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Andrea Strahm: "Alles mit scharf"

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Skandälchen, Affären und Affärchen

O tempora o mores! Dies rief Cicero am 8. November 64 v. Chr. dem Senat zu, in seiner berühmten ersten Rede, oh Zeiten, oh Sitten. Und dabei kannte er weder Christian Wulff noch Alice Schwarzer noch die spanische Infantin Cristina oder Georges Caccio; er kannte auch Ballmer, Conti, Pegoraro oder Baumgartner nicht. Und Schneider-Ammann war ihm ebenfalls völlig unbekannt.

Ciceros Nachkommen könnten auch heute aufheulen, angesichts all der Skandale und Skandälchen, Affären und Affärchen oder Unterlassungen aller Art vorgenannter und unzähliger weiterer Individuen. Fast täglich taucht in den Printmedien wieder eine Story auf, wonach irgendwer irgendwas nicht versteuert, eine Arbeit abgeschrieben, Honorare nicht abgeliefert, nicht offengelegt oder sonst zu seinem Vorteil oder gegen Regeln verwendet hat oder haben soll. Die Moral, so scheint es, versinkt derzeit in abgrundtiefem Sumpf. Oh Zeiten, oh Sitten.

Szenenwechsel. Znünipause am Amtsgericht im Jahr 1982. Ein Gelächter, die Runde kann sich kaum fassen. Der Gerichtspräsident, der Präsi, hatte am Vorabend reichlich gebechert und war danach mit seinem Auto in rassigem Tempo in Richtung trautes Heim gebrettert. Und da wurde er doch tatsächlich bei einer Polizeikontrolle aus dem Verkehr gezogen. Darüber geriet er in Rage. Ir Düpu, i bi dänggch dr Grichtspresidänt!*, so lautete sein Ausbruch, und der Polizist, ein Auswärtiger, antwortete u ig bi dr Keiser vo China**. Natürlich hatte der Präsi viel zu viel intus, und natürlich war er zu schnell gefahren. Aber Hallo, wir reden hier vom Präsi, nicht von irgendwem. Der Polizist erhielt somit einen saftigen Rüffel und konnte froh sein, dass er nicht in den Innendienst versetzt wurde. Und der Präsi sah gnädig von weiteren Schritten gegen besagten Versager ab.

 

"Es wird auf den Kopf geschossen
wie nie zuvor."

 

Auch quot licet iovi non licet bovi sagten sie zu Ciceros Zeiten, was Jupiter darf, dürfen die Ochsen noch lange nicht. Und darum ging's und geht es. Bei den Honorablen wurden bislang alle Augen zugedrückt, solange nichts passierte. Den Mächtigen wollte keiner an den Karren fahren, es galt, sie gnädig zu stimmen. Auch mit kleinen Geschenken, einer Flasche Wein, einem Fresskorb, einem Nötchen hier, einem Honorärchen dort. Das fing bei der Primarlehrerin an, die an Weihnachten ein Geschenklein erwartete, und ging bis ganz hinauf zum Olymp der Götter von Politik und Wirtschaft. Beim Wort "Bestechung" hätten alle mit Entsetzen den Kopf geschüttelt, wir sind doch nicht die Mafia. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Auch wenn diese nur sehr einseitig ausgetauscht wurden. Alle wussten es, alle machten es, keiner sagte etwas, auch nicht die Presse.

Und nun wird plötzlich gewühlt im Sumpfe. Nicht dass die Printmedien plötzlich die Moral entdeckt hätten. Aber der Konkurrenzkampf ist hart, ohne Inserate kann keine Zeitung überleben, und Inserenten kriegt nur, wer viele Leser hat. Also stricken die Herausgeber im Kopfstand mit den Füssen, um Leserzahlen zu generieren, ja manipulieren und steuern Auflagenzahlen zuweilen selber, so wie andere ihr Döffli frisieren. Soviel zur Moral.

Gelesen wird, was spannend ist, und spannend ist, was nach Skandal riecht. Also wird nach Unlauterem recherchiert, und, hélas, reichlich gefunden. Wer Rang und Name hat, kommt dran, gnadenlos. Es wird auf den Kopf geschossen wie nie zuvor. Die Welt ist plötzlich schlecht wie nie, die Classe politique korrupt wie nie, der Skandalgeifer fliesst und fliesst.

Aufräumen ist angesagt, und es wird aufgeräumt. Das ist gut so, denn dass manche gleicher sind als andere, erinnert an die Verhältnisse hinter dem Eisernen Vorhang und ist nicht in Ordnung. Dass dabei aber Menschen abgeschossen werden, die nur taten, was immer schon Sitte war, ist unverhältnismässig. Und irgendwann wird aufgeräumt sein, die neuen Gepflogenheiten der absoluten Transparenz werden sich etabliert haben, keiner wird mehr ohne Berater, Treuhänder, Controlling oder andere Supervision ein öffentliches Amt wahrnehmen wollen, es sei denn, er sei masochistisch veranlagt.

Wen werden sie dann auf dem Tranchierbrett sezieren, um Leserzahlen zu generieren? So oder so: Die Menschheit wird nicht besser geworden sein. Und nicht schlechter. Die Erde dreht sich weiter.

 

* Sie Trottel, ich bin der Gerichtspräsident!
** Und ich bin der Kaiser von China!

17. Februar 2014
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Andrea Strahm, geboren 1955, arbeitete als Anwältin auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums und ist seit 2021 pensioniert. Die ehemalige Präsidentin der damaligen CVP Basel-Stadt (neu: "Die Mitte Basel-Stadt") ist Grossrätin und Fraktionspräsidentin ihrer Partei. Die Mutter zweier Töchter lebt in Basel. © Foto OnlineReports.ch

andreastrahm@bluewin.ch

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"Das Gebiet Rütschete ist tatsächlich ein bekannter Rutsch- oder Kriechhang."

Stellungnahme in der Volksstimme
vom 26. September 2023
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Überraschung!

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In einem Artikel über die polarisierende Jungpolitikerin Sarah Regez (SVP BL) bezieht sich die Basler Zeitung auf OnlineReports.

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Happy Radio greift den Bericht von OnlineReports über die Deponie Höli Liestal AG auf.

Die Volksstimme bezieht sich in einem Porträt über den freiwilligen Verkehrsregler in Rickenbach, Robert Bussinger, auf einen früheren Artikel von OnlineReports.

Die bz greift den Bericht von OnlineReports über den Eklat am Baselbieter Kantonsgericht mit dem sofortigem Rücktritt eines Vizepräsidenten auf.

Die bz zitiert in ihrem Nachruf auf Hans Rudolf Gysin aus dem OnlineReports-Porträt "Die Hans Rudolf Gysin-Story: Auf der Spur eines Phänomens".

Zahlreiche Medien haben die Nachricht über den Tod von Hans Rudolf Gysin aufgenommen: Basler Zeitung, bz und weitere Titel von CH Media, Prime News, Volksstimme, Bajour, Baseljetzt, SRF-Regionaljournal Basel, Happy Radio, nau.ch.

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