Die Städte im Wandel
Basler Geschäftsinhaber und Beizenbesitzer führen bewegte Klage über die Schwierigkeiten, die sie antreffen. Die Attraktivität der Stadt steht auf dem Spiel.
Das ist nur bedingt richtig. Längst hat eine Entwicklung eingesetzt, die einen tiefen städtischen Wandel widerspiegelt. Qualitätsläden im sogenannten Hochpreissegment haben in den kleineren Städten keine Chance, renommierte Geschäfte müssen schliessen. Wer es sich leisten kann, kauft in Florenz und London ein. Den Stadtraum haben Billiganbieter, Discounter und Fast Food-Betreiber erobert.
Ob der schlechte Geschäftsgang des Detalhandels an fehlendem Parkraum liegt und mehr Autoabstellplätze Abhilfe schaffen würden, ist nicht erwiesen. Seitdem in Lugano mitten im Zentraum ein Parkhaus gebaut wurde, erstickt die Stadt wochentags im Zubringerverkehr und ist sie an Sonntagen verödet. Das Leben spielt sich am Seeufer ab.
Ob mit einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten viel erreicht wird, ist eine andere offene Frage. Die Menschen kaufen dann einfach nur zu anderen Tageszeiten ein. Zuletzt hängen die Umsätze nicht von den Öffnungszeiten ab, sondern von der verfügbaren Lohnsumme, aus der das voraussichtliche Konsumvolumen ausgerechnet werden kann. Lohndumping ist für die Wirtschaft jedenfalls wenig vorteilhaft.
Dass die Menschen beim Einkaufen zurückhaltender geworden sind, ist nicht weiter erstaunlich. Die monatlichen Einkommen haben angeblich zugenommen, aber die monatlichen Belastungen ebenfalls. Wenn die festen Auslagen für das tägliche Leben (Krankenkassenprämien, Mietbelastung und Anderes) das Budget immer stärker belasten, machen fünf oder zehn Rappen weniger für die Milch nicht viel aus.
Der Sparwille ist zum grössten Problem geworden. Wenn Unternehmen, Banken, Geschäfte, Institutionen pausenlos vom Sparen reden, Personal entlassen, Preise und Tarife erhöhen, ihre Leistungen und Beratungen minimalisieren, dann geht am Ende auch der Kundschaft auf, dass sie selber sparen könnte und auch muss. Das ist die ungewollte Konseqenz des falschen Diskurses.
Diese Überlegungen betreffen ebenfalls die Klage der Restaurants, dass das neue Promillegesetz sich auf den Alkoholkonsum auswirkt. Auch da muss ein Fragezeichen gesetzt werden. Die Gäste haben schon davor begonnen, weniger Alkohol zu konsumieren.
Das eigentliche Problem sind die gesellschaftliche Veränderung und die demografische Siedlungspolitik. Die Menschen wohnen in den Agglomerationen und decken sich dort ein. Aber es gibt dazu eine sichtbare Gegenbewegung, die zeigt, dass die Zentren zu Orten zum Flanieren werden und das Kaufangebot auf das Bedürfnis nach urbanem Leben eingeht. In Basel ist die Steinenvorstadt das beste Beispiel dafür, nicht die Freie Strasse, auch nicht die Falknerstrasse, wo die Autos auf den Trottoirs den Passantenverkehr behindern.
Nicht zuletzt hängt die Attraktivität der Stadt von ihrem kulturellen Angebot ab. Mit Fasnacht und Fussball allein ist es in Basel nicht getan.
Man müsste also anfangen, anders über die Probleme der Basler Innerstadt nachzudenken.
30. Mai 2005
"Das hat mir gerade noch gefehlt!"
Das Kaufangebot in der Steinenvorstadt als richtungsweisendes Beispiel für die neue Stadt - das hat mir gerade noch gefehlt, lieber Aurel Schmidt!
Max Gürtler, Allschwil