Wenn mit dem Guten das Geschäft gemeint ist
Die Abholzung der brasilianischen Amazonaswälder hat in der Vergangenheit im Durchschnitt eine Fläche von 23‘000 Quadratkilometer pro Jahr erreicht (die Fläche der Schweiz beträgt 41'285 Quadratkilometer). Das gewonnene Land wird für den Anbau von Soja verwendet und das Agrogeschäft als grosse Zukunft für das Land vorausgesagt.
Daraus ergibt sich die absurde Schlussfolgerung: Je mehr Agrobusiness, desto mehr Zerstörung der Wälder. Je mehr Gewinn mit dem notorisch dubiosen Handel mit Tropenholz, desto mehr Sojaproduktion. Es ist eine Situation, in der eine Fehlentscheidung die andere verursacht und legitimiert. Am Ende greifen alle Massnahmen der Regierung von Präsident Lula da Silva zum Schutz der Regenwälder ins Leere.
Kaum im Mittelpunkt des Interesses haben bisher die Wälder Sibiriens gestanden. Das scheint sich jetzt zu ändern. Auch in Sibirien sind internationale Holzkonzerne tätig. www.forests.org nennt sie „rogue timber firms“. Sie verkaufen Holz an das waldarme China. Das ist ein profitables Geschäft.
Dabei ist es nicht einmal erforderlich, nach Brasilien oder Sibirien zu schauen. Das wwf-magazin wies in seiner Ausgabe Nr. 2/2005 darauf hin, dass in Flims-Laax-Falera GR 60‘000 Quadratmeder Bergwald gerodet werden sollen, um neue Skipisten anzulegen. Wenn die Kasse stimmt, ist alles erlaubt. Im Holzhandel und in der Verarbeitung werden wie im Tourismus-Business Arbeitsplätze geschaffen. Damit kann man alles durchsetzen. Wer würde also wegen ein paar Bäumen viel Aufhebens machen? Destruktion macht sich bezahlt.
Der Kahlschlag hat allerdings Konsequenzen: für die globale Klimaerwärmung, für die Landrechte ethnischer Minoritäten, die verletzt werden. Das ist eine Realität, doch scheinen nur wenige Menschen sich darüber Gedanken zu machen. Die Orte des Geschehens liegen weit weg, und die Zusammenhänge sind nur schwer durchschaubar.
Lieber befassen sich die Menschen mit Gratis-Gralsrittern, die mit Laserschwertern made in Hollywood den Kampf des Guten gegen das Böse führen. Die Filmserie „Star Wars“ steht im Dienst der US-Propaganda und George Bushs Krieg gegen die „rogue states“ („Schurkenstaaten“). Damit wird vom verderblichen Tun der „rogue timber firms“ („Schurkenfirmen“) abgelenkt.
Zu offensichtlich stellt sich das Gute als ideologisches Fantasy-Fabrikat ohne Realitätsbezug heraus. Die Wirklichkeit ist nur ein ärgerlicher Störfaktor. Die meisten Menschen sind falsche Idealisten. Sie nehmen eher wahr, was sie auf den Bildschirmen oder Displays sehen, als was tatsächlich geschieht. Sie richten sich in einer heilen Welt ein, in die keine schlechten Nachrichten von aussen hereindringen. Für die Einen ist das die Welt der Discos, für die Anderen die der Börse, beides imaginäre Refugien. An der Börse kann nichts die gute Stimmung trüben, wenn die Kurse steigen. Ist das nicht der Fall, muss die reale Welt an die Kurserwartungen angepasst werden.
So schwinden die Wälder (und Anderes), so geht die Welt friedlich zu Grund und so siegt das Gute. Das heisst: Das Geschäft. Eine Verdrehung, die mit Zynismus oder Ignoranz oder Beidem zu tun hat.
27. Juni 2005
"'Star Wars'-Filme sind keine Hollywood-Produkte"
Lieber Aurel, ich bin mit Dir weitgehend einverstanden - und teile Deine Besorgnis. Nur in einem Punkt hast Du nicht Recht: Die "Star Wars"-Filme von George Lucas sind keine Hollywood-Produkte. George Lucas hat sich immer von Hollywood abgewendet und alle seine Filme auf seiner Ranch im Lucas Valley - der Name ist rein zufällig gleich - in Marin County produziert.
Und gerade dieses Wochenende hat er sein neues Produktions-Campus im Presidio in San Francisco eröffnet. Die Bush-Administration, die übrigens in ihrer Popularität hier in der Bay Area unter 30 Prozent gesunken ist, hat sich auch nie besonders mit der "Star Wars"-Serie identifiziert - es hat ja in den Filmen durchaus kritische Figuren, die Karl Rove nicht passen würden! Während der Reagan-Administration wurde damals ein geplantes Raketen-Abwehr System mit "Star Wars" umschrieben - und die Bush-Administration versucht, allerdings mit wenig Erfolg, das alte Programm wieder zu beleben.
Zuletzt noch ein Stück Americana, das Dich amüsieren dürfte: Im Januar sind Bush Senior und Clinton zusammen im Auftrag von George W. in die Tsunami-versehrten Länder gereist. Dabei sollen sich die ehemaligen politischen Gegner befreundet haben - so sehr, dass Clinton nun ein gern gesehener Hausgast in Kennebunkport in Maine ist, und von Barbara Bush mit "Son" angesprochen wird.
Jean-Pierre Salzmann, San Anselmo/Kalifornien