Mère poule
Doch, doch, ich bewahre meistens ruhig Blut. Manchmal werde ich hässig und rede Klartext, aber ganz innen drin frisst mich das nicht wirklich auf. Doch ich habe eine Achillesferse: Wenn auch nur das Geringste mit meinen Kindern und Kindeskindern ist, spinne ich, werde hysterisch, kriege Schnappatmung und alarmiere gleich die halbe Welt.
Früher kriegten sie es nicht mit, wenn ich auf dem Neuweilerplatz hinter den Torfballen der Migros nahkampfartig in Deckung ging und beobachtete, ob sie auf dem Schulweg auch wirklich über den Fussgängerstreifen gingen und aufpassten. Der Geschäftsführer der Migros hätte deswegen um ein Haar die Polizei verständigt – aber lassen wir das.
Als ich vor noch nicht so langer Zeit ins Spital rannte, kaum war meine Tochter aus dem Operationssaal (kein grosser Eingriff), stauchte mich meine andere Tochter übel zusammen. Und als ich vor noch weniger langer Zeit Letzterer anbot, sie von der Schule abzuholen, weil sie schwanger Velo fuhr und ich vor Angst fast gestorben wäre, da verdrehte die ganze Sippe die Augen, und ich gelobte Besserung.
Sichere Velowege also, wer könnte sich das mehr wünschen als eine mère poule, eine überbehütende Mutter, wie ich es bin. Das behauptet jedenfalls meine munter radelnde Jungmannschaft.
Aus einer gewissen Verzweiflung heraus habe ich einmal Nein und einmal gar nicht abgestimmt.
An der letzten Session der vergangenen Legislatur haben wir zwei Berichte der Umwelt- und Verkehrskommission (UVEK) verabschiedet. Es ging einerseits um die unformulierte Initiative "Sichere Velostrassen in Basel-Stadt" und andererseits um eine Motion der UVEK mit dem Ziel, die Baustellen in Basel zu reduzieren.
Ich will natürlich beides. Und habe dennoch, aus einer gewissen Verzweiflung heraus, einmal Nein und einmal gar nicht abgestimmt. Das Nein konnte ich noch verantworten, da der Kanton bereits sehr viel für die Sicherheit der Velofahrenden unternimmt und ich der Meinung bin, dass wir derzeit bereits genügend Baustellen haben, und jede Baustelle ja ebendiese Verkehrsteilnehmenden auch wieder gefährdet. Auch gegen die Reduktion der Baustellenflut kann ich deshalb nicht wirklich etwas haben.
Aber einfach mehr Geld sprechen? Der Ansatz müsste doch sein, dass das Parlament der Regierung nicht endlos Bauprojekte aufs Auge drückt, und dies noch mit kurzer Fristansetzung für die Umsetzung. Fernwärme, behindertengerechte Haltestellen und nun noch Velostrassen. Dazu kommen kaputte Schienen, die marode Margarethenbrücke, private Bauvorhaben und vieles mehr.
Der Verwaltungsapparat wächst fröhlich vor sich hin.
Es geht mir um diese Themen, es geht mir um Widersprüche. Wie ist es möglich, dass von der selben Kommission zwei Vorlagen kommen, die sich derart im Weg stehen?
Beide Vorlagen wurden überwiesen. Wir drücken der Regierung also mehr Baustellen aufs Auge, denn ohne Baustellen lassen sich keine Velostrassen realisieren. Und stellen ihr gleichzeitig 50,8 Millionen Franken zur Verfügung, um die Baustellenbelastung zu reduzieren. Davon sind übrigens knapp 20 Millionen reine Personalkosten. Und der Verwaltungsapparat wächst und wächst fröhlich vor sich hin.
Dieses Beispiel ist eines von vielen. Die Anliegen des Mieterschutzes und jene des Umweltschutzes stehen im Widerspruch – und beide Anliegen liegen mit der Stadtbildkommission im Clinch. Günstiges Wohnen versus energetisch sanierte Liegenschaften versus schöne Strassenzüge.
Was meinen Status als mère poule betrifft, sehe ich schwarz.
Weise wäre, die Gesamtsituation anzuschauen. Was wir aber machen, im Hohen Hause, ist Fokuspolitik, und diese schiesst sich häufig ins eigene Knie. Eine Vorlage sabotiert die andere; beide werden an die Regierung überwiesen. Da wünsche ich mir, die Regierungsmitglieder hätten die Fähigkeiten von Harry Potter.
Etwas mehr Weitsicht in der nächsten Legislatur, quer durch alle Parteien – das wäre gut.
Was meinen Status als mère poule betrifft, sehe ich allerdings schwarz. Vielleicht wird der Anteil "mère" etwas weniger, dafür entwickle ich mich rasant in Richtung "grandmère poule". Aber ich arbeite an mir. Wenn mein Grosskind dereinst über den Neuweilerplatz in die Schule geht, verstecke ich mich zur Abwechslung hinter der Universalerde von Coop. Der Fokus aber, der bleibt zumindest da glasklar.
27. Januar 2025
"Gurkensalat"
"Macht aus dem Staat Gurkensalat!" So hiess es früher einmal. Heute scheint der Staat – siehe beispielsweise Beitrag von Frau Strahm – den Salat selbst zu produzieren?!
Ueli Keller, Allschwil
"Keine Illusionen machen"
Liebe Frau Strahm – nur damit Sie sich keine Illusionen machen: Auch als Urgrossmutter wird es dann nicht besser. Ich schreibe aus eigenener Erfahrung. Ich tröste mich damit, dass – oh Wunder – meine Kinder gross geworden sind, die Grosskinder auch. Und so bin ich zuversichtlich, dass es auch mit den Urgrossenkeln klappt.
Rosmarie Mächler, Aesch
"Nichts anderes als Populismus"
Ja – diese Haltung im Grossen Rat würde ich mir öfter wünschen. Es bräuchte keinen Harry Potter in der Regierung, wenn im Rat weniger ideologisch sondern ganz einfach mit gesundem Menschenverstand gedacht würde. "Velopolitik" (Verkehrspolitik) ist letztlich (in Basel) auch nichts anderes als Populismus – das sollten sich die doch ansonsten so empört gegen Populismus schimpfenden Grossräte mal klar werden.
Peter Waldner, Basel