Basler Spiralen, Politik und Pirouetten
Es sind die Spiralen, nicht Spaghetti, an denen die Sauce klebt. Was auch bei statistischen Erhebungen so wäre, würde man die Tiefe suchen, die dritte Dimension. Wir aber denken in Koordinaten. Abwärtskurven, Aufwärtskurven, was keine Kurven sind, sondern Zacken, von Punkt zu Punkt ist es stets eine Gerade, aber lassen wir das. Und so haben wir unzählige Diagramme, Passagierzahlen abnehmend, Psychiatriefälle zunehmend, Expats kommen, Basler gehen. Getrennte Schubladen für jedes Thema. Spaghetti, ungekocht, hart, gerade.
Wir bräuchten Spiraldenken, denn es hängt alles zusammen, kurvig statt gerade. "Baselworld" weg, "Muba" weg, "Art Basel" weg. Naja bald, was sonst, Paris ist doch wirklich geiler. Also Hotels weg, zudem Bäume weg, Parkplätze weg, Autos weg, Gasleitungen weg. Läden weg, Restaurants weg, Schweizer weg, Investoren weg. Big Pharma noch da, also Expats da, Durchlauferhitzer Basel.
Das sind die Fakten, die Stadt verliert rasant an Attraktivität. Auch wenn die Steuereinnahmen noch stimmen, der Flughafen ausbaut, Ghettos aus dem Boden schiessen, Erlenmatt, Klybeck. Auf den Pirouetten der Spirale befinden sich viele Punkte, die den Trend bestimmen, und der geht steil abwärts, derzeit.
"Bunt ist schräg,
bunt erträgt keinen Einheitsbrei."
Es sind die Individualität und die Kreativität, die Basel ausmachten. Kunststadt, Messestadt, Eventstadt. Eine Stadt floriert dank einem attraktiven Angebot, das Besucher von auswärts anzieht und die Bewohner bleiben lässt. Es ist die heterogene Privat-Initiative, die Farbe gibt, nicht der Beamtengeschmack. Nur eine bunte Stadt ist attraktiv. Bunt ist schräg, bunt erträgt keinen Einheitsbrei, bunt ist organisch gewachsen. Wir verlieren dies zusehends. Was bleibt, ist öde, mühsam, Behördenkram.
Eine der Tageszeitungen zitiert eine Studie der UBS unter dem Titel "Anziehungskraft nimmt ab" und benennt die Gründe, etwa es würde zu wenig gebaut. Wer tut sich das denn auch noch an, nach Annahme der Mieterschutz-Initiativen? Oder die vielbesungenen Quartierparkings zur Kompensation der reihenweise aufgehobenen Parkplätze. Keiner mehr da, der die baut, weg, alle Investoren. Autos weg, Menschen weg.
Das Parlament debattiert derweilen über die Oekolampad-Matte und will auf unseren 37 Quadratkilometern das Klima für die 149 Millionen Quadratmeter Erdoberfläche retten. Kappt Gasleitungen, verbietet Ölheizungen und baut Ladestationen für Elektroautos – bei drohender Stromknappheit. Hebt Parkplätze auf, so dass Besuchende entnervt wegbleiben. Nachfrage bestimmt Angebot, fehlt die Nachfrage, verschwindet das Angebot.
Eine attraktive Stadt ist für das Gedeihen von Big Pharma, Life Sciences und damit unsere Alma Mater Bedingung. Die grossen Talente aus Forschung, die Studierenden, alle, die diese Cluster ausmachen, kommen nur, wenn das Leben hier attraktiv ist. Ein Leuchtturmprojekt Biozentrum funktioniert nicht ohne Internationalität und Zuzüger aus der ganzen Welt und initiative Einheimische.
Am Ende der Spirale, ganz unten, sind wir dann, wenn auch Big Pharma wegzieht. An einen attraktiveren Ort, mit weniger Auflagen, besseren Konditionen. Weg mit den Steuereinnahmen heisst fertig mit Geld, für die Oekolampad-Matte und für Ladestationen, liebes Parlament. Wir sind auf dem besten Weg dahin.
Übrigens nennt man Spiralen in Italien "Fusilli". Sie nehmen alle Bestandteile einer Sauce auf. Nicht wie die Spaghetti, bei welchen stets ein Rest Salsa auf dem Teller bleibt. Was wir in der Politik jetzt bräuchten, wäre Parmesan, damit alles zusammenhält. Kiloweise Parmesan.
31. Januar 2022
"Stadtentwicklung, die traurig stimmt"
Eine differenzierte Beschreibung unserer Stadtentwicklung, die traurig stimmt. Etwas fehlt noch: Jeden Tag kann man Hindernisse durch neue Tiefbaustellen entdecken – werden Menschen zu Fuss, mit Kinderwagen, Rollstuhl oder per Velo von unseren Ämtern vergessen?
Christine Scherler, Basel
"Lesenswert auch für Politiker"
"Die Situation in Basel ausgezeichnet auf den Punkt gebracht. Lesenswert auch für Politiker."
Walter P. von Wartburg, Basel