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Andrea Strahm: "Alles mit scharf"

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Zweite Chancen können lebensgefährlich sein

Eine Chance. Der Chef gibt mir nochmals eine Chance, morgens pünktlich zu sein, obwohl ich schon fünfmal verschlafen habe. Wir geben dem schlechten Schüler nochmals eine Chance, runden die Noten auf, vielleicht macht er den Knopf ja doch noch auf. Und dem Mörder geben wir nochmals eine Chance. Nicht zu morden. Zu beweisen, dass die Therapie gefruchtet hat, die Einschätzung des Gutachters, der Richterin richtig war. Er nicht mehr quälen und töten wird.

Wer "nochmals eine Chance" erhält, hat bereits einen Minuspunkt in seiner Verhaltensbilanz. Ich habe schon fünfmal verschlafen, die Noten des Schülers sind miserabel. Eigentlich müssten wir, die wir da versagt haben, die Konsequenzen spüren, die Stelle verlieren, von der Schule fliegen. Erhalten aber nochmals eine Chance, vielleicht haben wir es ja nun begriffen. Und wenn nicht, können die Konsequenzen immer noch ergriffen werden, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Anders im Falle des Mörders: Wenn er es nicht begriffen hat, dann wird ein völlig unschuldiger Mensch gequält, getötet, leidet jemand unsäglich und stirbt. Und die Familie des Opfers ist lebenslänglich traumatisiert.

Wer "nochmals eine Chance" erhält, hat für seinen Verhaltensfehler bereits den Drohfinger gezeigt erhalten, ist je nach Schweregrad der Verfehlung auch bestraft worden. Der Chef hat die Gehaltserhöhung verweigert, der Schüler wurde nur auf Probe befördert, und der Mörder hat gesessen und Therapien absolviert. Nun sollen wir beweisen, dass das alles genutzt hat, wir geläutert sind und fortan den Weg der Tugend beschreiten werden.

 

Das ist im Grundsatz nicht falsch. Es hat jeder eine zweite Chance verdient, heisst es ja so schön. Nur muss er auch die Möglichkeit haben, die Chance zu ergreifen. Es fällt beispielsweise niemandem ein, einem Baby, das vom Wickeltisch fiel, während dem der Vater gerade die Windel in den Mülleimer warf, eine zweite Chance zu geben. Es also nochmals alleine liegen zu lassen, damit es beweisen kann, dass es beim Windelwechseln ruhig da zu liegen vermag.

 

"Ein Täter, der seinen Aggressionen
einmal nicht gewachsen war,
gehört nicht mehr nach draussen."

 

Hat ein Triebtäter überhaupt die Möglichkeit, eine Chance zu ergreifen? Oder folgt er wie das Baby bloss Instinkten? Und wenn er es könnte – wird er es? Kann es Gutachter geben, die dies abschliessend beurteilen können? Aggressionstherapien, Hormontherapien, alle diese Therapien – ob sie dann in der realen Welt wirklich wirken, das wissen wir erst, wenn der Täter draussen ist und bis zu seinem Tod nicht rückfällig geworden sein wird.

Psychiatrische Gutachter sind Therapeuten. Die Therapie ist ihr Lebenswerk; ihr Ziel und Ehrgeiz ist es, den Täter wieder gesellschaftsfähig zu machen. Dass ihnen dies gelungen ist, können sie nur beweisen, wenn der Täter wieder draussen ist. Bei Marie aus der Romandie und andern gelang das nicht. Dazu sagt der Psychiater und renommierte Gutachter Frank Urbaniok in einem Interview, dass "über die vielen Hundert Fälle, die richtig eingeschätzt werden und wo nichts passiert" in der Öffentlichkeit nicht berichtet werde. Auch nicht über all die Menschen, die gar nie jemanden umlegen, und all die Menschen, die nicht umgebracht werden, denn das ist völlig irrelevant. Das verkennt der Fachmann, er hängt in seiner Tunneloptik, will die Richtigkeit seines Massstabes beweisen, hat den Bezug verloren.

