Wenn Föderalismus zur Piratenpolitik mutiert
Föderalismus ist der Grundsatz von der verteilten politischen Macht. In der Schweiz tritt an die Stelle einer Zentralgewalt ("Bundes-Bern") die Möglichkeit der Kantone, ihre Verhältnisse nach ihren eigenen Absichten und Vorstellungen einzurichten. Die Menschen bestimmen ihr politisches Schicksal soweit wie möglich selbst und genau dort, wo sie am direktesten betroffen sind.
Die Idee des Föderalismus wird in der Staatstheorie ergänzt durch die Doktrin der Direkten Demokratie, die wiederum den Menschen Gelegenheit gibt, auf die Politik Einfluss zu nehmen, anders als in der repräsentativen Demokratie, wo alle vier oder fünf Jahre Wahlen stattfinden und danach die Menschen den Gewählten ausgeliefert sind, wie etwa in Frankreich oder Italien, wo die Herren Sarkozy und Berlusconi eine Einmann-Demokratie betreiben, oder in der EU, wo jedoch neuerdings Versuche unternommen werden, die Bürgerrechte auszuweiten. Das Prinzip der geteilten und verteilten Macht ist Garant für politischen und sozialen Ausgleich.
In der medialen beziehungsweise globalen Zeit von heute mit ihren uniformierenden Strukturen garantiert der Föderalismus ein relativ hohes Mass an politischer Souveränität. Zugleich führt er aber manchmal auch zu absurden Effekten. Sechsundzwanzig Steuersysteme in einem kleinen Land sind zuviel. In Anbetracht von ebenso vielen Schul- und Erziehungssystemen ist das Konkordat Harmos eine vernünftige Gegenbewegung. Wir haben ja in der Schweiz auch nicht sechsundzwanzig Postsysteme.
Der Steuerwettbewerb der Kantone ist ein Beispiel für die kontraproduktiven Folgen des Föderalismus. Degressive kantonale Steuermodelle gehen auf Kosten der anderen Kantone. Wenn diese dann ebenfalls ihr Steuersystem anpassen (müssen), setzt ein Vernichtungskrieg ein. Aber sogenannte Konkurrenz ist ja angeblich gut – egal, welche Ratten der Zauberer aus seinem Hut holt. Die Absicht, den anderen Kantonen gute Steuerzahler abzuwerben, ist reine Piratenpolitik.
Ein gleiches Spiel betreibt der Kanton Obwalden, wenn er mit seinem Vorschlag, gutes Bauland für gute Steuerzahler auszusondern, eine Apartheid- beziehungsweise Zweiklassen-Demokratie einführt. Es ist auch eine Politik, die das Land verschachert und verhökert und bestimmt kein pfleglicher Umgang mit den knappen Bodenreserven. Auch in Obwalden gibt es genügend Bauzonen. Was das Argument des "volkswirtschaftlichen Nutzens" da soll, ist schleierhaft. Gute Steuerzahler machen sich meistens durch Steueroptimierung bekannt. Dafür sind die landschaftlichen und sozialen Folgen umso gravierender.
Dass die Verantwortlichen die Erregung nicht verstehen können – das ist gerade das Bedenklliche. Was verstehen sie eigentlich überhaupt? Nur Vorteil und Profit, offenbar.
Der Kanton Obwalden macht deutlich, wie fragwürdig der Föderalismus wird, wenn er für moderne Sonderbundskriege eingesetzt wird. Was bleibt von den Idealen der Schweiz noch übrig?
Der Ort, wo die Föderalismus-Idee dagegen eine positive Wirkung entfalten könnte, wäre die international vernetzte Wirtschaft. Am Ende hängt das Schicksal der Welt von der Machtkonzentration in den Händen einiger Global Players, Business Leaders und Investoren ab. Eine breitere Verteilung der Macht würde uns vor viel Ungemach bewahren. Die Finanzkrise hat gezeigt, was auf dem Spiel steht.
18. Mai 2009