(Nur) glückliche Lehrer machen Schüler glücklich
Psychologie, Informatik, Medizin, Jurisprudenz, Biologie und Geschichte – so ungefähr lauteten die Berufswünsche im Freundeskreis meiner Tochter um die Matur herum, und mit viel Enthusiasmus stürzten sie sich in die Universitäten. Alle waren sie problemlos und ohne Ehrenrunde durch die Schule gekommen, hatten die Matura bestanden.
Und dann war Schluss. Es rasselten alle durch die Prüfungen, allen voran ausgerechnet die einst cleversten Schüler. Ratlos stehen sie nun da, weichen auf andere Studiengänge aus, wissen nicht, wie weiter.
Tatsache ist, dass diejenigen Jugendlichen, die das Potential für ein Studium hätten, nicht mehr lernen, zu lernen. Und Begabung hin oder her: Es gewinnt keiner eine Goldmedaille auf der Sprungschanze, wenn er noch nie auf Skiern stand.
Studieren heisst pauken. Der Beruf eines Studierenden besteht darin, täglich stundenlang über Büchern zu sitzen, und sich das, was da gelesen wird, in den Kopf zu hämmern. Das lernt heute nicht mehr, wer von Natur aus eine schnelle Auffassungsgabe hat, denn die reicht völlig aus für die Matur. Es gibt auch begabte Schüler, die nicht zuhören – und die kriegen es natürlich auch in der Schule nicht auf die Reihe, aber davon ist hier nicht die Rede.
Wer kein Schnelldenker ist, erhält Stützkurse, Abklärungen, Unterstützung hinten und vorne. Manche kommen so, mit viel Aufwand, auch zur Matur, und so manches Mal hilft auch der "Paragraph Neun", den alle Schüler kennen: Probleme Zuhause oder gesundheitlicher Natur, was weiss ich, und man kann dennoch befördert werden – und wird es auch, denn vielleicht, vielleicht, macht einer ja noch den Knopf auf.
Dagegen, dass Schwächeren geholfen ist, ist nichts einzuwenden. Aber dass dadurch die Schnellen ausgebremst werden, darf nicht geschehen. Ein Bekannter, Professor der Biochemie, der auch Mediziner unterrichtet, sagte mir kürzlich, er müsse drei Viertel aller Studierenden durchfallen lassen. Was soll mit diesen geschehen? Sie sind anfangs bis Mitte zwanzig, haben, ausser der Matura, nichts in der Hand, und stehen dann da wie der Esel am Berg.
Natürlich war die Institution der Orientierungs-(losen)Schule ein Humbug sondergleichen. Sieben Jahre Gesamtschule für alle Kinder, egal, ob langsam, schnell, deutschsprachig oder nicht, das kann nicht gut gehen. Dies wurde endlich eingesehen, weshalb neue Lösungen her müssen: "Harmos". Richtig ist dabei, dass versucht wird, dem Kantönligeist an den Kragen zu gehen, und richtig ist auch, dass diese unsäglichen sieben Jahre wieder aufgesplittet werden sollen.
Aber: Wir sind ja alle einmal in die Schule gegangen, und woran erinnern wir uns? An die Lehrkräfte. Egal, ob sieben, vier, fünf oder wie viele Primarschuljahre, Sekundarschuljahre, Real- oder Bezirksschule: Die guten Lehrer hat man glühend verehrt, bei den andern hat man gleich auch noch das Fach gehasst.
Der Lehrer, die Lehrerin, sie sind das Tor zu Welt, sie sind diejenigen, die es in der Hand haben, Jugendliche auf das Studium vorzubereiten, ihnen beizubringen, zu lernen. Sie können die Schwächeren begleiten, ihnen Mut machen. Oder eben nicht.
Genau da muss die Schulreform ansetzen: Die Lehrkräfte müssen ihren Job machen können, und zwar so, dass der ihnen Freude macht, denn diese Freude geht auf die Kinder über. Es macht keine Freude, Klassen mit 26 Jugendlichen in Chemie zu unterrichten, kann nicht, auch wenn die tapferen Lehrer dies bestreiten. 45 Minuten Unterrichtseinheit sind zu wenig. Kaum ist die Klasse ruhig, fängt sie wieder an zu rumoren – an wirklichem Unterricht bleibt netto vielleicht eine halbe Stunde. Und schon wieder Pause und das nächste Fach. Ruhe muss da ins System, Regelmässigkeit, Klarheit, Strukturen.
Kurzum, mehr Geld!
Sonst ist "Harmos" nichts als harmlos, und die Probleme bleiben exakt genau die gleichen. Und für die ganze harmlose Übung werden Unsummen ausgegeben, die ausgerechnet der Schule nichts nützen.
7. März 2011