Wir Bodenpersonal wissen, dass jeder irren kann. Auch Psychiater sind keine Hellseher. Es darf im Falle von Tötungsdelikten kein Restrisiko geben, denn das ist unerträglich. Verspielt ein derartiger Täter seine Chance, werden unschuldige Frauen, Kinder oder Männer gequält, zerstückelt, getötet. Sein Bedürfnis nach Freiheit steht in keinem Verhältnis zur unendlichen Qual und Tod seiner Opfer. Kriegt er keine Chance mehr, leidet er sehr viel weniger, als seine Opfer, wenn er sie nicht wahrnimmt.

Ein Täter, der seiner Aggression und seinen Trieben einmal nicht gewachsen war, der gehört nicht mehr nach draussen, wenn auch nur die kleinste Chance besteht, dass er rückfällig wird. Wer das beurteilen soll, weiss ich nicht. Gutachter jedenfalls, die nur ihre Theorien beweisen wollen, dürfen diese Chance klar nicht erhalten.

27. Mai 2013
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Andrea Strahm, geboren 1955, arbeitete als Anwältin auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums und ist seit 2021 pensioniert. Die ehemalige Präsidentin der damaligen CVP Basel-Stadt (neu: "Die Mitte Basel-Stadt") ist Grossrätin und Fraktionspräsidentin ihrer Partei. Die Mutter zweier Töchter lebt in Basel. © Foto OnlineReports.ch

andreastrahm@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Gedanken nicht zu Ende geführt"

Die Kolumnistin führt ihren Gedanke nicht zu Ende. Wer A sagt müsste auch B sagen. Wenn A lautet: "... der gehört nicht mehr nach draussen, wenn auch nur die kleinste Chance besteht, dass er rückfällig wird." Und diese Chance besteht zweifellos immer. Dann hiesse B: "Alle Gewalt- und Sexualstraftäter sind lebenslänglich zu verwahren." In diesem Fall braucht es niemanden mehr, der die Frage einer möglichen Rückfälligkeit beurteilt. Solange man jedoch die geschilderte Lösung, unzählige Menschen lebenslänglich einzusperren, weil einige wenige davon wieder schwere Straftaten begehen könnten, als zu radikal und somit ethisch nicht vertretbar ablehnt, braucht es jemanden, der die Rückfallgefahr beurteilt. Am besten professionelle, interdisziplinäre Gremien und nicht nur Psychiater. Denn darin stimme ich der Kolumnistin zu, Hellseher gibt es auch unter den Psychiatern nicht, aber das Restrisiko bei der Entlassung von Straftätern gibt es und es ist besser, zu lernen damit umzugehen, als es zu verdrängen.


Dominik Lehner, Präsident der Konkordatlichen Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern der Nordwest- und Innerschweiz, Basel



"Wo bleibt die zweite Chance des Opfers?"

Das mit der zweiten Chance ist ja schön und gut. Auf den ersten Blick auch human. Aber – das Opfer, das tot ist oder für das ganze Leben geschädigt, wo ist dessen zweite Chance?


Hans-Otto Glaser, Lörrach



"Täter zu Opfern hochstilisiert"

Es ist unsere Justiz, die versagt. In den letzten Jahrzehnten wurden die Täter zu Opfern hochstilisiert und die Opfer praktisch zu Tätern. Täter erhalten jede Hilfe vom Staat, wie Advokaten und Therapeuten. Eine Reihe von Organisation setzt sich für sie ein. Die Opfer können sehen wo sie bleiben. Der Schaden wird ihnen nicht ersetzt und Hilfe erhalten sie höchstens von Freunden und Nachbarn. Ich selbst habe am 23.10.2002 einen Anzug im Grossen Rat für die Besserstellung von Opfern von Straftaten eingereicht (www.grosserrat.bs.ch Nr. 02.7348) der natürlich abgeschmettert wurde. Das sagt viel aus über unsere Grossratsmitglieder und Andrea Strahm muss sich nicht über die ausbleibenden Reaktion wundern, denn sie greift ein absolutes politisches Tabuthema auf.


Alexandra Nogawa, Basel


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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).