Vollgestopft: Die Schweiz als Möbelausstellung
Die Credit Suisse hat sich kürzlich neue Eigenmittel in Höhe von 3,8 Milliarden Franken beschafft. Als strategische Grossinvestoren sind Staatsfonds aus Singapur, Katar, Norwegen sowie eine Gesellschaft aus Saudi-Arabien am Deal beteiligt. Eine hübsche multikulturelle Gesellschaft. Was daran noch "suisse" sein soll, ist eine offene Frage. Der Casus CS macht auf die fortschreitende Vermengung und Globalisierung der wirtschaftlichen Interessen sowie deren gesellschaftliche Folgen im täglichen Leben der Menschen aufmerksam.
Wer nur eine halbe Stunde mit der Bahn durchs Land fährt, sieht beim Blick aus dem Fenster eine Baustelle nach der anderen. Flacher, landwirtschaftlich geeigneter Boden wird für die Errichtung riesiger Lagerhallen verwendet und natürlich für Wohnungen, die dringend gebraucht werden. Die Bevölkerung des Landes nimmt jährlich um etwa 80‘000 Menschen zu und hat inzwischen die Grenze von acht Millionen erreicht.
Es sind nicht nur Flüchtlinge, die hierher kommen und Asyl suchen, sondern überwiegend Menschen in gehobenen Positionen, die hier Arbeit finden. Sie brauchen Platz und stellen oft höhere Ansprüche als Schweizer Normalbürger. Die alten Wohnungen in den Städten werden in Luxus-Appartments umgewandelt, die eingesessene Bevölkerung muss in die Vororte ziehen und in überfüllten Zügen zur Arbeit in die Stadt fahren. Mehr Menschen heisst mehr Enge, mehr Platzbedarf, mehr Infrastruktur, mehr Verkehr, mehr Landfrass, mehr Aufregung, Hektik, Betriebsamkeit und so weiter.
In Gstaad, St. Moritz und an anderen Destinationen beanspruchen die Steueroptimierer für ihre Zweitwohnungen Raum, und man fragt sich beiläufig, warum der Zweitwohnungsbau nicht auch unter das Geldwäschereigesetz fällt. Sicher ist nur, dass die Kokain-Rückstände im Abwasser in St. Moritz Spitzenwerte erreichen.
Die schönsten Orte in der Schweiz sind verbaut und besetzt. Und die Schweiz wird jeden Tag ein bisschen mehr vollgestopft und erinnert von Mal zu Mal mehr an eine Möbelausstellung.
Wir verschachern die Schweiz an ausländische Unternehmen, denen günstige Konditionen angeboten werden. Wir sind nun einmal ein Volk mit der Mentalität von Hotelportiers. Aber jetzt fangen die Schweizer Unternehmen selber an, sich zu fragen, warum sie benachteiligt werden. Sogar Economiesuisse will die Zuwanderung abschwächen.
Die Feststellung hilft wenig, dass die Personenfreizügigkeit die Schweiz vor ein wachsendes Dilemma stellt. Das ist nur eine Seite der neuen Realität. Auf der anderen gilt der Grundsatz, dass die Schweiz wachsen soll und muss. Sie darf den Anschluss an die Entwicklung nicht verpassen. Warum das so sein soll, kann niemand genau sagen. Es ist eine automatische, sich selbst bestätigende Behauptung. Bisher hat vom Wachstum eine Minderheit profitiert, während der überwiegende Teil der Bevölkerung die Nachteile zu spüren bekommt.
Was hier in einigen drastischen Zügen beschrieben wird, ist eine Entwicklung, die nicht nur die Schweiz betrifft, sondern auch in anderen Ländern und Teilen der Welt beobachtet werden kann.
Pünktlich zum Quatorze Juillet dieses Jahres beschrieb das französische Nachrichtenmagazin "Le Point", wie der Staatsfonds von Katar beziehungsweise Hamad ben Jassem al-Thani, der Geschäftsmann und Herrscher von Katar in Personalunion, "Frankreich Stück um Stück aufkauft", einschliesslich eines Fussball-Clubs. Die Kungeleien des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit dem Emir hatten Formen angenommen, die das Staatliche und Private in untolerierbarer Weise vermischten.
Nicht anders liegen die Verhältnisse in Venedig, wo es vor allem chinesische Investoren sind, die sich Paläste und Teile der Stadt aneignen, umbauen und in eine chinesischen Enklave verwandeln.
Während Europa unter seinen finanziellen Problemen ächzt, liegen in den diversen Staatsfonds von Katar enorme Mittel, für die eine geeignete Verwendung gesucht wird.
Dies alles in Betracht gezogen, drängt sich die Erkenntnis auf, dass wir es heute nicht mit einem Migrationsproblem zu tun haben, sondern vielmehr mit einer eklatanten Form von Kolonisierung der Welt im Dienst der kapitalkräftigen Klasse.
27. August 2012