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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Die modernen Kriege sind Glaubenskriege

Wenn die Schweizer auf einen Knopf drücken, gehen sie davon aus, dass sich die Tür öffnet. Mehr noch: Sie erwarten es, weil sie davon ausgehen, ein Recht darauf zu haben. Alles andere wäre eine Zumutung. Das betrifft übrigens nicht nur Schweizer, sondern ist ein tief in den Genen eingeschriebener menschlicher Zug. Wir alle leben und denken so. Sich etwas anderes vorstellen? Geht nicht. Die Welt ist, wie sie ist, und niemand zweifelt daran.
 
Doch damit ist ein grosser Trugschluss verbunden, denn nichts geschieht ausserhalb ihrer Reichweite, und die ist entweder sehr eng oder sehr locker gezogen, aber meistens völlig anders, als gedacht wird. Wer A sagt, muss nicht nur B sagen, wie die Verhaltenslehre den Kindern rechtzeitig beibringt, sondern auch C, D, E und so weiter. Bis Z. Also bis zum bitteren Ende, das niemand wahrhaben will, aber früh genug eintrifft. Alle sitzen wir in der Falle, aber haben es noch nicht realisiert. Wir gestikulieren mit Händen und Armen und meinen, dass dies etwas zum guten Gelingen beiträgt. Oh Menschheit! Oh Elend!

Was soll ich sagen? Es nützt alles nichts. Sage ich etwa "es reicht", dann prasselt ein Kritikschwall auf mich nieder. Sage ich jedoch "es reicht keineswegs", geschieht das gleiche, wieder prasselt ein Kübel Kritik auf mich nieder. Nur kommt sie diesmal aus der entgegengesetzten Ecke. Lärm ist überall und der Schallraum hermetisch.

Wir glauben zu reden, aber in Wirklichkeit wird geredet. Wort- und Ersatzteile aus dem Sprachbaukasten der Empörungs-Ökonomie kommen wie Templates im programmierten Journalismus zum Einsatz, zusammengezimmert nach dem Bedürfnis der Sache, um die es angeblich geht. Obwohl es – genau genommen – nie um die Sache geht beziehungsweise nur in dringenden Ausnahmefällen, die doch meistens die Regel bilden, sondern allein um die bewirtschaftete Empörung.


"Die Rechthaber besetzen
die Kanzeln und Kanäle."


M
anchmal könnte man fast meinen, es im Diskurswettbewerb mit einem modernen Stellungskrieg zu tun zu haben. Das Martialische ist hier ausdrücklich gemeint. Der moderne Krieg ist ein Glaubenskrieg und wird mit Sprache, Propaganda, Ideologie geführt, mit Unterstellungs- und Überbietungsversuchen. Siegreich geht daraus hervor, wer das letzte Wort hat. Nach dem Lehrbuch "Wie man mit den besseren Argumenten seine Gegner überzeugt", bis der letzte von ihnen aus freien Stücken oder aus Erschöpfung kapituliert hat und aufgibt.

Seit "Charlie Hebdo" und seit den Flüchtlingsströmen kann man einen neuen Diskussionsstil beobachten, bei dem es nur noch um radikale Zustimmung oder Ablehnung geht. Man hat entweder absolut recht oder ist total im Irrtum. Dazwischen gibt es nichts. Äussert etwa der deutsche Innenminister, Flüchtlinge hätten sich an Recht und Wertvorstellungen des Gastlandes zu halten, bricht sofort ein Erregungsvirus aus und die Frage wird gestellt, ob das Asylrecht noch gelte. Wenn der Schriftsteller Botho Strauss erklärt, wie er leben beziehungsweise nicht leben wolle, wird ihm das nicht verziehen. Dann geht von ihm das Dumpfe aus.

Eine abweichende Meinung zu haben scheint ganz und gar unpassend zu sein, anstössig, ein Ärgernis, eine Provokation, wie es der Ausdruck meint: eine Herausforderung. Zu dumm nur, dass jede Meinung die Antithese zu einer anderen bildet. 

Am einfachsten, weil risikolosesten ist es daher, nichts zu sagen und dafür die andere, nicht gehörige Meinung abzukanzeln. So lässt sich erst noch der Eindruck der eigenen Musterhaftigkeit verbreiten. Weil die kritisierte Meinung dem Sinn nach zwingend verkehrt ist, muss diejenige des Kritisierenden per se die richtige sein, auch wenn dieser selbst sich einer Meinung enthält. Unter Umständen muss es der radikale Konsens tun.

Umso schwieriger ist es unter dieser Voraussetzung, einen unabhängigen, eigensinnigen Standpunkt zu entwickeln und mit Verve zu vertreten, selbst wenn er falsch sein sollte. Mit dem Vertrauen in die Vernunft der Geschichte wird es gelingen, die möglichen Gefahren zu bannen, nicht zu spät hoffentlich.
 
Wer etwas sagen will, setzt sich aus und wird angreifbar. Was am Format der heute geführten Auseinandersetzungen aber vielleicht am meisten auffällt, ist die Tatsache, dass es darin kaum noch um Sachfragen und Fakten geht, die entweder stimmen oder nicht stimmen – und die, wenn es der Fall sein sollte, korrigiert gehören –, sondern um hochgereizte Debatten über Werte, Tugenden, Moralvorstellungen und Ideale.
   
Das muss nicht abwegig sein, führt jedoch dazu, dass die Rechthaber unter sich verkehren – im eigenen, eng gezogenen Kreis – und dabei die Kanzeln und Kanäle besetzen. Je mehr der Irrtum ausgeschlossen wird, desto unnachgiebiger werden die Auseinandersetzungen geführt, bis es einerlei ist, worum es geht, weil es nur auf die richtige Einstellung ankommt, die am Ende – wen wundert es – gewöhnlich die eigene ist.

19. Oktober 2015
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)

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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

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Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweist in einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Die Baselbieter Regierung hat Kathrin Choffat und Roger Müller als neue Mitglieder des Bankrats der BLKB für die laufende Amtsperiode bis Mitte 2027 gewählt. 

Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).