. Allein für das Zuhören hätte sich der Theaterabend schon gelohnt.
Johannes Nordiek, Schopfheim
"Nach der Lektüre wurde ich positiv überrascht"
Nach Lektüre der Kritik in OnlineReports besuchte ich die Aufführung mit viel Skepsis, wurde jedoch positiv überrascht: Der Abend war stimmig und interessant. Allerdings ist es von Vorteil, wenn man sich mit der doch sehr verzwickten Handlung - die wir heutigen Zeit nicht mehr so selbstverständlich kennen wie die gebildeten Zeitgenossen Shakespeares - vertraut macht. Ich wünsche dieser Inszenierung mehr Erfolg!
Bruno Paneth, Binningen