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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Wir sind Geiseln an fünf Fronten

Mehr, als uns recht sein kann, finden wir uns umgeben, umstellt, umzingelt von Ideen, die uns den Kopf verdrehen würden, wenn wir uns nicht ein eigenes Urteil bildeten. Der amerikanische Publizist Evgeny Morozov hat kürzlich geschrieben, wir seien zu Geiseln von Silicon Valley auf der einen und Wall Street auf der anderen Seite geworden. Ich kann das verstehen. Aber sind es nur zwei Fronten? Es müssen, drei, vier, viele sein.

Silicon Valley als erste Front ist die Sammelmetapher für eine Zwangsentwicklung, die uns nötigt, unseren Alltag durch pausenlose Anpassung an die Modernisierung einem permanenten Update zu unterziehen. Die Ohnmacht und Leere des Daseins ist die Kehrseite der vielen Verheissungen des Fortschritts.

Die zweite Front hat uns genauso im Griff. Morozov nennt sie Wall Street und meint den Finanzmarkt, der den Takt und das Design des täglichen Lebens diktiert.

Das Kapital nimmt sich den reichlich bemessenen Teil, auf den es Anspruch zu haben meint, und überlässt den Rest den Problemzonen, der Peripherie. Von Tag zu Tag schafft es neue, fürchterlichere Verhältnisse. Dass das kein gutes Ende nehmen wird, zeichnet sich ab. Die Zustimmung zum Front national in Frankreich und zu den Protestbewegungen in Europa ist auch ein ablehnendes Urteil über die soziale Lage. Dass ausgerechnet die Linke dem Neoliberalismus den Weg gebahnt hat, gehört zu ihren intellektuellen Fehlleistungen.

Uns geht es noch einigermassen gut, aber auch hier haben die Menschen ihre Sorgen und Ängste, wenn sie ihr Erspartes und ihre Renten schwinden sehen. Durch Arbeit wird niemand reich, nur durch Kapital ist das möglich, hat der Ökonom Thomas Piketty gesagt. Der Gesellschaftsvertrag ist porös geworden.

Dagegen etwas zu tun, hält die Politik nicht mehr für ihre Sache. Sie hat andere Aufgaben. Die EU mag für eine gewisse Rechtssicherheit und für Frieden in Europa gesorgt haben, aber immer mehr hat sie sich in eine Dienststelle von Konzernen und Finanzinteressen entwickelt.


"Mit Vernunft ist nicht viel zu erreichen,
mit Bewendenlassen auch nicht."


In der Ukraine besetzen sie und die USA in Kollaboration mit den Oligarchen das Land, einen der grössten Getreideproduzenten der Welt, und verwandeln es in ein Versuchsfeld, das den Investoren aus dem Agro-Business glänzende Aussichten verspricht.

Griechenland wird ins Schuldenloch getrieben und gezwungen, seine Wirtschaft soweit zu privatisieren, dass die Financiers sich die Filetstücke für einen Pappenstiel aneignen können. Kein Wunder, wenn die Regierung in Athen nicht mitmachen will.

Mit den USA handelt die EU ein Freihandelsabkommen (TTIP) aus, von dem die Öffentlichkeit nichts wissen darf und zu dem sie nichts zu sagen hat. Liebe Leute, schlaft nur ruhig, wir, die Regierenden, sorgen selbstlos für euch. Sagen sie. Diese Kabinettspolitik ist direkt der Restauration nach dem Wiener Kongress entsprungen.

Die Geheimpolitik steht in schärfstem Widerspruch zum demokratischen Versprechen, das sich tatsächlich als Versprechen  herausstellt, als Begriff, der seine Semantik verloren hat. Sollte das Abkommen angenommen werden, käme dies einem "Staatsstreich der Konzerne" (Thilo Bode) gleich, während die Menschen in der Politik nicht mehr viel zu sagen hätten. 1,5 Millionen von ihnen haben jedoch in einer Petition ihrer Ablehnung ausgedrückt und zu verstehen gegeben, dass sie diese Politik nicht wollen.
 
Der Überwachungsstaat steht im Extremfall bereit, um die kommenden Aufstände niederzuschlagen. Er bildet eine weitere Front, die dritte.

Mit der Tatsache, dass die Mainstream-Medien die Verhältnisse kaum je in angemessener, unparteiischer Weise darstellen, ist die vierte Front eröffnet: der Verlautbarungsschwall, der über das Publikum hereinbricht und für mehr Verwirrung als Erhellung sorgt. Die Professionellen der milliardenschweren Kommunikationsindustrie wissen genau, wie sie für ihre Auftraggeber die Verhältnisse so zurechtbiegen und -stutzen müssen, damit sie interessenkonform zur Kenntnis genommen und das Richtige für falsch angesehen wird, aber das Falsche allgemein als richtige Interpretation erscheint.  

Wir leben in einer Zeit der Fundamentalismen; der Wortgläubigkeit; der Indoktrination durch Medien, Werbung, Lobbyisten, Analysten und alles, was Kommunikation genannt wird. Damit wird ein übles Einheitsdenken initialisiert und der Verlust der Differenzierungen in Kauf genommen. Treffend hat Noam Chomsky von "Fabrikation von Konsens" gesprochen.

Leider gibt es noch eine fünfte Front, die sich auf die Ahnungslosigkeit und geistige Bescheidenheit vieler Menschen bezieht, die sich nicht vorstellen können, was ihnen zugefügt wird, aber sich empören, wenn man versucht, es ihnen zu erklären. Vollauf sind sie mit ihren mobilen Endgeräten beschäftigt. Mit Vernunft ist nicht viel zu erreichen, mit Bewendenlassen auch nicht. Viel zu erwarten gibt es nicht. Schlechte Zeiten.

23. März 2015
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Ein Prozess der Re-Feudalisierung"

Leider kann ich nicht viel einwenden gegen diese tiefsinnige Analyse und ihren pessimistischen Schluss.
Vielleicht das, dass die fünfte Front unsere Gleichgültigkeit ist, vergleichbar dem Wohlbefinden eines Menschen, der vom Dach eines Hochhauses springt und auf halber Höhe noch keine Beschwerden verspürt.

Die Gleichgültigkeit vieler Menschen der Politik gegenüber führt meiner Meinung nach zur Erosion der Errungenschaften der Aufklärung – es ist ein Prozess der Re-Feudalisierung, der sich beileibe nicht zum ersten Mal in der Geschichte abspielt.


Markus Jordi, Itingen



"Zunehmende Teilnahmslosigkeit und Desinteresse"

Sehr guter Kommentar von Aurel Schmidt. Hoffentlich wird er nicht nur gelesen und gleich wieder vergessen, sondern dabei auch überlegt, wie man sich gegen solche Auswüchse wehren kann. Durch die zunehmende Teilnahmslosigkeit und das Desinteresse der meisten Menschen, wird das Regieren immer einfacher und die Verstrickungen und Verfilzungen von Politik und Kapital kann so ganz schön im Sumpf gedeihen und niemand schaut hin. In der heutigen Spass- und Geldgesellschaft ist das eigene Wohlbefinden wichtiger als Solidarität mit betroffen Menschen, die unter den Auswüchsen des Kapitalismus geopfert werden, nur um des Profites willen.


Paul Bachmann, Rheinfelden



"i-Diotie"

Vielen Dank, Herr Schmidt, für Ihre interessante Kolumne. Ich empfinde das Phänomen so: "Von i-Diotie umzingelt!"


Peter Berlepsch, Basel


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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).